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Inland
Ein skandalöses Provinzurteil mit bundesweiter Auswirkung:
Aufruf gegen Neonaziaufmarsch strafbar
Von Wolfgang Huste

Am 28. Juni wurde in der tiefen Provinz, im Amtsgericht Ahrweiler, nach rund 90 Minuten Gerichtsverhandlung ein skandalöses Urteil mit bundesweiter Relevanz gefällt. Anwesend waren 52 BesucherInnen, darunter einige Genossinnen und Genossen, Gewerkschaftsfunktionäre, ein Vertreter der Piraten, die Presse und eine Redakteurin vom SWR-Radio. Ich wurde dazu verdonnert, 2.000 Euro Strafe zu zahlen, weil ich Ende August 2011 auf meinem "privaten“ Blog (1)zur friedlichen Blockade eines Neonaziaufmarsches in Dortmund aufrief, der am 3. September 2011 stattfand.
 

Oberbürgermeister von Dortmund,
Ullrich Sierau, als Zeuge benannt
Quelle: wikipedia
Damals marschierten 900 Neonazis auf, die sich 10 000 Gegendemonstranten gegenüber sahen. Die junge, in politischen Prozessen wohl recht unerfahrene Richterin, war merklich mit diesem Verfahren überfordert und überließ deshalb dem anwesenden Staatsanwalt weitestgehend die Verhandlungsführung. Dieser äußerst konservativ und rigide auftretende Staatsanwalt machte aus seiner Anti-Links-Haltung keinen Hehl. Mein Anwalt und ich haben sofort nach Bekanntgabe des Urteils Revision eingelegt. Nun laden wir den Ober- bürgermeister von Dortmund, Ullrich Sierau, als Zeugen vors Oberlandes-gericht Koblenz. Der Dortmunder Oberbürgermeister hat damals ebenfalls zur friedlichen Blockade des Neonaziaufmarsches aufgerufen, mit ca. 1.000 weiteren Menschen. Zu den UnterzeichnerInnen gehörten auch die komplette Landtagsfraktion der Partei DIE LINKE und die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, ebenso zahlreiche GewerkschafterInnen, Grüne, SPDler, Linke, Piraten und PfarrerInnen.
 
Die Urteilsbegründung ist sehr perfide: Von Links organisierte Sitzblockaden provozierten Gewalt von Rechts und dienten den Nazis als Legitimation für die Gewaltanwendung. Das heißt also im Umkehrschluß: Laßt die Glatzen einfach marschieren und dafür bleibt es friedlich. So einen Bullshit mussten wir uns gestern anhören!! Als Sozialwissenschafler weiß ich - andere auch: Die Neonazis werten es als Zustimmung der Bevölkerung, wenn keiner gegen sie demonstriert, nach dem Motto: “Wer nicht gegen uns ist, ist für uns!”. Einige Zeitungen haben ausführlich über das Gerichtsverfahren berichtet.
 
Was nutzt uns eine NPD-Datei, wenn in der Provinz (und nicht nur da!) engagierte AntifaschistInnen kriminalisiert werden, z.B. dann, wenn sie öffentlich zur friedlichen Blockade eines genehmigten Neonazi-Aufmarsches aufrufen. Das ist mit Sicherheit das falsche Signal! Nun werden die Neonazis ob des reaktionären Urteils frohlocken. Und dieses Skandalurteil wurde unter einer Rot-Grünen Regierung gefällt! Das Landgericht Koblenz bleibt aber anscheinend wie gehabt "tief schwarz“. Der anwesende Staatsanwalt hat in öffentlicher Hauptverhandlung das Abhalten von Sitzblockaden gegen Naziaufmärsche mit strafbarer Selbstjustiz gleichgesetzt. Das ist tolldreist. So ist Rheinland-Pfalz, so ist die StA Koblenz.
 
Oberbürgermeister Ullrich Sierau, Dortmund, hat nicht nur den Aufruf des Bündnisses "Dortmund nazifrei" unterzeichnet, das friedliche Blockaden anstrebt. Sierau Haltung kann man auch auf der Homepage der Stadt Dortmund (2) nachlesen: “Ich halte in Kenntnis der einschlägigen Urteile z.B. des Bundesverfassungsgerichts friedliche Sitzblockaden durchaus für ein legitimes Mittel im Kampf gegen den braunen Sumpf. Eine wehrhafte Demokratie muss sich gegen ihre Feinde wehren können. Dafür trete ich ein.”(PK)
 
(1) www.wolfgang-huste-ahrweiler.de
(2) Quelle: www.dortmund.de/
 
Wolfgang Huste ist Sprecher des Ortsverbandes DIE LINKE. Bad Neuenahr-Ahrweiler, war 2010 Bürgermeisterkandidat der Partei DIE LINKE. für Bad Neuenahr - Ahrweiler und ist Mitglied bei Attac Ahr


Online-Flyer Nr. 361  vom 04.07.2012

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