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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
"Vorgegauckelt" und Verschaukelt!
Von Evelyn Hecht-Galinski

Gauck, der sprachgewaltige, Gauck, der Inszenierer seiner selbst, Gauck, der Blender, Gauck der "Gaukler". Wo blieben seine Lieblingswörter von Freiheit und Gerechtigkeit? Zeigte seine Israel-Visite doch auf fatale Weise, wie deutsche Politik und deren Amtsträger am Volk vorbei agieren und repräsentieren.


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Plant man aus diesem Grund jetzt auch von israelischer Seite aus einen neuen Versuch, nach so vielen fehlgeschlagenen, um das Image im Ausland aufzubessern? Nach dem „The Israel Projekt“ und den Diaspora-Brigaden bietet jetzt die Bar-Ilan Universität Kurse für Gaststudenten und Wissenschaftler an, die sich auf Auslandsaufenthalte vorbereiten, wie man bei Auftritten agiert und auf "antiisraelische“ Propaganda reagiert. Meinen die israelischen "Denker“ wirklich, dass man Verbrechen ewig mit Propaganda begegnen kann? Ich war schon zu Lebzeiten meines Vaters sehr aufgebracht darüber, dass er einen "Ehren Dr.“-Titel bekam und diesen auch annahm! Ich diskutierte damals schon darüber mit ihm, wie man von solch einer "rechten Kaderschmiede“ einen Dr.-Titel tragen könnte!
 
Nein, Gauck vertrat nicht die 60% der Deutschen, die Israels Politik als rücksichtslos empfinden. Nein, er vertritt auch nicht die 70% der Deutschen, die Israel als Staat aggressiv finden. Auch ich gehöre zu diesen Deutschen, die sich durch Aussagen, wie „Wir Deutschen stehen an eurer Seite", oder den hohen Stellenwert der „einzigartigen" Beziehungen Deutschlands zu Israel nicht vertreten fühlen! Ja, in der Tat, die Beziehungen sind einzigartig! Warum unterstützen unsere Politiker bedingungslos einen Staat, der rücksichtslos die Menschenrechte und das Völkerrecht bricht? Bedingungslose Solidarität mit einer rassistischen Regierung, die sich auszeichnet durch Besatzung, Landraub und Rücksichtslosigkeit gegen alle und jeden.
 
So frage ich mich auch, was Westerwelle, oder Gauck meinen, wenn sie ständig auf die gemeinsamen „Werte“ hinweisen. Meinen sie vielleicht die Angriffskriege, die wir hinter uns haben, oder den gemeinsamen Waffenaustausch? Wie der Spiegel diese Woche berichtete, sind die gelieferten U-Boote mit Atomwaffen bestückbar. Israel kann diese dann als Abschussrampen nutzen. Drei U-Boote wurden geliefert, drei weitere werden folgen. 135 Millionen tragen die deutschen Steuerzahler, der israelische Anteil wird bis 2015 gestundet. Die Bundesregierung erklärte bis jetzt, sie wisse nichts von der atomaren Bewaffnung, aber lt. Spiegel räumen deutsche Spitzenbeamte ein, dass sie sich bewusst gewesen seien, wofür Israel die Waffen hat und sie verwendet. Kriegsminister Ehud Barak bedankte sich mit den Worten: "Die Deutschen können stolz darauf sein, die Existenz des Staates Israel für viele Jahre gesichert zu haben!" Wahrlich auf diese gemeinsamen Werte gilt es stolz zu sein! Wir sollten stolz darauf sein, dass wir einen Nobelpreisträger wie Günter Grass haben, der das alles in seinem Gedicht voraus schrieb und dachte. Diese gemeinsamen Werte von Sprache und Voraussicht sollten wir hochhalten. Günter Grass und Erich Fried, zwei vorausschauende Dichter und Denker. Wir haben genug von "politischen Predigern und Predigten! Sprach doch Bundespräsident Gauck, der ehemalige Pfarrer, mit salbungsvollen, pastoralen Worten - und das ist mehr als bemerkenswert - beim Bankett von Israels Präsident Peres. Nach dessen Rede, sprach er doch vom "Traum von einem freien und friedlichen Leben, dem Traum von menschlichem Miteinander und von gegenseitigen Respekt im Nahen Osten und überall sonst". Kein Wort von der Unterdrückung, der Mauer und den Verbrechen, nur Solidarität mit Israel. Freiheit und Gerechtigkeit blieben außen vor!

Ganz anders in Ramallah und in Burin. Hier ist Gauck, ganz der alte, in Israel will er nicht der Lehrer aus Deutschland sein, aber den Palästinensern erteilt er besserwissende Vorschläge, wie er sich die "Zwei Staaten-Lösung" vorstellt. Und Ratschläge, wie Verhandlungen ohne Vorbedingungen, ganz im israelischen Sinne. Von den illegalen Siedlungen und anderen Schwierigkeiten spricht er lieber nicht, sondern er lässt sich lieber über die Olivenbäume und die wunderschöne Landschaft aus! Er vergisst, dass diese Olivenbäume und diese wunderschöne Landschaft regelmäßig von seinen israelischen Freunden mutwillig zerstört werden. Hörte er doch von seinen palästinensischen Gastgebern über die täglichen Angriffe auf ihre Würde, ständige neue Landenteignungen und Ernten, die täglich in Brand gesetzt werden.
 
Erlebte nicht auch Gauck, dass selbst er als deutscher Bundespräsident mehrmals seinen Wagen an diversen Checkpoints wechseln musste? Sah er nicht das Elend der palästinensischen Häuser mit primitiven Wasserzisternen und - im Gegensatz dazu - die luxuriösen Siedlungsblöcke mit den Swimmingpools und modernsten Wasserleitungen? All das schien ihn aber kalt zu lassen hinter seiner Sonnenbrille. Er beließ es bei seinen üblichen Floskeln und betonte gegenüber Palästinenserpräsident Abbas nur, dass er in Jerusalem ausdrücklich Zurückhaltung im Siedlungsbau angemahnt habe. Wahrhaft staatstragend und mutig!
 
Solche pastoralen Floskeln und Ausführungen haben die Palästinenser schon genug gehört. Werden nicht derweil täglich neue Tatsachen geschaffen, um die Zwei-Staaten-Lösung zu verhindern? Deshalb dauerte das Gespräch zwischen den beiden auch nur eine knappe halbe Stunde, ganz im Gegenteil zum Gespräch mit Ministerpräsident Netanjahu, dort wurde die Zeit gleich um das Doppelte überschritten.
 
Die Gesprächslänge mit Außenminister Lieberman ist unbekannt, aber schon merkwürdig ist, warum sich ein Bundespräsident ausgerechnet mit diesem Außenminister trifft. Hatte er, "unser Grußonkel" (siehe Foto), vielleicht eine Grußbotschaft vom „lieben Freund Westerwelle" dabei, den ich nun am liebsten "Westerman" nennen würde? Ist es vielleicht wieder einmal damit zu erklären, dass speziell im Fall Gauck, eine familiäre (Nicht)Aufarbeitung nachzuholen ist, da beide seiner Eltern in der NSDAP waren, sein Vater immerhin schon seit 1934(!) und dieses Thema im Hause Gauck immer ein dunkles, unausgesprochenes blieb? Hat es damit zu tun, dass sein Vater 1951 von der sowjetischen Geheimpolizei abgeholt wurde, beschuldigt wegen Geheimnisverrat? Gaucks Vater landete danach im Gulag und war fortan Opfer für den Sohn.
 
Interessant scheint mir in diesem Zusammenhang auch, dass der in Hamburg lebende Sohn von Gauck, diesen als kalt beschrieb. Auch Gauck selbst ist in einem kalten Elternhaus aufgewachsen. Diese Kälte hat er heute allerdings abgelegt, seit er den Mythos des strahlenden Überfliegers verbreitet. Er hat es immer sehr gut verstanden, sein Image aufzubauen: Bürgerrechtler und als Krönung, Leiter der Gauck-Behörde. In dieser Funktion gefielen ihm allerdings viele rechtsstaatliche Bindungen bei der Aktenveröffentlichung nicht, und er sah sie als lästig an. Die "echten" Bürgerrechtler, die Gerechtigkeit erwartet hatten, wurden nicht einbezogen.
 
Erst heute, viel zu spät, hat die ehemalige Gauck-Behörde einen unbestechlichen Leiter gefunden, nämlich Roland Jahn, der versucht zu "entgauckeln" und aufzuräumen. Dieses Abschweifen kam mir nur in den Sinn, weil ich diese Verbindungen sehe und daraus dieses Handeln ableite.
 
Klar, dass Zentralratspräsident Graumann hochzufrieden war mit diesem Bundespräsidenten, den er begleiten durfte. Ging dieser doch zu Herzls Grab. Ich schrieb in einem meiner letzten Artikel über dessen Äußerungen vor der Staatsgründung Israels.(1) Am Abend zuvor ging es, "Hand in Hand“ mit Graumann, zu Bubis Grab, dem Lehrmeister von Graumann. Ich frage mich inzwischen überhaupt, warum wollte Bubis nur in Israel begraben werden, legte er doch soviel Wert darauf, als deutscher Jude betrachtet zu werden. Graumann fühlt und handelt so in Israels Sinn, dass er nur fortsetzt, was Charlotte Knobloch so eindrucksvoll begann - Israel in Deutschland zu vertreten. Dieselbe Frau Knobloch sagte doch anlässlich des "Jerusalem Tages" - ich zitiere: „Forderung nach einem ungeteilten Jerusalem als Hauptstadt Israels"!! Ebenso plädierte sie „für eine starke zionistische Bewegung"!! Ich frage uns: wenn man diese völkerrechtswidrige zionistische Position bezieht, die auch Netanjahu und andere israelische Rassisten verkünden, auch sie als deutsche Funktionärin der Juden in Deutschland fungiert, ich benutze bewusst diese Formulierung von Juden in Deutschland, da für diese Funktionäre nur diese passt. Sie sind für mich keine deutschen Juden, sie sind Vertreter des jüdischen Staates in Deutschland. Es ist für mich in Frage zu stellen, ob diese Funktionäre und diese Organisationen weiter die Meinung der deutschen Juden vertreten. Daher sehe ich es auch als skandalös an, wenn diese Frau Knobloch die Vertreter des deutschen Fußballs nach Auschwitz begleitete und diese zum Teil jungen Spieler und die Delegation mit ihren "Gift-Thesen" beeinflussen konnte.
 
Das IOC ließ sich bis jetzt noch nicht erweichen, hielt dem Druck von Graumann und Knobloch stand und lehnte die Bitte um eine Schweigeminute für die Opfer der Anschläge von München 1972 ab. Würde man diesem Druck nachgeben, dann wäre es an der Zeit, Schweigeminuten auch für die Tausende palästinensischen, von Israel ermordeten Opfer einzulegen. Schlimm genug ist es schon, wenn das IOC die Palästinenser zu Asiaten macht und Israel in Europa lässt. Eine interessante Theorie, zweierlei Semiten. So konnte auch das Fußballspiel Deutschland gegen Israel am 31.Mai in Leipzig stattfinden - vorgezogen, damit die deutschen Juden nicht auf das Schabbat-Beten verzichten mussten. Ist man bei Muslimen auch so "rücksichtsvoll"? Graumann hatte dieses Spiel nach angeblichen "antisemitischen" Ausfällen gegen einen in der Bundesliga spielenden israelischen Fußballer angeregt. Wie sagt ein jüdischer Spruch: „Schabbes kann man damit machen".
 
Fazit dieser "Gauckel"-Reise, "begleitet" von Springer-Presse und Graumann bis Jerzy Montag, der jüdische Israel-Spezialist der Grünen: Freiheit und Gerechtigkeit gilt nicht für die Palästinenser!
 
Zur gleichen Zeit in Tel-Aviv rassistische Ausfälle gegenüber schwarzen Flüchtlingen und Sprüche, wie: „Der jüdische Staat muss jüdisch bleiben." Oder sie werden als „Krebsgeschwür" bezeichnet. Aber eine Million russische Einwanderer werden gerne in den jüdischen Staat aufgenommen, man schätzt, die Hälfte davon sind Nichtjuden. Egal! Hauptsache keine palästinensischen Rückkehrer oder Schwarze! Der rassistische Judenstaat Israel muss weiß und jüdisch bleiben, ganz im Sinne von Theodor Herzl und dem Zionismus!
 
Ach ja, vergessen wir nicht den jüdischen Kriegsphilosophen und Kriegsflüsterer aller französischen Politiker, Bernard-Henry Levy (BHL). Sein Motto: „Wer unter mir Präsident ist, ist mir egal“! Er "beriet" schon Präsident Mitterand in Kriegsfragen im Bosnien-Krieg, er unterstützte auch die rechtsterroristischen Contras in Nicaragua und fand US-Präsident George W. Bushs Irak-Invasion als moralisch gerechtfertigt. Er trieb Präsident Sarkozy in den Libyen-Krieg, was diesem bei den Wahlen kein Glück brachte, und drängt nun den Sozialisten Hollande in den Syrien-Krieg. Auch jetzt stehen wieder Wahlen in Frankreich an, so dass etwas Kriegspropaganda ihm nicht schaden kann.
 
Hüten wir uns vor diesem Selbstdarsteller und sogenannten Berufsphilosophen, der meint, auf der guten Seite zu stehen. Will er außer seiner Kriegslüsternheit nicht nur eins, nämlich seine schrecklichen Filme verkaufen? Zeigte er doch gerade in Cannes seinen Film, wie BHL die Libyer befreite und trat bei der Vorstellung zusammen mit vermummten Kämpfern des syrischen Widerstands auf. Droht uns nächstes Jahr in Cannes ein weiterer Film mit dem Titel: "Wie BHL die Syrer von Assad befreite"?
 
Wie sagte Günter Grass? „Israel stellt eine Gefahr für den Weltfrieden dar." Richtig, und lüsterne Kriegsphilosophen ebenfalls. (PK)
 
(1) Theodor Herzl in „Der Judenstaat“ 1896:
 
„Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden,
wir würden den Vorpostendienst der Cultur gegen die Barbarei besorgen.
Wir würden als neutraler Staat im Zusammenhange bleiben mit ganz Europa,
das unsere Existenz garantieren müsste“.
 
„Kämen wir beispielsweise in die Lage ein Land von wilden Thieren zu säubern,
würden wir es nicht in der Art der Europäer aus dem fünften Jahrhundert thun.
Wir würden nicht einzeln mit Speer und Lanze gegen Bären ausziehen,
sondern eine grosse fröhliche Jagd veranstalten, die Bestien zusammentreiben und eine Melinitbombe unter sie werfen“
 
 
Evelyn Hecht-Galinski ist Publizistin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Unsere LeserInnen kennen sie als Autorin der Serie, die sie "vom Hochblauen", ihrem 1186 m hohen "Hausberg" im Badischen, schreibt.


Online-Flyer Nr. 357  vom 06.06.2012

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