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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Inland
Uni Freiburg bereitet auf Angriffe feindlicher Kombattanten im Inland vor
Gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit
Von Hans Georg

Einrichtungen der Universität Freiburg beteiligen sich an der Vorbereitung der deutschen Gesellschaft auf Angriffe feindlicher Kombattanten im Inland. Erklärtes Ziel der entsprechenden Forschungsarbeiten ist die Erhöhung der sozialen Widerstandsfähigkeit ("Resilienz") durch den umfassenden Einsatz modernster Repressions- und Überwachungstechnik, wofür gleichzeitig "Akzeptanz" in der Bevölkerung geschaffen werden soll.
 

Prof. Dr. Walter Perron – Uni Freiburg
Die Freiburger Hochschule kooperiert dabei eng mit dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik (EMI), das auf "Verteidigungs- und Sicherheits-forschung" spezialisiert ist. Zu den "Projektpartnern" der beiden Institutionen zählen Bundeswehr, Geheimdienste, Polizeidienststellen und Rüstungskonzerne. Der für die Kooperation verantwortliche Leiter des EMI gehört dem Beirat für Forschung und Technologie des Bundesverteidigungsministeriums an und fungiert außerdem als Vorsitzen- der des Wissenschaftlichen Pro- grammausschusses Sicherheitsfor-schung im Bundesforschungsminis-terium. Die Universität Freiburg erhofft sich von der Zusammenarbeit mit dem EMI sowohl "Synergieeffekte" als auch einen beschleunigten "Transfer" wissenschaftlicher Arbeitsergebnisse in die "nationale Wirtschaft".
 
Globale Bedrohung
 
Wie die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mitteilt, haben die Fakultäten für Rechtswissenschaft, Philosophie, Philologie, Wirtschaft, Psychologie und Technik ein "Centre for Security and Society" eingerichtet, das sich mit der "Frage nach einer neuen Sicherheitsarchitektur" befasst. Zur Begründung wird sowohl auf die "Verschärfungen ökologischer Gefahren" als auch auf die "Unsicherheiten angesichts globaler ökonomischer, sozialer und politischer Umwälzungen" verwiesen. Um die daraus resultierenden "neuen Formen transnationaler terroristischer und krimineller Bedrohung" zu kontern, bedürfe es der "Etablierung krisenresistenter Strukturen auf unterschiedlichen Ebenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns", heißt es.[1]
 
Schäden wegstecken
 
Dazu passend betrachtet das "Centre for Security and Society" seinem Forschungsprogramm zufolge in erster Linie die "Resilienz" respektive "Widerstandsfähigkeit" westlicher Gesellschaften gegen Angriffe und Bedrohungen aller Art. Wie der Direktor der Einrichtung, Walter Perron, in einer Selbstdarstellung ausführt, gehe es dabei um die "Vorbereitung der Gesellschaft auf Schadensereignisse (...), damit sie diese möglichst schnell wegstecken und zum normalen Leben zurückkehren kann". So befasse sich etwa der Arbeitsbereich "Notfallversorgung und Schadensbegrenzung" mit der "Simulation von Menschenbewegungen bei Schadensereignissen" und der "Vorhersage individuellen oder kollektiven Verhaltens in Notsituationen". Ein weiteres zentrales Forschungsthema des "Centre for Security and Society" ist laut Perron die "Reduktion von Verwundbarkeiten". "Kritische Infrastrukturen" wie die Energie- und Wasserversorgung, das Transport- und Kommunikationswesen oder der Warenverkehr seien so zu organisieren, dass sich eine Störung nicht negativ auf das Gesamtsystem auswirken könne und sogenannte Kaskadeneffekte vermieden würden, heißt es. Der Arbeitsbereich "Kontrolle und Prävention" schließlich untersucht Perron zufolge die Auswirkungen einer umfassenden staatlichen "Überwachung" auf das "Verhalten des rechtstreuen Bürgers". Gefragt werde, "ob der Bürger selbstbewusst bereit ist, sein Privatleben zu öffnen, um den Schutz aller zu ermöglichen". Eine "wesentliche Erkenntnis" stehe in diesem Zusammenhang bereits fest, erklärt der Zentrumsdirektor: "Der Einzelne muss sich zugunsten des Gemeinwohls stärker engagieren, unter Umständen auch Opfer bringen". [2]
 
Geheimdienstkontakte
 
Das "Centre for Security and Society" der Freiburger Universität arbeitet eng mit dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik/Ernst-Mach-Institut (EMI) zusammen; erst im Juni letzten Jahres schlossen die beiden Einrichtungen ein förmliches "Kooperationsabkommen zum Ausbau der gemeinsamen Sicherheitsforschung". Es sieht vor, "Synergieeffekte" zu nutzen, um "langfristige Partnerschaften mit Unternehmen" aufzubauen und den "Transfer wissenschaftlicher Forschungsergebnisse" in die "regionale, nationale und europäische Wirtschaft" zu beschleunigen. Dem EMI wird dabei eine "herausgehobene Position" attestiert [3] - eine offensichtlich treffende Zuschreibung: Das Institut ist federführend im "Verbund Verteidigungs- und Sicherheitsforschung" der Fraunhofer-Gesellschaft und in dieser Funktion mit der Entwicklung modernster Waffen-, Repressions- und Überwachungstechnik befasst. Der Leiter des EMI, der vormalige Rüstungsmanager und Bundeswehrdozent Klaus Thoma, bekleidet das Amt des Vorsitzenden des "Wissenschaftlichen Programmausschusses Sicherheitsforschung" beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und gehört außerdem dem Beirat "Forschung und Technologie" des Bundesverteidigungsministeriums an. Während das EMI die deutschen Streitkräfte, führende Rüstungskonzerne (Diehl, EADS) und zentrale Polizeidienststellen (Landespolizei Baden-Württemberg, Bundeskriminalamt/BKA) zu seinen Kunden zählt, verfügt das "Centre for Security and Society" eigenen Angaben zufolge über gute Kontakte zu Geheimdienstkreisen ("intelligence agents [...] contribute their special expertise"). [4]
 
Prima Technik
 
Die Aufgaben des "Centre for Security and Society" wurden im Rahmen des Kooperationsabkommens mit dem EMI klar definiert. Ziel sei die Entwicklung von "Strategien, wie die gesellschaftliche Akzeptanz von Sicherheitstechnologien verbessert werden kann", hieß es.[5] Zur Erläuterung verwiesen der Leiter des EMI, Thoma, und Zentrumsdirektor Perron auf die öffentlichen Auseinandersetzungen um den Einsatz sogenannter Nacktscanner an Flughäfen. Nachdem Thoma erklärt hatte, "eine prima Technik" sei "fast kaputt gemacht worden, weil sie von der Bevölkerung nicht akzeptiert wurde", hob sein Kollege Perron die Vorteile der Zusammenarbeit mit einer Universität hervor: "Wir hätten vor der Einführung einen Scanner auf dem Campus aufgestellt, unsere Studenten durchlaufen lassen und geschaut, wie sie reagieren."[6]
 
Drohnenüberwachung
 
Akzeptanzforschung betreibt auch das Soziologische Institut der Freiburger Universität im Rahmen des vom BMBF mit Millionensummen geförderten Projekts SOGRO ("Sofortrettung bei Großunfall"). Zentraler Aspekt hierbei sei der "Einsatz kamerabestückter UAV", sogenannter Unmanned Aerial Vehicles oder Drohnen, der "mit guten Gründen auch kritisch bewertet werden" könne, heißt es in einer Selbstdarstellung: "Dem Institut für Soziologie kommt (...) die Aufgabe zu, Erwartungen und Befürchtungen zu ermitteln, die sich an solche Einsätze seitens unterschiedlicher Experten- und Interessentengruppen heften. Zu ermitteln ist beispielsweise, inwiefern die Unterscheidung zwischen Einsatz von UAV im Rettungswesen und Einsatz in der polizeilichen Gefahrenabwehr nicht nur rechtlich, sondern auch in der öffentlichen Kommunikation ein Differenzierungskriterium darstellt."[7]
 
Zivilklausel
 
Erst unlängst wurde bei einer öffentlichen Veranstaltung in Freiburg das Engagement der dortigen Universität auf dem Gebiet der "Verteidigungs- und Sicherheitsforschung" scharf kritisiert. Die lokale Presse berichtete breit über die hierbei erhobene Forderung nach einer "Zivilklausel" für akademische Institutionen, die diesen militärische und militärtaugliche Forschung untersagt; das "Centre for Security and Society" wurde indes ebenso wenig erwähnt wie das SOGRO-Projekt des Instituts für Soziologie und das Fraunhofer-Institut EMI.[8] (PK)
 
[1] Centre for Security and Society/Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; www.sicherheitundgesellschaft.uni-freiburg.de
[2] Walter Perron: Resilienz in der offenen Gesellschaft - das Freiburger Center for Security and Society. In: Hansjörg Just, Hildburg Kind, Hans-Georg Koch (Hg.): Solidarität: Dem Einzelnen oder der Gesellschaft verpflichtet? Kolloquium 19. November 2010. Schriftenreihe der Ethik-Kommission der Albert-Ludwigs-Universität 6, Freiburg 2011
[3] "Prevent, Protect, Recover". Universität Freiburg intensiviert Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik; www.pr.uni-freiburg.de
[4] Current Issues in IT Security 2012. Interdisziplinäre Tagung vom 8. bis 10. Mai 2012 in Freiburg; www.sicherheitundgesellschaft.uni-freiburg.de
[5] "Prevent, Protect, Recover". Universität Freiburg intensiviert Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik; www.pr.uni-freiburg.de
[6] Kontrollen zur Sicherheit und Akzeptanz. Neue Zusammenarbeit von Uni und Fraunhofer-Institut; Badische Zeitung 10.06.2011
[7] Projektpartner SOGRO; www.sogro.de
[8] Toni Nachbar: Uni und Militär - eine gefährliche Nähe? Der Sonntag 27.05.2012
 
Diesen Beitrag haben wir von German-Foreign-Policy.com entnommen. Dort finden Sie mehr zum Komplex "Verteidigungs- und Sicherheitsforschung" unter Forschen für den Krieg, Grenzenlose Sicherheit, Synergieeffekte, Risikomanagement (I), Risikomanagement (II), Die Ära der Drohnen (IV) und Beschleunigter Transfer.


Online-Flyer Nr. 357  vom 06.06.2012

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