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Kommentar
Berliner Sonderausschuss "Wasserverträge" vor dem Scheitern
Reine Alibi-Veranstaltung
Von Ulrike Fink von Wiesenau

Acht Sitzungen nach seiner Einsetzung steht der Sonderausschuss "Wasserverträge" vor dem Scheitern. Der Ausschuss, der aufklären soll, wie es 1999 zu den Teilprivatisierungsverträgen beim Berliner Wasser kam und wie das Vertragswerk angefochten werden kann, droht dieses Ziel zu verfehlen. Was die Initiative "Berliner Wassertisch" schon seit langem vermutete, hat sich in der jüngsten Sitzung bestätigt: die Ausschuss-Mehrheit von SPD und CDU beabsichtigt, nicht mehr als eine reine Alibi-Veranstaltung durchzuführen.
 

Berlins Finanzsenator
Dr. Ulrich Nussbaum
Die achte Ausschusssitzung im Berliner Abgeordnetenhaus am 25. Mai stellte sich als konzertierter Blockade-Akt der Regierungskoalition dar. CDU und SPD, die im Jahr 1999 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe an die Konzerne RWE und Veolia verkauft und damit für einen massiven Anstieg des Wasserpreises gesorgt hatten, haben kein Interesse daran, die Verstöße ihrer damaligen Koalition aufzudecken. Nachdem Veolia wie berichtet mit einer einstweiligen Verfügung den Deal zwischen dem Essener Energiekonzerns RWE und dem Land Berlin, das den 24,95-prozentigen RWE-Anteil an den Wasserbetrieben für 618 Millionen Euro kaufen wollte, zu verhindern versuchte - der französische Veolia-Konzern, ebenfalls mit 24,95 Prozent beteiligt, strebt eine Vertiefung seiner "Partnerschaft" an um mit einer Sperrminorität eine vollständige Rekommunalisierung zu verhindern - hatte der Beschluss der Sprecherrunde des Ausschusses vom 8. Mai, die Rückkaufsverhandlungen mit RWE zum Gegenstand der Sitzung zu machen, umso grössere Dringlichkeit.
 
Vor kurzem schon hatte Finanzsenator Nußbaum Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Sonderausschusses "Wasserverträge“ geäußert. Die achte Sitzung bestätigte ihn nun, wenn auch anders als von ihm gemeint: die Vertreter der Regierungsfraktionen SPD und CDU ließen ihren Unwillen und ihre Unfähigkeit erkennen, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
 
Der Beschluss der Sprecherrunde des Ausschusses, die Rückkaufsverhandlungen mit RWE zu thematisieren wurde vom Vorsitzenden Jupe (CDU) kurzerhand gekippt. Die CDU-Abgeordneten unterschlugen mit stillschweigender Billigung der SPD-Vertreter, dass §1 des Gesetzes zur Offenlegung auch für Änderungen bestehender Verträge gilt, der RWE-Rückkauf daher in die Zuständigkeit des Ausschusses fällt.
 
Nur die Opposition, insbesondere die Abgeordneten Heidi Kosche von den Grünen und Klaus Lederer von der LINKEN, zitierten den zutreffenden Paragraphen. Die Diskussion machte deutlich, dass der Senat dem Auftrag des Gesetzes widersprechende Geheimverhandlungen führt. Die Ausschussmitglieder von SPD und CDU leisten Gefolgschaft – wie im Jahre 1999, als der fatale Vertrag geschlossen wurde, dessen Auswirkungen neben dem Sonderausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses nun auch das Bundeskartellamt und die Wettbewerbskommission der EU beschäftigt und bald auch dem Bundesverfassungsgericht vorliegen wird.
 
Nach fünf Minuten war die Besprechung des einzigen inhaltlichen
Tagesordnungspunktes, der wirtschaftlichen Auswirkungen der Teilprivatisierung, beendet. Eine Nachfrage nach der Angemessenheit des vom Senat erhobenen willkürlichen Aufschlags von zwei Prozent auf die Rendite und damit auf den Wasserpreis, wollte der Senat nicht beantworten. Eines aber wurde in der Sitzung auch klar: dass SPD und CDU im Ausschuss so gut wie keine inhaltliche Arbeit leisten. Auch den erneuten Vorstoss der Opposition, das Vertragswerk zur Teilprivatisierung durch Gutachten prüfen zu lassen, lehnten die Regierungsabgeordneten kategorisch ab.
 
Insgesamt drängt sich der Verdacht auf, dass die Wasserverträge, unter dem Vorwand neuer Entwicklungen bei den Anteilen, bei Nacht und Nebel geändert und die Spuren alter rechtswidriger Vertragsrealitäten verwischt werden sollen. Dies ist ein mehr als skandalöser Tatbestand.
 
Die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch besteht auf einer Rückabwicklung der Verträge, denn es kann und darf nicht sein, dass 666.ooo Berlinerinnen und Berliner, die mit dem Wasser-Volksentscheid für ein Gesetz zur Offenlegung der sittenwidrigen Geheimverträge und für eine kostengünstige Rekommunalisierung durch Rückabwicklung gestimmt haben, von der etablierten Politik verhöhnt werden. (PK)
 
Ulrike Fink von Wiesenau gehört zum Sprecherteam der Initiative Berliner Wassertisch, die die BerlinerInnen vor einer weiteren Ausbeutung durch die Konzerne RWE und Veolia schützen will.
Einen Offenen Brief von ihr und den anderen SprecherInnen des Berliner Wassertisch (Ulrike Kölver, Gerlinde Schermer, Gerhard Seyfarth, Michel Tschuschke)
an Berlins Regierenden Bürgermeister und seinen Finanzsenator finden Sie in dieser NRhZ-Ausgabe.


Online-Flyer Nr. 356  vom 30.05.2012

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