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Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

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Globales
Israels Regierung dreht die Gewaltspirale ein Stück weiter
Unilateralismus führt zum Krieg
Von ODA DAAM

Anlässlich der Wahlen in Israel haben wir im März in NRhZ 37 die Arbeiterpartei ODA-DAAM vorgestellt, in der Juden und Araber gemeinsam gegen die inzwischen die Regierung bildenden Parteien kandidierten. ODA - The Organization for Democratic Action tritt seit der ersten Intifada für ein friedliches Nebeneinander von Israel und Palästina ein, ist auch beteiligt an den aktuellen Friedensdemonstrationen in Israel. Hier ihre Stellungnahme zum gegenwärtigen Krieg im Nahen Osten. - Die Redaktion.

Wenn Israel politische Veränderungen herbeiführen will, so verlässt es sich auf militärische Stärke. Die Logik der Gewalt war immer der zentrale Faktor bei der Festlegung seiner Politik. Dies war 1982 der Fall, als es versuchte, die PLO im Libanon zu eliminieren und dort ein pro-israelisches Regime einzusetzen. Das war so bei der euphemistisch "Schutzschild" genannten Operation 2002, als es die Gebiete der Palästinensischen Autonomiebehörde, die sich nicht als gehorsam genug erwiesen hatte, zurückeroberte. Und es gilt auch für den Zwei-Fronten-Krieg, den Israel heute führt und der zum einen die Regierung der Hamas in Gaza stürzen und zum anderen die Hizb´ollah im Libanon schwächen soll.

Der gegenwärtige Krieg findet in Gebieten statt, aus denen sich Israel einseitig zurückgezogen hat und die es nach eigener Aussage, nicht mehr beherrschen will: Aus dem Libanon hat es sich im Mai 2000 und aus Gaza im August 2005 zurückgezogen. Kernstück des Wahlkampfs von Israels neuem Premierminister Ehud Olmert war die Erklärung, man wolle sich - ebenfalls unilateral - aus Teilen der Westbank zurückziehen. Doch der jetzige Krieg beweist, dass ein Rückzug ohne Übereinkommen mit der anderen Seite unsinnig ist.

Jeder dieser Rückzüge verfolgte ein geheimes strategisches Ziel. Der Rückzug aus dem Libanon sollte der Hizb´ollah, Syriens Schützling, ihre Daseinsberechtigung rauben und Israel damit in die Lage versetzen, die Golanhöhen zu halten. Der Rückzug aus Gaza sollte künftigen Widerstand gegen die Annexion jener Teile der Westbank, in denen die Siedlungsblöcke liegen, besänftigen.

Die gegenwärtige Krise resultiert aus der Weigerung Israels, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Es hat lieber mit den Widersprüchen innerhalb der arabischen Welt gespielt, während zugleich die fundamentalistischen Bewegungen an Kraft gewannen. Deren Aufstieg wurde dann als Vorwand benutzt, dass "es niemand gibt, mit dem man reden könnte". Dies war eine sich selbst erfüllende  Prophezeiung.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de



Israels Versuch, aus den Gebieten, die es besetzt und erniedrigt hatte, herauszukommen, ohne für die Zukunft der dort lebenden Menschen Verantwortung zu übernehmen, hat die Auseinandersetzung nur verschärft. Israel ist nicht bereit, Rechenschaft abzulegen: Warum geht es Verhandlungen aus dem Weg? Warum erkennt es weder die Rechte seiner Nachbarn an noch deren ökonomische oder sicherheitsbezogene Bedürfnisse? Was gibt ihm das Recht, seine Grenzen festzulegen, wie es ihm passt, ohne auf die Menschen auf der anderen Seite Rücksicht zu nehmen?

Auch Hamas und Hizb´ollah, die dank der israelischen Politik zu Hauptakteuren geworden sind, versuchen, aus der die Anwendung von Gewalt politischen Gewinn zu schlagen. Beide wollen interne Probleme überwinden, die sich vor dem Hintergrund des israelischen Rückzugs entwickelt haben.

In der Tat hat Israels Rückzug aus Gaza zum Wahlsieg der Hamas beigetragen, aber dieser Sieg hat den Sieger nur in Verwirrung gestürzt. Er hat Hamas gezwungen, zwischen Regierungsfunktion und Fortführung des bewaffneten Widerstands zu wählen. Hamas hat sich für beides zugleich entschieden. Das Ergebnis war eine Reihe militärischer Abenteuer ohne strategische Grundlage.

Auch Hizb´ollah steht vor einer schweren politischen Krise. Der Rückzug Syriens aus dem Libanon und der Sieg der Opposition bei den dortigen Parlamentswahlen gefährdet ihr Weiterbestehen als bewaffnete Miliz. Die neue libanesische Regierung will sie loswerden und erklärt, jetzt, da Israel sich auf die international anerkannte Grenze zurückgezogen habe, bestehe keine Notwendigkeit mehr für eine Widerstandsbewegung. Diese Behauptung entspricht dem Beschluss des UN-Sicherheitsrats, der nicht nur den Rückzug Syriens sondern auch die Entwaffnung der Hizb´ollah fordert.

Weder Hizb´ollah noch Hamas haben sich, ehe sie ihre "qualitativen" Angriffe starteten, mit anderen Vertretern ihrer Völker abgestimmt. Und trotzdem erwarten sie, dass die Regierungen Libanons und Palästinas deren Ergebnisse auffangen. Israel ist sich dieser verzwickten Lage durchaus bewusst. Seine Schläge zielen darauf ab, die internen Brüche zu vertiefen, um die Widerstandsbewegungen von den übrigen politischen Kräften und im Grunde von der Bevölkerung überhaupt zu isolieren.

Dieser Zweifrontenkrieg wird zweifellos in der gesamten Region zu politischen Erschütterungen führen. Jene, die ihren Bevölkerungen Illusionen verkaufen, werden früher oder später den politischen Preis dafür bezahlen müssen. Dies muss US-Präsident George W. Bush seit seiner Invasion des Irak. Dies musste Yasser Arafat, nachdem er sein Volk mit Befreiungsversprechungen beschwatzt hatte. Und dies wird auch der israelischen Regierung widerfahren, die "ein Land", versprochen hat, "in dem es Spaß macht zu leben", die stattdessen jedoch die Gewaltspirale nur ein Stück weiterdreht.

Siehe auch den Beitrag von Roni Ben Efrat


Online-Flyer Nr. 53  vom 18.07.2006

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