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Im Vorfeld der Bautätigkeiten am Kölner Opernhaus kamen die Holzfäller
Bäume weichen Freiräumen
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Vom 25. Februar bis 2. März 2012 wurde der Baumbestand im Bereich des Kölner Opern- und Schauspielhauses weitgehend beseitigt. Dieser Vorgang steht in Zusammenhang mit der vom Kölner Rat am 24. November 2011 beschlossenen „Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz“, die im Juli 2012 beginnen soll. Der Kölner Arbeiterfotograf Klaus Franke hat die Vernichtung des Baumbestands, zu dem vier mehr als 50 Jahre alte und 20 Meter hohe Platanen gehören, fotografisch dokumentiert. Es stellt sich die Frage, was mit der Beseitigung des Baumbestandes bezweckt wird.


Die griechische Dichterin Sappho betrauert die Vernichtung der mehr als 50 Jahre alten Platanen am Opernhaus
(alle Fotos: Klaus Franke, arbeiterfotografie.com)


Auftragsarbeit – Baumfäller an der Platane im Innenhof zwischen Opern- und Schauspielhaus


Platane im Innenhof zwischen Opern- und Schauspielhaus nach getaner Arbeit


Auch die Ahornbäume entlang der Brüderstraße auf dem kleinen Offenbachplatz zwischen Schauspielhaus und Opernterrassen werden beseitigt


Baum-Müll auf dem kleinen Offenbachplatz


Professionelle Entsorgung durch Schreddern


Platane mit mehr als zwei Meter Stammumfang am Boden – auf dem kleinen Offenbachplatz


Reduzierung des Baumbestands auf dem (großen) Offenbachplatz


Die Baumfäller mit ihrem Equipment auf dem kleinen Offenbachplatz


Protest und Entsetzen

Eine Ahnung davon, was mit der Beseitigung des Baumbestandes bezweckt wird, gibt die Pressemeldung zur „Sanierung und Neugestaltung Bühnen Köln“ vom 20.09.2011. Darin ist von der „Neuordnung des Baumbestandes“ die Rede. Neuordnung: das klingt nach der Sprache der „Reformen“, nach der „Reform“ des Sozialstaats, die dessen Demontage meint.

Neuordnung durch Freiräumen

Genauere Auskunft, was Ziel der Baumfällaktivitäten ist, gibt ein Papier, in dem die Vorplanung vorgestellt wird, auf deren Basis der Rat der Stadt Köln am 24. November 2011 die Umsetzung verabschiedet hat. Darin wird die verfolgte „Strategie“ erläutert. „Maßstab und Proportion der Freiräume in Bezug auf die Architektur“ von Wilhelm Riphahn (Architekt des Opernhauses) sollen – so heißt es –„angemessen entwickelt“ werden, das künstlerische Konzept von Jürgen Hans Grümmer (der den Offenbachplatz vor dem Opernhaus konzipiert hat) soll „geschützt und neu wahrnehmbar gemacht“ werden. Unumwunden wird dort von „Freiräumen“ gesprochen. Stadträumliche Bezüge sollen deutlich gemacht werden - und zwar durch „frei räumen“.


Das Opernhaus am 25. Februar 2012 – mit den mehr als 50 Jahre alten, 20 Meter hohen Platanen


Das Opernhaus am 3. März 2012 – nach der Beseitigung der Platanen

An anderer Stelle in der Vorplanungspräsentation (Stand 14.10.2011) wird der Baumbestand konkret thematisiert. Dort ist aufgelistet: „Anzahl Bestandsbäume: 41 Stück, Bestand erhalten: 23, Fällung: 18, Neupflanzung: 53, Anzahl Bäume nach Planung: 76 Stück. Die Zahl der Bäume erhöht sich um 35 Stück.“ Das ist geschickt dargestellt. Die Ratsmitglieder, die das gelesen haben, dürften darüber kaum gestolpert sein. Warum auch, wenn alles besser wird? Bäume werden nur nach Stück gezählt. Unterschiede in Alter, Größe und Art spielen keine Rolle. Dass unter den Bäumen, die gefällt worden sind, vier mehr als 50 Jahre alte und 20 Meter hohe Platanen sind, die nicht von heute auf morgen ersetzbar sind, wird – bewusst – nicht dargelegt.

Kölner Bonsai-Züchtung?

Bei genauerem Studium der Vorplanung ergibt sich, dass die Neuanpflanzung fast ohne Ausnahme nicht dort geschieht, wo der Baumbestand vernichtet worden ist. Danach ist auf dem kleinen Offenbachplatz (dem Platz zwischen Schauspielhaus und Opernterrassen), wo nach der Fällaktion kein Baum mehr steht, auch keine Neuanpflanzung vorgesehen. Auch auf dem (großen) Offenbachplatz vor dem Opernhaus ist keine Neubepflanzung vorgesehen. Vielmehr sollen sogar die Bäume, die sich vor der Oper auf dem Mittelstreifen der Nord-Süd-Fahrt befinden, gänzlich entfernt werden. Wo 53 Bäume neu gepflanzt werden sollen, erschließt sich aus der Vorplanung nicht. Handelt es sich dabei womöglich um eine spezielle Kölner Bonsai-Züchtung?


Das Motto heißt „freiräumen“ – kleiner Offenbachplatz vor dem Schauspielhaus (unten links) ohne jeden Baum, Mittelstreifen der Nord-Süd-Fahrt vor dem Opernhaus (oben rechts) ohne jeden Baum, Großer Offenbachplatz mit reduziertem Baumbestand – gemäß der Vorplanung, nach der der Rat seine Zustimmung erteilt hat


Das „freigeräumte“ Kölner Opern- und Schauspielhaus – gemäß Vorplanungsmodell

Gegen die Umsetzung dieser Strategie hat es Protest gegeben. So hat Klaus Franke einen Brief aufgesetzt, den er u.a. an die Stadt Köln geschickt hat. Darin heißt es: „Hiermit protestiere ich aufs schärfste wegen der FÜNFZEHN Bäume, die in Kürze am Offenbachplatz gefällt werden sollen!!! (wegen der freien Sicht zum Opernhaus?) Habt Ihr keine anderen Sorgen? Außerdem sollen noch weitere ACHTZEHN Bäume im weiteren Umfeld gefällt werden. Als Kölner, der die Zerstörung des Zweiten Weltkrieges miterlebt hat, dem soviel Menschenleben zum Opfer gefallen sind, die soviel Leid erfahren haben. Meine Mutter ihr Leben ließ. Die wir alle mit äußerster Kraft versucht haben, wieder ein 'lebenswertes Köln' aufzubauen! Die wir wieder viel neues Grün in unserer Stadt gepflanzt haben, um saubere Luft zum Atmen geschaffen haben. Soll das alles wieder zerstört werden, das Jahrzehntelang brauchte, um das zu werden, was es jetzt geworden ist?? Mir fällt dabei das wunderschöne Lied von Alexandra ein…“, in dem sie singt: „Mein Freund, der Baum, ist tot. Er fiel im frühen Morgenrot.“

Darauf erhielt Klaus Franke eine Antwort von der „Gebäudewirtschaft der Stadt Köln, Projektgruppe Oper/Schauspiel“, in der es u.a. heißt:

„Vielen Dank für Ihre Nachricht, in welcher Sie sich zu den Baumfällarbeiten im Bereich des Offenbachplatzes äußern. Zu den Baumfällungen kann ich Ihnen folgende Informationen geben: Insgesamt müssen leider 15 Bäume gefällt werden, die im Bereich der zukünftigen Baugrube bzw. im Bereich der Erweiterungsbauten des Projekts Sanierung Bühnen Köln liegen. Davon befinden sich zehn Bäume auf dem Offenbachplatz vor dem Schauspielhaus. Es handelt sich hierbei um vier Platanen (Platanus x acerifolia) mit Stammumfängen von 0,80 m bis 1,10 m in einem Meter Höhe gemessen und sechs Ahorne (Acer spec.) mit Stammumfängen von 0,20 m bis 0,60 m in einem Meter Höhe gemessen. Diese Bäume stehen im Bereich der Baugrube und Bohrpfahlwände für Kinderoper und Lagerflächen.“

Gesetzlich geschützt

Klaus Franke hat den Stammumfang der Platanen nachgemessen. Er kam auf mehr als das Doppelte – auf 2,60 m. Das ist das eine, was an der Antwort nicht stimmt. Und das ist gravierend, denn: „Geschützt sind alle Bäume, die einen Stammumfang von mehr als 100 cm in 1m Höhe über dem Erdboden haben… Geschützte Bäume sind zu erhalten und mit diesem Ziel zu pflegen und vor Gefährdung zu bewahren.“ So lautet es in der Baumschutzsatzung der Stadt Köln vom 1. August 2011.

Und dann ergibt sich die Frage, ob nicht eine Lösung möglich gewesen wäre, die den Erhalt zumindest der großen Platanen möglich gemacht hätte. Sicher wäre das denkbar gewesen. Aber die Prioritätensetzung ist eine andere. Erste Priorität hatte offensichtlich das „Freiräumen“.
 
Weiter heißt es in der Antwort der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln: „Das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen hat die Fällerlaubnis für die städtischen Bäume erteilt. Es ist beabsichtigt, Ersatzpflanzungen im Bereich der angrenzenden Straßen zu realisieren… Wie Sie erkennen können, hat auch die Projektleitung im Bauvorhaben Sanierung Bühnen Köln ein Interesse daran, so viele Bäume wie möglich im Bereich des Offenbachplatzes zu erhalten, um auch zukünftig eine hohe Aufenthaltsqualität im Opernquartier gewährleisten zu können. Für die aufgrund der Baumaßnahmen notwendig werdenden Baumfällungen bitten wir jedoch um Verständnis.“

„Zum Schönsten, was uns in unserer Umwelt, auf unserem Schulweg, im eigenen Garten oder in Wald und Feld begegnet, gehören die Bäume. Sie sind heute sogar gesetzlich geschützt, da sie mit ihren vielen Blättern an den Ästen die Luft in unserer Umgebung sauber halten und reinigen. Darum darf man sie nicht einfach umhauen oder absägen.“ Das hat Joachim Kardinal Meisner im Mai 2011 in einem Hirtenbrief für Kinder geschrieben. (PK)


Quellen und Anmerkungen:

Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz, hier: Baubeschluss
u.a. mit Beschlussvorlage Rat, Anlage 3 Präsentation Objektplanung und Anlage 6 Präsentation der Objektplanung Freianlagen
http://ratsinformation.stadt-koeln.de/vo0050.asp?__kvonr=29624&voselect=7805


Niederschrift über die 29. Sitzung des Rates in der Wahlperiode 2009/2014 am 24.11.2011
„Der Rat beauftragt die eigenbetriebsähnliche Einrichtung Bühnen der Stadt Köln auf der Grundlage der Entwurfsplanung mit der Ausführung des Projekts 'Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz'...
Abstimmungsergebnis: Einstimmig bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion, der Fraktion pro Köln sowie der Fraktion Die Linke zugestimmt“
http://ratsinformation.stadt-koeln.de/ag0050.asp?__kagnr=9855


Bühnen Köln Sanierung
http://sanierung.buehnenkoeln.de/


Pressemitteilungen von Bühnen Köln Sanierung
http://sanierung.buehnenkoeln.de/das-sanierungsprojekt/newsroom/pressemitteilungen.html


Baumschutzsatzung der Stadt Köln vom 1.8.2011
http://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/satzungen/baumschutzsatzung_2011_08_01.pdf


Hirtenbrief für Kinder von Joachim Kardinal Meisner
http://www.erzbistum-koeln.de/export/sites/erzbistum/dokumente/erzbischof/hirtenworte/Kinderhirtenbrief_2011_Web.pdf


Online-Flyer Nr. 344  vom 07.03.2012

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