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Aktueller Online-Flyer vom 24. April 2024  

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Inland
Propaganda der Deutschen Burschenschaft mit bekannten NPD-Politikern
Mitglied aber auch CSU-Minister Ramsauer
Von Hans Georg

Ein deutscher Akademikerverband, dem ein Bundesminister angehört, debattiert über angebliche "großpolnische" Aggressionen gegen die Weimarer Republik und über etwaige neue "Vertriebenen"-Klagen auf Entschädigung für früheres deutsches Eigentum in Polen. "Polnische Nationalisten" hätten sich im Anschluss an den Ersten Weltkrieg "auf die vermeintlich schutzlosen deutschen Ostgebiete" gestürzt, heißt es über die damalige Wiedergründung Polens in der Verbandszeitschrift der Deutschen Burschenschaft.

Burschenschaft-Plakat wirbt für rechtsextremen Redner
Quelle: www.kurier.at
 
In den folgenden Jahren sei die Weimarer Republik dann - "eingeklammert zwischen Frankreich und Polen" - zum "Hauptobjekt polnischen machtpolitischen Strebens" geworden. Die Deutsche Burschenschaft führt rund 10.000 Studenten und Hochschulabsolventen als Mitglieder, darunter auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Ihr gehören bekannte NPD-Politiker an, in ihrer Verbandszeitschrift werden Konzepte der extremen Rechten diskutiert. Aktuell berichten Medien über ein Burschenschaftsplakat, das keine zwei Jahre alt und einem Werbeplakat der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) nachempfunden ist.
 
CSU und NPD

Burschenschaftler und CSU-Minister Peter Ramsauer
Quelle: www.cdu-ostfildern.de
 
Die Äußerungen über angebliche "großpolnische" Aggressionen gegen die Weimarer Republik finden sich in der jüngsten Ausgabe der Burschenschaftlichen Blätter, der Verbandszeitschrift des Dachverbands Deutsche Burschenschaft, dem derzeit rund 110 studentische Burschenschaften aus Deutschland und aus Österreich angehören. Der Verband umfasst heute knapp 10.000 Männer, die ein Hochschulstudium absolviert haben oder noch studieren. Zu seinen Mitgliedern zählen neben einflussreichen Persönlichkeiten wie Minister Peter Ramsauer (CSU, Münchener Burschenschaft Franco-Bavaria) auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU, Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania). Die Deutsche Burschenschaft ist zugleich für ihre engen Verbindungen in die extreme Rechte bekannt. So gehören etwa der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag zwei Alte Herren der Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen an (Jürgen Gansel, Arne Schimmer). Jüngst hat die Parteivorsitzende des extrem rechten französischen Front National, Marine le Pen, mit ihrer Teilnahme am Ball des Wiener Korporationsrings für Schlagzeilen gesorgt, der insbesondere auch von Burschenschaftern organisiert wird. Breitere Aufmerksamkeit riefen letztes Jahr offen rassistische Äußerungen von Burschenschaftern hervor [1].
 
"Der Krieg, der viele Väter hatte"
 
In der jüngsten Ausgabe der Burschenschaftlichen Blätter, die dem Thema "Spannungsfeld deutsch-polnische Nachbarschaft" gewidmet ist, äußert sich unter anderem auch der Historiker Olaf Haselhorst (Hamburger Burschenschaft Germania) über das "deutsch-polnische Verhältnis von 1919 bis 1939". Haselhorst arbeitet seit 2011 als Chefredakteur bei der Wochenzeitung "Der Schlesier", die ebenfalls enge Berührungen zur extremen Rechten aufweist. In dem Blatt kamen im letzten Jahr aktuelle und ehemalige NPD-Politiker zu Wort; es gab eine deutlich sympathisierende Berichterstattung über die Schlesische Jugend, den langjährigen Nachwuchsverband der Landsmannschaft Schlesien, der 2011 von der Landsmannschaft abgestoßen wurde - unter anderem, weil die NPD-Nähe der Organisation sowie rechtsgerichtete Provokationen einiger ihrer Funktionäre auf polnischem Territorium bekannt geworden waren [2]. In diesen Milieus wird immer wieder die These vertreten, Deutschland trage keine Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg; es sei zumindest eine polnische Mitschuld zu konstatieren. Größere Verbreitung hat die auch in burschenschaftlichen Kreisen immer wieder diskutierte Buchpublikation "Der Krieg, der viele Väter hatte" des einstigen Generalmajors der Bundeswehr Gerd Schultze-Rhonhof erreicht, die eine schuldhafte Mitwirkung Polens am Entstehen des Zweiten Weltkriegs nahezulegen sucht.
 
Gewaltgrenzen
 
Der Historiker Haselhorst füttert nun die burschenschaftsinterne Debatte mit der Behauptung, die Weimarer Republik sei, "eingeklammert zwischen Frankreich und Polen", stets "das Hauptobjekt polnischen machtpolitischen Strebens" gewesen.[3] Die "Versailler 'Friedensbedingungen'", die Haselhorst in Anführungszeichen setzt, hätten Polen Teile des Deutschen Reiches zugesprochen - keineswegs grundlos: Frankreich habe "Polen als idealen Verbündeten" betrachtet, "Deutschlands politisch-militärisch-wirtschaftliche Knebelung von Osten her zu unterstützen". Mit der Grenzziehung nach Kriegsende sei letztlich "nicht dem Recht, sondern der Gewalt Genüge getan" worden. Als Nazideutschland dementsprechend Ende der 1930er Jahre Territorialforderungen an Polen gerichtet habe, da habe sich Warschau jeglicher Debatte verweigert. Nach der "Garantie für die Unverletzlichkeit des polnischen Territoriums" durch Großbritannien am 31. März 1939 habe dann "die Entscheidung über Krieg oder Frieden in Europa" de facto "bei den Polen" gelegen. "Trotz aller Bemühungen von deutscher Seite", schreibt Haselhorst über die Monate vor dem deutschen Überfall am 1. September, habe "Polen nicht dazu bewegt werden" können, "die deutschen Vorschläge auch nur zu diskutieren".
 
Das Lied der Deutschen
 
Der Polen-Schwerpunkt der Burschenschaftlichen Blätter spare die Befassung mit "Grenzfragen" ausdrücklich aus, teilt der "Schriftleiter" der Zeitschrift mit, ein ehemaliger Funktionär der 1995 verbotenen Neonazi-Organisation Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP), der angibt, aus der rechten Szene ausgestiegen und heute Mitglied der FDP zu sein. Die aktuelle Ausgabe befasst sich stattdessen mit den deutschen "Vertriebenen"-Verbänden sowie der deutschsprachigen Minderheit ("deutsche Volksgruppe") in Polen. In einem Interview kommt der gegenwärtige Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka (CDU), zu Wort, der sich in den letzten Jahren als Organisator von Entschädigungsklagen gegen Polen einen Namen gemacht hat.[4] Den deutschen Umgesiedelten stehe im Grundsatz Restitution, ersatzweise Entschädigung für im heutigen Polen zurückgelassenes früheres Eigentum zu, erklärt Pawelka und berichtet, in der Sache sei seit März 2011 eine Klage beim Bundesverfassungsgericht anhängig. "Im Übrigen wird gerade eine weitere Klage vor einem Zivilgericht vorbereitet", teilt der CDU-Politiker mit. Einstweilen müsse Berlin sich zumindest um die Rückgabe angeblicher "Beutekunst" bemühen: "Das Lied der Deutschen in der Urschrift von Hoffmann von Fallersleben liegt in Krakau." Die polnische Regierung weigere sich "beharrlich", das Dokument ("Deutschland, Deutschland über alles") an die Bundesrepublik zurückzugeben; dies müsse sich ändern.[5]
 
Verbandsbrüder
 
Die fließenden Übergänge von konservativen Milieus zur äußersten Rechten werden innerhalb der Deutschen Burschenschaft nicht nur daran deutlich, dass die NPD-Politiker Gansel und Schimmer den Bundesverkehrsminister "Verbandsbruder" nennen dürfen und der CSU-Innenpolitiker Uhl, zu dessen Aufgabenfeld die Beschäftigung mit dem Verfassungsschutz und mit der extremen Rechten gehört, zuweilen Stellungnahmen aus der NPD in Debatten in der Zeitschrift seines Dachverbands zur Kenntnis nehmen kann [6]). In der aktuellen Ausgabe der Burschenschaftlichen Blätter gratuliert einer von Uhls "Bundesbrüdern" aus der Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania der Wochenzeitung Junge Freiheit zum 25-jährigen Bestehen. Über die Junge Freiheit urteilte vor wenigen Jahren der ehemalige Professor an der Universität der Bundeswehr in Hamburg, Wolfgang Gessenharter: "Zentraler Bezugspunkt sind die Gedanken der konservativen Revolution aus der Weimarer Republik". Die "konservative Revolustion" wiederum wird von Wissenschaftlern als "Wegbereiterin des Nationalsozialismus" eingestuft.[7] Als Ende 2011 die Deutsche Burschenschaft zu einem internen Seminar mit dem Titel "Burschenschafter in die Medien" einlud, da referierten neben einem Reporter der Jungen Freiheit der Deutschlandfunk-Redakteur Bernd Kallina (Burschenschaft Danubia München) sowie der Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Philip Plickert (Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania).
 
Faust und Schlange
 

NSDAP-Plakat –
Vorbild für das
Burschenschaft-
Plakat weiter oben
Quelle: www.kurier.at
09.02.2012
Aktuell berichten österreichische Medien über ein Burschenschaftsplakat, das vor gut zwei Jahren zu einem Vortrag einlud. Als Referent wurde damals ein bekannter Publizist der extremen Rechten angekündigt. Das Plakatmotiv - eine Faust, die eine Schlange im Griff hält - gleicht dem Motiv auf einer Versammlungsankündigung der Nationalsozialisti- schen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).[8] Zur Symbolik erklärt ein Experte vom Dokumentations-archiv des Österreichischen Widerstandes: "Die Faust steht für das Deutschtum, die Schlange für das Judentum". T-Shirts mit dem Motiv werden im Internet von Neonazi-Versänden vertrieben.[9] (PK)
 
 
[1] s. dazu In besseren Kreisen. Weitere Belege sind im Internet unter linksunten.indymedia.org/de/node/50376 einsehbar.
[2] s. dazu Ostfahrten
[3] Olaf Haselhorst: Das deutsch-polnische Verhältnis von 1919 bis 1939; Burschenschaftliche Blätter 4/2011
[4] s. dazu Fristen (I), "Geklautes Land", Ausgetrickst und Heute ist es das Gleiche
[5] Schieflagen bei den deutsch-polnischen Beziehungen - Wenigstens die Beutekunst sollte an Deutschland zurückgegeben werden. Interview mit Rudi Pawelka, Vorsitzender der Landsmannschaft Schlesien; Burschenschaftliche Blätter 4/2011
[6] s. dazu Verbandsbrüder: Polnische Grenzen fraglich
[7] s. dazu "Fremdbestimmt im eigenen Land"
[8] Burschenschaft verwendete Nazi-Symbol; http://kurier.at/nachrichten/oberoesterreich/4484257-burschenschaft-verwendete-nazi-symbol.php
[9] www.werwolfwear.com
 
Diesen Beitrag haben wir von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58263 übernommen.


Online-Flyer Nr. 341  vom 15.02.2012

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