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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Kultur und Wissen
Wie "Pro Köln" wegen einer Moschee auf Dummenfang geht
DITIB: Vielleicht auch mit Minarett?
Von Carl H. Ewald

Moscheen gehören zum multikulturellen Alltag Kölns wie Döner-Buden, Pizzerien oder bis vor kurzem noch Lukas Podolski. Und da sind sie auch längst angekommen. Nur sieht man sie nicht auf den ersten Blick; denn die meisten befinden sich in Kölner Hinterhöfen, in alten Fabrikgebäuden oder hinter Toreinfahrten. Die Ehrenfelder DITIB-Gemeinde will ihre Moschee an der Venloer Straße aber nun baulich so umgestalten, wie es sich für ein muslimisches Gotteshaus gehört. Dagegen protestiert seit Mai öffenlichkeitswirksam die von ehemaligen NPD-Mitgliedern und Republikanern gegründete Partei "Pro-Köln" (siehe NRhZ Nummer 43) und sammelt nun gar Unterschriften für ein Bürgerbegehren.

Wohnen Sie in Ehrenfeld? Dann haben sie vielleicht auch schon ein Flugblatt von "Pro-Köln" darüber im Briefkasten gefunden, wie "wir" die "Großmoschee" in Köln verhindern können. Abgebildet ist darauf die berühmte "Blaue Moschee" in Istanbul, die nicht im entferntesten Ähnlichkeit mit dem bescheidenen Kölner DITIB-Bauplan hat. Trotzdem werden die Leser in freundlichem Kasernenhofton aufgefordert: "Jetzt unterschreiben für das Bürgerbegehren!"

Selbstverständlich ist dem unterzeichnenden Rechtsanwalt und "Pro-Köln"-Vorsitzenden Markus Beisicht klar, dass zu privaten Bauvorhaben Bürgerentscheide gar nicht stattfinden können, was die Stadt Köln unlängst bestätigte. Offenbar geht es seiner selbsternannten Bürger-Bewegung auch gar nicht um ein solches Begehren, sondern darum, wieder einmal zu Lasten von Minderheiten die rechte Propaganda-Trommel zu rühren. Man findet auf dem Flugblatt nämlich auch eine gewisse Marylin Anderegg - als Sprecherin einer  "Anwohnerinitiative". Doch Frau Anderegg ist nicht so neutral, wie sie auf dem hochgradig manipulativen Flugblatt erscheint, kandidierte sie doch zuletzt noch für die Republikaner.

Ein Minarett wär nett - notfalls der Fernsehturm
Ein Minarett wär nett - notfalls der Fernsehturm
Foto: Carl H. Ewald



Hetze gegen Minderheiten bringt auch in Köln Stimmen

Spätestens mit den Kölner Kommunalwahlen im Jahr 2004 ist nach den Reps auch "Pro-Köln" bekannt geworden. Die rechtspopulistische Gruppe erreichte 4,7 Prozent der Stimmen und zog so in Fraktionsstärke ins Rathaus ein. "Wie konnte das nur passieren?!", hat sich manch einer damals gefragt, "wir sind doch in Köln so tolerant..." Sicher, in Köln herrscht nach wie vor eine tolerantere Atmosphäre als in anderen deutschen Städten. Doch lohnt es sich seit dem elften September 2001 offenbar auch hier, offen gegen Minderheiten, vor allem gegen Muslime zu hetzen, stehen die doch per se unter Terrorverdacht. Und so kamen die Anhänger der Rechtsradikalen Manfred Rouhs und Markus Beisicht zu ihrem Wahlerfolg, unter anderem mit Parolen wie "Keine Großmoschee in Köln!" Gemeint war damals eine in Chorweiler, weil die Stadt dort seit 2002 ein entsprechendes Gelände suchte.  

Stimmen brachten den Rechtspopulisten aber offenbar auch Kampagnen für ein Verbot des Christopher-Street-Day und gegen das Grillen in öffentlichen Parks. Weitere Aktionen richteten sich gegen Flüchtlingsheime in Poll und Merkenich, die überwiegend von Roma bewohnt werden. Und nun sind - offenbar schon im Hinblick auf die nächsten Kommunalwahlen - die Mitglieder der Ehrenfelder DITIB-Gemeinde dran.

Moschee-Entwurf der Kirchenbauer Gottfried und Paul Böhm
Moschee-Entwurf der Kirchenbauer Gottfried und Paul Böhm
Foto: WDR



Frauen mit und ohne Kopftuch

DITIB steht kurz für "Türkisch-Islamische Union" und vertritt die religiöse Haltung des türkischen Staates, der bekanntlich laizistisch organisiert ist: Er tritt für eine strikte Trennung von Religion und Staat ein. Wer sich die Mühe macht, das Besuchern offen stehende Moscheen-Gelände auf der Venloer Straße 160 in Augenschein zu nehmen, findet diesen Eindruck bestätigt. Bunt gemischt trifft man auf Frauen jeden Alters mit und ohne Kopftuch, Kinder spielen Fußball, und ältere Herrschaften sitzen gemütlich beim Kartenspiel zusammen. Es gibt einen ziemlich weltlichen Kiosk und einen Gemüsestand. Die hohe Zahl Jugendlicher fällt auf. Hier wird anscheinend etwas für junge Leute getan. Nichts erinnert an Hassprediger, Ganzkörperverschleierung oder "das Schwert des Islam".

Da ich es nicht beim reinen Augenschein belassen wollte, habe ich mich mit Ismail Altintas, islamischer Theologe, Religionssoziologe und Vertreter der DITIB-Gemeinde unterhalten.

Interview mit Ismail Altintas

Frage: Herr Altintas, seit 20 Jahren unterhält DITIB die Moschee an der Venloer Straße... Jetzt wollen Sie eine repräsentativere Moschee bauen...

Antwort: Unsere heutige Moschee hier ist alles andere als repräsentativ. Vor zwanzig Jahren haben wir das Gelände gekauft und die Gebäude ein wenig umgebaut. Es ist alles sehr provisorisch, und es wäre sehr schön, wenn wir mehr Möglichkeiten hätten, auch hier für Integration zu arbeiten, was schließlich eines unserer Ziele ist. Seit unserem Bestehen haben mehr als 90.000 Leute unsere Deutschkurse besucht; wir arbeiten mit den Arbeitsagenturen zusammen und bieten auch Integrationskurse an. Das gleiche gilt für unsere Frauenarbeit - mehr als die Hälfte der Gemeindemitglieder sind Frauen - und wir würden ihnen gerne mehr Raum geben. Auch kommen viele Jugendliche hier her, und diese jungen Leute würden wir gerne weiter unterstützen. Aber dazu brauchen wir mehr Möglichkeiten.

Wir haben eine Abteilung für den sehr wichtigen interkulturellen und interreligiösen Dialog. Leider gibt es auf dem Gelände aber keine Seminar- oder Konferenzräume. Trotzdem haben wir in den vergangenen Jahren viele Veranstaltungen organisiert, wie z. B. zuletzt eine Tagung mit Wissenschaftlerinnen zu Frauenfragen. Tatsächlich aber schämen wir uns manchmal schon für unsere mangelnden Räumlichkeiten.

Also, wir wünschen uns mehr Raum für soziale Aktivitäten. Selbstverständlich wünschen wir uns auch Raum für eine neue Moschee, wenn es möglich ist mit einer Kuppel und vielleicht auch mit einem symbolischen Minarett. Die eigentliche Moschee spielt aber eher eine untergeordnete Rolle, da der Gottesdienst jeweils nur eine Stunde täglich stattfindet. In der übrigen Zeit widmen wir uns vielmehr sozialen Aktivitäten.

Ismail Altintas
Ismail Altintas
Foto: Altintas/ WDR



Frage: Sie haben vielleicht die sehr manipulativen Flugblätter der rechtsradikalen "Pro-Köln" über Sie gelesen. Wie denken Sie darüber? 

Antwort: Wir leben hier in einem demokratischen Staat, und selbstverständlich dürfen auch solche Leute ihre Meinung öffentlich kundtun. Unsere Aufgabe sehe ich vielmehr darin, die Menschen darüber aufzuklären, was wir wirklich machen möchten. Wir sind natürlich auch ein Teil dieser Gesellschaft, und ich glaube, dass die meisten Menschen nichts gegen eine Moschee hier haben.

Frage: Wie fühlen Sie sich denn als Muslime und Angehöriger dieser Gemeinde, wenn solche Hetzschriften gegen Sie kursieren?

Antwort: Ich würde gerne diese Problematik vor dem Hintergrund der Menschenrechte betrachten: Überall auf der Welt leben auch Christen als religiöse Minderheit in islamischen Ländern, wie in Indonesien, in der Türkei oder in den arabischen Ländern. Genau so leben auch wir hier in Europa als religiöse Minderheit. Wir wollen den Christen und anderen Nicht-Muslimen in den muslimischen Staaten ihre Rechte zugestehen, genau so können wir auch hier Respekt und Achtung erwarten. Das ist sehr wichtig: sich gegenseitig kennen zu lernen, von einander zu lernen, wie in einer großen Symphonie, bei der es verschiedene Stimmen und Instrumente gibt, aber wenn der Dirigent das Orchester gut leitet, können sie wie eine Stimme klingen.

Selbstverständlich haben wir auch eine Verantwortung: Wir müssen uns bemühen, gut Deutsch zu lernen, wir müssen uns integrieren, und wenn es Probleme gibt, müssen wir sie lösen..."

Frage: Was verstehen Sie unter Integration?

Antwort: Bisher waren die deutsche und die türkische Seite, die christliche und die muslimische wenig in Kontakt miteinander. Zu Anfang waren wir für die Deutschen an allererster Stelle Arbeitskräfte. Zu Anfang hat man nicht so sehr wahrgenommen, dass die Menschen auch Bedürfnisse haben, dass sie zum Beispiel ihre Familien brauchten... Diese Dinge hat man erst sehr spät in Betracht gezogen. Genau so auf der türkischen Seite: Viele Immigranten haben damit gerechnet, nur einige wenige Jahre in Deutschland zu arbeiten. Aber dann haben sie sich entschlossen zu bleiben, und sie haben ihre Kinder und ihre Familien nachgeholt.

Dann haben die Menschen versucht, in dieser Gesellschaft einen Platz einzunehmen, als Berufstätige oder als Schüler, als Einzelner oder als Familie. Natürlich gab es am Anfang viele Schwierigkeiten, vor allem Sprachprobleme, auch in den Schulen. Einige hatten in diesem Prozess auch Befürchtungen, ihre eigene kulturelle Identität zu verlieren, wenn sie sich stärker auf die fremde Gesellschaft und die für sie neue Situation einlassen würden. Später hat sich dieser Prozess, wie wir wissen, mehr und mehr normalisiert.

Viele türkische Migranten haben schon verstanden, dass in dieser Gesellschaft ein großer Wunsch  nach Integration besteht, und sie haben sich Mühe gegeben. So ist es im Vergleich zu früher viel besser geworden, trotzdem braucht dieser Prozess definitiv noch Zeit. Es sieht so aus, als ob wir in einer Übergangsphase leben.

Die Diagnose ist schon richtig: Die Migranten sollen sich in diese Gesellschaft integrieren, aber sie möchten nicht ihre Identität verlieren, sondern wollen ihre Kultur bewahren und ausüben. In der Tat sehe ich das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen hier als eine Bereicherung für diese Gesellschaft. Darin besteht immer die Möglichkeit, gut miteinander auszukommen, von einander zu lernen, sich auszutauschen, zu geben und zu nehmen, und auch etwas annehmen zu können.

Das finde ich sehr gut, aber die Menschen brauchen weiterhin Unterstützung von beiden Seiten. Nur wenn die deutsche und die türkische Seite den Migranten in diesem Prozess beistehen, können sich die Menschen wirklich gut in diese Gesellschaft integrieren."
 
Herr Altintas, wir danken Ihnen für dieses Interview!

Online-Flyer Nr. 52  vom 12.07.2006

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