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Lokales
Unterstützung oder endgültiger Abstieg als Problemquartier
Buchforst am Scheideweg
Von Martin Zorn

Buchforst ist nicht nur einer der kleinsten Kölner Stadtteile, er ist auch einer der jüngsten. Nächstes Jahr könnte er sein 75-jähriges Bestehen feiern. Aber hat er Grund dazu? Dieser Frage gingen die Teilnehmer der Stadtteilkonferenz nach, die am 7. Juni in den Räumen des Stadtteilzentrums in der Euler Straße 11 stattfand und stellten als Ergebnis eine Reihe Forderungen.

Zahlreich wie schon lange nicht mehr diskutierten etwa 50 Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, Institutionen, Vereine, Kirchen und Initiativen mit Vertretern der Verwaltung, Behörden und Schulen die aktuelle Situation in diesem vom Strukturwandel besonders gebeutelten Stadtteil.

In der Wahrnehmung der Teilnehmer ist Buchforst von der Kölner Politik vergessen. 7.000 Menschen aus 18 Nationen scheinen in diesem Stadtteil nicht nur abgeschlossen von Eisenbahnbrücken und Schienentrassen. Auch gravierende strukturelle Probleme schneiden die Bürgerinnen und Bürgern dieses ehemals bürgerlichen Stadtteils von der Teilhabe am öffentlichen Leben immer mehr ab.

Stadtteilbüro Buchforst
Stadtteilbüro Buchforst
Foto: Privat


Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Stadtteilkonferenz berichteten von zunehmender Verschlechterung der Lebensqualität in "unserm Veedel". Die Anmutung der zentralen öffentlichen Plätze wie dem vor der Sparkasse Waldecker Ecke Heidelberger Straße ist so desolat wie die Lebenssituation vieler ihrer Bewohner. Herunter gekommen und ungepflegt bietet er ein trostloses Bild und wird nur noch von denen genutzt, deren Lebenssituation ebenso trostlos ist. Der dramatische Anstieg an Langzeitarbeitslosigkeit tendiert aktuell mit knapp 25 Prozent an der Spitze im Stadtbezirk Mülheim.

Die Jugendarbeitslosigkeit stagniert auf sehr hohem Niveau. Perspektivlosigkeit bei den Schulabgängern ohne Abschluss mit oder ohne Migrationshintergrund nimmt gefährliche Ausmaße an und bedroht den sozialen Zusammenhalt im Stadtteil. Drogenhandel im öffentlichen Raum ist längst kein Geheimnis mehr.

Mit dem Schwerpunktthema "Migration - Integration" hat die Stadtteilkonferenz gerade die Situation der jungen Menschen aus schwierigem sozialem Umfeld beleuchtet, die in Buchforst keine Ansprechpartner für die Gestaltung ihrer Zukunft finden. Die vorwiegend ehrenamtlich betreuten Kinder- und Jugendangebote der Kirchen können den Bedarf längst nicht mehr abdecken. Es gibt kaum öffentliche Infrastruktur für die Bedürfnisse von Kindern und keinerlei Angebote für Jugendliche im Stadtteil, die wirklich von ihnen angenommen würden.

Jugendangebot des Runden Tisches
Jugendangebot des Runden Tisches
Foto: Privat


Diesem Missverhältnis versucht das Stadtteilzentrum des Runden Tischs Buchforst mit Aufnahme seiner Angebote seit 2003 zu begegnen. Das durch breite bürgerschaftliche Initiative entstandene "Mini-Bürgerzentrum" mit Unterstützung des Landes NRW versucht, mit kostenloser Hausaufgabenbetreuung für Kinder und Jugendliche vorrangig aus sozial schwachen Familien stabilisierend tätig zu werden. Der Bedarf, der sich in den langen Anmeldelisten widerspiegelt, steht den begrenzten Möglichkeiten gegenüber. Dennoch konnten im Jahr 2005 erfolgreich auch schwierige Jugendliche angesprochen, ihre Defizite gemildert sowie ihre positiven Anlagen gestärkt werden. Seit dem Ende der einmaligen Förderung aus der GEW-Stiftung ist eine Fortsetzung dieser erfolgreichen Angebote nicht mehr möglich.

Daher forderten im Ergebnis die Erstunterzeichner im Namen aller Teilnehmenden dieser Stadtteilkonferenz die Stadt Köln, das Land NRW und die Öffentlichkeit auf, sich der Verantwortung für den vergessenen Stadtteil Köln-Buchforst zu stellen.

> Buchforster Jugendliche, die vor allem die benachbarten Haupt- und Realschulen besuchen, brauchen Stabilisierung und spezielle alters- und zielgruppengerechte Angebote durch Fachkräfte, die ihnen einen erfolgreichen Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf ermöglichen.
 
> Konkret fordern wir Fachkräfte, die mehrmals in der Woche zielgerichtete Angebote zur persönlichen Stabilisierung, zur Identitätsfindung und Berufsbildung für die Heranwachsenden in Buchforst durchführen. Räume im Stadtteilzentrum und in der Katholischen Kirchengemeinde stehen dafür zur Verfügung!

> Wir lassen uns in Buchforst nicht länger aufs Abstellgleis schieben! "Nicht möglich"- diese politische Aussage als Absage jeglicher Förderung des Buchforster Gemeinwesens werden wir nicht mehr akzeptieren.

> Seit Anfang der 80er Jahre wartet Buchforst nach Beschluss der Bezirksvertretung Mülheim auf die Umgestaltung des zentralen Platzes vor der Sparkasse. Seit Mitte der 90er Jahre wird nichts für die Jugendlichen getan, obwohl sich Buchforst im Ranking der Kölner Jugendförderung unter den ersten fünf Plätzen befindet. Stattdessen wird Buchforst ab 2007 mit überbordendem Lärm von einer neu ausgelagerten Hubschrauberlandestation belastet und weiter marginalisiert.

> Der öffentliche Raum im Stadtteil muss durch eine Umgestaltung ebenfalls eine Aufwertung erfahren, die den Bürgerinnen und Bürgern ein Aufbruchsignal und die berechtigte Hoffnung vermittelt, das der Stadtteil einen Grund zur Feier seiner zurückliegenden 75 Jahre und zur Hoffnung auf gute Jahre in der Zukunft hat.

Erstunterzeichner dieses Aufrufs sind Gustav Denecke (Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Mauritius Buchheim-Buchforst und 2. Vorsitzender "Runder Tisch Buchforst" e.V.), Sabine Kessler (hauptamtliche Mitarbeiterin "Runder Tisch Buchforst" e.V.), Pierre Ofzareck (Bürger und Mitglied des "Runder Tisch Buchforst" e.V.), Fabian Stettes (Leiter Jugendzentrum "TeenTown", Stegeraldsiedlung), Martin Zorn (1. Vorsitzender "Runder Tisch Buchforst" e.V.). Dieser Aufruf wurde einstimmig von den Teilnehmern der Stadtteilteilkonferenz unterstützt.


Online-Flyer Nr. 50  vom 27.06.2006

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