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Lokales
Hauptausschuss-Sondersitzung soll Korruption in Mülheim beenden helfen
MBI fordert "Auflösung der unseriösen RPG"
Von Lothar Reinhard

Am Freitag, den 21.10. findet auf Antrag der Fraktion Mülheimer BürgerInitiativen (MBI) eine Sondersitzung des Hauptausschusses (HA) der Stadt Mülheim statt. Im ersten Punkt geht es um die Frage, ob die 51%ige Stadttochter "medl" sich um die 2014 auslaufende Stromkonzession bewerben soll, wie letztes Jahr einstimmig beschlossen und was im "medl"-Gesellschafts-vertrag als eines der Geschäftsziele festgeschrieben ist. Beim überraschenden Rückzug wurde der HA nicht befragt, genauso wenig wie der Rat.

Erst sollte das sogar im Aufsichtsrat nur als Mitteilung der Geschäftsführung durchgehen, doch wegen des Protests einiger Aufsichtsrats-Mitglieder wurde eine AR-Sondersitzung angesetzt, auf der eine knappe Mehrheit gegen die Bewerbung stimmte. Die städtischen Vertreter/innen stimmten unterschiedlich und ohne jegliches Votum oder Weisung von HA oder Rat. Es ist bekannt, dass die RWE-Aufsichtsrätin und "medl"-AR-Vorsitzende Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld und der BHM-Chef Dönnebrink im letzten Jahr dem RWE die vorzeitige Verlängerung der Stromkonzession nahezu im Handstreich sichern wollten. Das scheiterte dann, doch nun wurden die Weichen an den gewählten Gremien vorbei erneut Richtung RWE gestellt. Wer glaubt, Entscheidungen eines Aufsichtsrates oder gar nur Mitteilungen von Geschäftsführern bzw. AR-Vorsitzenden, seien ausreichend, der kann die Demokratie auch reduzieren auf die erste Sitzung nach der Wahl, in der Aufsichtsräte gewählt werden. Dass dadurch Transparenz oder Einbeziehung der Bürger ganz ausgeschaltet wird, ist logisch, denn Aufsichtsratssitzungen sind immer nichtöffentlich.

Der zweite Punkt wird der unten stehende MBI-Antrag sein, die gescheiterten Konstruktionen zur Ruhrbania-Finanzierung jetzt aufzulösen. Eigentlich war und ist die gesamte Konstruktion unseriös und teilweise skandalös, doch wollte bisher keine Kontroll- oder Aufsichtsbehörde sich mit der ruinösen Ruhrbania-Finanzierung befassen, um das hochkomplizierte Prestigeprojekt nicht noch mehr zu gefährden. MBI-Beschwerden an Regierungspräsident, Innen-, Verkehrs- oder andere Minister in Düsseldorf wurden alle abgebügelt, ob unter Steinbrück oder unter Rüttgers. Seit Frau Kraft dran ist, befanden sich Innenstadt und Ruhrbania bereits in recht schwindsüchtigem Zustand, der weitere Beschwerden überflüssig machte. Auch die fundamentalen Bedenken des EU-Wettbewerbskommissariats wurden durch massive Intervention der Bundesregierung in den Papierkorb verbannt.
 
Egal, ob die Ruhrbania-Parteien am Freitag den folgenden MBI-Antrag zur Gesichtswahrung niederstimmen oder nicht, über kurz oder lang werden die richtigen Zahlen über die Geldverschwendung für das vollends gescheiterte PPP-Projekt Ruhrbania u.v.m. auf den Tisch kommen. 18.10.2011

Antrag zur Hauptausschuss- Sondersitzung

Im MBI-Antrag zur öffentlichen Sondersitzung des Hauptausschusses am 21.10. heißt es: "Der HA möge beschließen, und zwar als Dringlichkeitsbeschluss: Der Hauptausschuss weist die Beteiligungsholding (BHM) an, alle Schritte in die Wege zu leiten, damit die Ruhrbania-Projektentwicklungsgesellschaft (RPG) spätestens zum 31. Dez. 2011 aufgelöst werden kann und die komplentäre „Ruhrbania GmbH&Co.KG zum schnellstmöglichen Zeitpunkt in der Folge, wenn möglich, ebenfalls zum 31.12.11. Der HA weist die Mitglieder des Aufsichtsrates der BHM an, entsprechend zu votieren.
Begründung:

Kondor Wessels zieht sich bekanntlich als 50%iger Teilhaber aus der Ruhrbania-Projekt-Entwicklungsgesellschaft GmbH (RPG) heraus. Dies bestätigte die Verwaltung auf MBI-Anfrage mit der Vorlage A 11/0783-01 im Rat der Stadt am 6.10.11. Allerdings war die bisherige Beantwortung der Fragen zu Bedeutung und Auswirkung dessen für die Stadt ausgesprochen unbefriedigend, z.T. gar befremdlich. Die ganze MBI-Anfrage ist z.T. unten nachzulesen oder ganz unter
http://www.mbi-mh.de/2010/04/08/aufloesung-ruhrbania-projektentwicklungsgesellschaft

Unabhängig davon sind Funktion und Nutzen einer Weiterführung der RPG und der komplentären Co.KG schwer erkennbar. Die RPG konnte in der Vergangenheit ihre einst angedachte Funktion nicht wirklich erfüllen, ebensowenig wie das Projektmanagement durch den "Partner“ Kondor Wessels. Über die komplementäre zu 100% städtische CoKG sollten alle Ruhrbania-Aktivitäten finanziell abgewickelt werden, nachdem die bei EU-Ausschreibung vorgesehene Vorfinanzierung durch den PPP-"Partner“ nicht realisierbar war. Auch diese Konstruktion war und ist nicht wirklich praktikabel. So mussten z.B. die 1,7 Millionen € für den Ankauf des ehemaligen Arbeitsamtes von Hoffmeister&Co. aus Mitteln des Straßenbaus von Dezernat 6 aufgebracht werden. Auch die Fördergelder für Ruhrbania-Baulos 1 und in Zukunft für die geplante Promenade bzw. die Erschließungsstraße sind bzw. waren über die CoKG viel schwieriger zu bewerkstelligen, als über die Stadt selbst. Es gelang logischerweise auch nicht, alle Ruhrbania-Investitionen ganz aus dem städtischen Haushalt heraus zu verlagern, wie ursprünglich angekündigt.

Auch um die überfällige Transparenz bei der Ruhrbania-Finanzierung wieder bzw. endlich herzustellen, sollte das Ende der bisherigen Konstruktion nach dem Ausstieg von Kondor Wessels aus der RPG schnellstmöglichst hergestellt und besiegelt werden.
Die nächste BHM-AR-Sitzung findet am 18. Nov. statt, der nächste HA am 24. Nov., die nächste Ratssitzung am 15. Dez., weshalb mindestens zum Punkt der Weisung des BHM-Aufsichtsrates ein Dringlichkeitsbeschluss gefasst werden muss. Doch bietet sich auch zum Auftrag an die BHM ein Dringlichkeitsbeschluss an, damit die Auflösung der o.g. Gesellschaften auch mit politischem Auftrag unverzüglich in die Wege geleitet wird, um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden. Eine Entscheidung erst am 15.12. könnte zumindest für die Auflösung bereits zu Ende 2011 zu spät sein.

Zur Erinnerung:

Aus der o.g. MBI-Anfrage: („Antwort“ aus dem öffentlichen Teil der Ratssitzung im Anhang, darin steht z.B.: "Im Rahmen des Projektmanagementvertrags erbringt KondorWessels neben ingenieurtechnischen Leistungen auch vertriebliche Aufgaben zur Erfüllung des Projektes „Ruhrpromenade“. Was das überhaupt sein bzw. gewesen sein soll, weiß der Himmel! Wahrscheinlich aber auch der nicht …)
Zum Hintergrund:

Die RPG wurde 2006 als zunächst rein städtische GmbH gegründet mit dem Ziel, einen PPP-Partner über europaweite Ausschreibung zu finden, der zum einen 50% der RPG-Anteile übernimmt und zum zweiten die zur Umsetzung des Ruhrbania-Projekts notwendigen Infrastrukturmaßnahmen sowie die Baureifmachung der Ruhrbania-Grundstücke vorfinanziert. Weil sich kein Partner für eine solche Vorfinanzierung fand, wurden in den Verhandlungen mit der interessierten niederländischen Firma Reggeborgh die Bedingungen geändert, was dann der Rat der Stadt Ende März 2007 auch so mehrheitlich beschloss. Da der PPP-Partner keine Vorfinanzierung übernahm, die dann gemäß der EU-Ausschreibung durch Fördermittel von Land und Bund sowie durch Grundstücksverkäufe zurückgezahlt hätte werden sollen, wurde anstelle dessen die rein städtische Ruhrbania GmbH&Co.KG gegründet als Komplementär zur RPG. Die RPG sollte die Kontrolle über die Co.KG ausüben, die ihrerseits als BHM-Tochter alle Gelder bereitzustellen hatte, die zur Vorfinanzierung gebraucht würden. Die Ruhrbania-Projekte tauchten entsprechend auch im Investitionsprogramm der Stadt und damit in den Etats der Folgejahre nicht mehr eigenständig als städtische Investitionen auf.
50%iger Partner in der RPG wurde die eigens für Ruhrbania gegründete Tochter der Reggeborgh-Tochter Rheinbau, namens MHR GmbH, mit einem Haftungskapital von 12.500 €. Dazu wurden ein Gesellschaftsvertrag, eine Gesellschaftervereinbarung und ein Grundstückskaufvertrag (für Baufeld 1) vorgelegt und vom Rat beschlossen.
Das gesamte, schwer zu durchschauende Konstrukt beinhaltete u.a. den Verkauf des Baufeldes 1 an die MHR und das Projektmanagement durch die Rheinbau, was hauptsächlich wohl zum Ziel hatte, die Vermarktungschancen der weiteren Ruhrbania-Baufelder zu verbessern. Dafür sollte die Firma eine Pauschalvergütung, verteilt über etliche Jahre, erhalten zuzüglich Provisionen als Anteil eines evtl. Mehrerlöses beim Verkauf der Baufelder 2, 3 und 4.
Auf die ursprünglich vorgesehenen eigenständigen zwei Geschäftsführer der RPG wurde Anfang 2008 verzichtet, obwohl die Stadt noch im Herbst 2007 mit der Ausschreibung begonnen hatte, diese aber wieder zurückzog. Auch machte die EU-Kommission Probleme, weil sie entsprechend einschlägiger EuGH-Urteile u.a. den Verkauf von Baufeld 1 an Reggeborgh ohne Ausschreibung als vergaberechtswidrig einstufte, aber auch die RPG-Beteiligung im fundamentalen Gegensatz zu der EU-weiten Ausschreibung dazu. Erst nach massiver Intervention der Bundesregierung und der Italiens weichte der EuGH seine Vergaberichtlinien deutlich auf, so dass Mülheim ungeschoren davon kam.
Die Firma Reggeborgh wird inzwischen nur noch als Kondor Wessels geführt, Rheinbau und die MHR wurden darin integriert, Baufeld 1 wurde von neuen "Töchtern" bzw. "Enkeln" übernommen usw.. Baufeld 2 wurde aufgrund der EU-Vergaberechtsprobleme ausgeschrieben, die Baufelder 3 und 4 zur Bewerbung für die Fachhochschule umgeplant. Bei alledem war die RPG als solche nicht beteiligt und konnte bzw. durfte es auch nicht.
Die Bebauung von Baufeld 1 verzögerte sich ein ums andere Mal, nachdem zuerst die Hotelpläne und dann das Ärztezentrum-Projekt sich als nicht realisierbar erwiesen. Auch dabei war die RPG funktionslos und das einst mit beschlossene „Projektmanagement“ weiterhin weder erkennbar, noch angebracht.
Die MBI stellten im April 2010 den Antrag, die RPG abzuwickeln, der aber im Hauptausschuss mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde. Nachdem Kondor Wessels Ende Juli 2011 endlich Grundsteinlegung in Baufeld 1 feierte, zogen bzw. ziehen sie sich nun auch aus der RPG zurück. Das ist folgerichtig, doch müssen Rat und Öffentlichkeit sowohl über die Bedeutung dieses Rückzugs, als auch über die finanziellen Folgen aufgeklärt werden, da es sich ausschließlich um öffentliches Geld handelt." (PK)
 
 


Online-Flyer Nr. 324  vom 20.10.2011

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