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Aus dem "Eulenspiegel"-Buch "Lügenbarone und Ganoven"
Angela Merkel - Ackermanns Mädchen
Von Werner Rügemer

Achtung: Die Politsatire in Deutschland lebt! Peter Sodann (75), viele Jahre lang Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant in Halle an der Saale, hat als Herausgeber des Buches "Lügenbarone und Ganoven" im Eulenspiegel-Verlag im September "fünfzig wahrheitsgemäße Porträts wichtiger, aber unnötiger Deutscher" veröffentlicht. Der Journalist, Buchautor und Kölner Karls-Preis-Träger der NRhZ, Werner Rügemer, ist mit fünf Beiträgen dabei - über Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Kurt Biedenkopf, Jean-Claude Juncker und Henryk Broder. Viel Spaß wünscht die Redaktion.

Angela Merkel - aktiv im kapitalistisch-christlichen „Westen“
Cartoon: Kostas Koufogiorgos
 
In der DDR war die Pfarrerstochter Funktionärin der Freien Deutschen Jugend, Sekretärin für Agitation und Propaganda – nein, ich war nur Kulturreferentin, behauptete sie, als sie später in der CDU war, außerdem sind die Unterlagen verschwunden. Was also war sie? Sie war in der DDR nicht Mitglied einer Partei und auch nicht in der Opposition. Sie studierte, promovierte und stieg in die Akademie der Wissenschaften auf. Im „Unrechtsstaat“, wie sie ihn später nannte, sei sie sehr gut zurecht gekommen, heißt es in ihren Biografien.
 
Ihr erster Förderer aus dem Westen war Franz zu Putbus, dessen Vorfahren vor DDR-Zeiten fast die ganze schöne Insel Rügen gehörte. Der kapitalistische Fürstensohn war nach der Enteignung der Nazifreunde in den Westen geflohen und hatte mit den geretteten Resten des Vermögens in Neuss am Rhein eine Chemiefabrik aufgemacht. 1990 war er sofort wieder da und wollte seine Insel zurück. Dafür sponserte er die Gründung der mildtätigen Christenpartei im Wahlkreis der Aufsteigerin. Er bekam einen Palais und weite Grundstücke zurück, und die weiter aufstrebende Angela wurde in den Bundestag geholfen.
 
Der CDU-Bundeskanzler suchte erfolgreiche Meinungslose und machte aus „Kohls Mädchen“ eine vielseitig Einsetzbare, erst Ministerin für Jugend, dann für Umwelt, dann Generalsekretärin. Als der Meister in schwarzen Kassen versank, wurde die im Kreis der Steuerhinterzieher „unbelastete“ Ostfrau zur CDU-Vorsitzenden. Nach Kardinal Meisners Kritik beendete sie ihre wilde Ehe brav & heimlich vor dem Standesamt. Die Deutsche Bank schob ihr das Vorstandsmitglied Cartellieri als CDU-Schatzmeister unter, damit der namens des langjährigen Hauptsponsors die Finanzen der Politchristen legalisiert. Aus Kohls wurde Ackermanns Mädchen.
 
Die, die im „Unrechtsstaat“ DDR keine Meinung hatte, scheinbar, und nie sagte, was sie „wirklich“ dachte, trug aufsteigend zum großen Unrechtsstaat selber bei und sagt weiter nicht, was sie wirklich denkt. Sie braucht zudem immer weniger selbst zu denken. Soziale Marktwirtschaft? Ja, aber lieber „neue“ soziale Marktwirtschaft, die ließ die unbeweisbare FDJ-Funktionärin sich von McKinsey schreiben. „Ich bin mal liberal, mal christlich-sozial, mal konservativ“ - so kommt die vielseitig Meinende den zermürbten Deutsch- demokraten entgegen. Sie beschwört „Werte“ und hat selber keine, scheinbar. Sie will Privatisierung und weniger Staat. Aber sie will mehr Staat, wenn bankrotte Banken gerettet werden möchten. Die Verlängerung der AKW- Laufzeiten preist sie als „Meilenstein“, ein Jahr später ist die Verkürzung auch wieder ein „Meilenstein“. Nie wieder will ich mich durch Banken erpressen lassen, behauptete sie und forderte eine Transaktionssteuer von den Banken. Aber die gelernte Wendehälsin lässt sich wieder gerne erpressen und erläßt den Banken die Transaktionssteuer, sobald die Kritik verebbt. Sie will gute Europäerin sein und beschimpft gleichzeitig die Griechen als faul, weil die ihre Kredite an Ackermanns Bank nicht zurückzahlen.
 
So werden mit ihrer Beihilfe Deutschland und Europa zur Gemeinschaft der schuld- und straflosen Bankster und der hart sanktionierten Arbeitslosen und der Niedriglöhner. Sie spielt Pokerface für den Unrechtsstaat. Sie tut so, als würde sie fast nichts entscheiden – das schmutzige Regieren erledigen andere. Zum Geburtstagsdinner im Kanzleramt für ihren neuen Paten lud Ackermanns Mädchen dessen beste Freunde ein, die der sich selbst aussuchen durfte: BILD-Chef Dieckmann, FAZ-Chef Schirrmacher, die Schaeffler, Oberberater Berger, Cromme von Siemens, Hambrecht von BASF, Oetker von Oetker, Hilti von Hilti, Lotterie-Werbegrinser Elstner und ähnliche Mitglieder der ungewählten Elite.
 
Scheinbar meinungslos sein und hart für die Ackermänner schuften – das macht wenig Freude. Da bleiben die Mundwinkel im alterslosen Gesicht ewig unten hängen. Umso kostbarer sind die wenigen Augenblicke, wo sie Freude zeigen darf. „Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten“. Für die „Freundschaft mit Amerika“ biedert sie sich jedem erreichbaren US-Präsidenten an, wenn der für die neue Weltordnung töten lässt. In der Knesset zu Jerusalem freut sie sich, dass sie das Existenzrecht Israels zur deutschen Staatsdoktrin erklären darf, wonach Völker- und Menschenrechte nicht nötig sind.
 
Die vom Mädchen zur „mächtigsten Frau der Welt“ gereifte Wagnerianerin präsentiert in Bayreuth freudig einen üppigen Busen der Öffentlichkeit. Wagners schwülstige Musik hat schon so manche Deutsche zur Entfaltung seines und ihres Wesens animiert, zumindest zeitweise und immer wieder.
 
Die verschüchterte Walküre in ansonsten harmloser Kanzlerinnen-Dienst-kleidung findet sich in jedem Unrechtsstaat sehr gut zurecht - jetzt darf sie sogar einen solchen selbst mitgestalten, zumindest zeitweise. Die Deutsche Bank sucht schon neues Personal. Aber welch schöneren Traum konnte die unbeweisbare, scheinbar meinungslose Sekretärin für Agitation und Propaganda aus dem sozialistischen „Osten“ im kapitalistisch-christlichen „Westen“ sich erfüllen? (PK)
 
Das Buch "Lügenbarone und Ganoven" mit den "fünfzig wahrheitsgemäßen Porträts wichtiger, aber unnötiger Deutscher" aus dem Eulenspiegel-Verlag hat 191 Seiten und kostet 12,95 Euro.
 










Online-Flyer Nr. 322  vom 05.10.2011

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