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Medien
Wie wir dem Krieg den Weg bahnen
Zur Strategie gegen den Iran
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

"Ich bin fest entschlossen, diesen gegen Amerika erklärten Krieg zu gewinnen", hat George W. Bush gesagt. - Versetzen wir uns einen Moment in die Kriegsstrategen des US-Imperiums. Wie würdet Ihr vorgehen?

Die Ausgangslage: der Iran will sich dem US-Imperium (in den 'westlichen' Medien häufig 'Staatengemeinschaft' genannt) nicht unterordnen. Und er verurteilt zudem den Krieg der 'Koalition der Willigen' gegen den Irak. Und er prangert das Vorgehen Israels gegenüber der palästinensischen Bevölkerung als Völkermord an. Das mißfällt den USA und insbesondere Israel. Der Iran ist ein Störfaktor in dem vom 'Project for a New American Century' (PNAC) proklamierten Streben nach Weltherrschaft. Und es besteht die große Gefahr, daß der Iran in die SCO, die Shanghai Cooperation Organization, einen (auch militärischen) Pakt, dem schon heute Rußland, China und einige Staaten der ehemaligen Sowjetunion angehören, aufgenommen wird. Was würdet ihr tun?

Ihr würdet alle Möglichkeiten, die Menschen gegen den Iran aufzubringen, zu nutzen versuchen. Ihr würdet das, was im Iran zu verurteilen ist, hervorkehren. Ihr würdet das, was an Äußerungen iranischer Politiker zu verurteilen ist, in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Ihr würdet - wenn das nicht reicht - die Verbindungen zu Nachrichtenagenturen und Public-Relation-Organisationen nutzen und dafür Sorge tragen, daß manipulierte, entstellte Äußerungen über die Medien in Umlauf gebracht werden. Ihr würdet den iranischen Präsidenten verunglimpfen lassen, wo es nur geht - bis hin zur Gleichsetzung mit Hitler. Dafür bedient ihr euch einer Vielzahl bedeutender Persönlichkeiten - Merkel, Olmert, Peres beispielsweise. Ihr würdet darauf achten, daß die eigenen Verbrechen - in Afghanistan, Guantanamo, im Irak oder in Palästina z.B. - keine oder möglichst geringfügige, verharmlosende Erwähnung finden.

Ihr würdet Veranstaltungen organisieren, bei denen gegen den Iran Stimmung gemacht wird. Dazu würdet Ihr zunächst Leute suchen, die Euch nahe stehen und bereit sind, Kundgebungen wie die in Nürnberg am 11. Juni, die in Frankfurt am 17. Juni oder die in Leipzig am 21. Juni 2006 zu unterstützen - Micha Brumlik (bis 2005 Direktor des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts), Ralph Giordano, Michel Friedman, Wahied Wahdat-Hagh (Middle East Media Research Institute), Henryk M. Broder (Spiegel-Autor), Bärbel Bohley (DDR-Bürgerrechtlerin), Michael Wolffsohn (Bundeswehr-Professor, Nahost-Experte) und Thomas v. der Osten-Sacken (Autor bei der der antideutschen Szene nahestehenden 'Konkret') beispielsweise - und sie die Positionen der USA und Israels verbreiten lassen. Wohl wissend, daß es sich zu einem sehr großen Anteil um reine Propaganda handelt, würdet ihr sie verkünden lassen: "Keine Gastfreundschaft und keine Eintrittskarte für einen Volksverhetzer, der wiederholt den Holocaust geleugnet hat, Israel von der Landkarte tilgen will, zur Judenvernichtung aufruft, Terror finanziert, am Aufbau atomarer Bedrohung arbeitet und die gesamte zivilisierte westliche Welt bedroht und verhöhnt."

Demo zum WM-Spiel in Frankfurt
Demo zum WM-Spiel in Frankfurt
Foto: arbeiterfotografie.com



In Nürnberg beispielsweise würdet ihr in diesem Zusammenhang eine Allianz von CSU, Grünen, pro-israelischen Organisationen und dem DGB schmieden und den iranischen Präsidenten von Bayerns Innenminister Beckstein als 'Verbrecher', der 'die Juden ins Meer treiben will', und von Michel Friedman, dem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, gar als 'Schwerverbrecher' und 'Hitler des 21. Jahrhunderts' verunglimpfen lassen, ohne Gefahr zu laufen, wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes nach § 103 StGB juristisch zur Verantwortung gezogen zu werden.

Da ihr aber auch die Köpfe der Linken, der Friedensbewegung und antifaschistischer Organisationen und Initiativen in Besitz nehmen wollt, würdet ihr Euch die Nazi-Szene zunutze machen. Dabei würden Euch die in Nazi-Organisationen eingeschleusten V-Leute behilflich sein. Über Personen wie Horst Mahler oder Nazi-Organisationen wie die so genannten 'Freien Nationalisten Rhein/Main', die den Aufmarsch für den 17. Juni in Frankfurt-Sachsenhausen planten, würdet ihr versuchen, durch deren Sympathie-Bekundungen für Mahmud Ahmadinedschad die iranische Führung zusätzlich zu diskreditieren. "In der Stadt der Börse und der Banken, dem Jerusalem am Main, wollen wir demonstrieren, dass uns wahrheitsliebende und völkische Iraner zu Gast willkommen sind, wir aber die Masseneinwanderung und die Zersetzung des deutschen Volkes verachten", würdet ihr sie formulieren lassen, um damit zu erreichen, daß sich Antifaschisten finden, die gegen diese kranken Vorstellungen Sturm laufen, aber gleichzeitig die Iran-bezogenen Gedanken aufgreifen und auf diese Weise multiplizieren. Ihr würdet - um es mit den Worten des bayerischen Innenministers zu formulieren - den iranischen Präsidenten als 'Kultfigur der Neonazis' aufbauen. Dabei ist gar nicht entscheidend, ob der Nazi-Aufmarsch tatsächlich zustande kommt. Entscheidend ist die unter Zuhilfenahme der Medien ausgelöste Welle der Empörung, die sich nicht nur gegen die Nazis sondern auch gegen den iranischen Präsidenten richtet.

Michel Friedman: Schwerverbrecher Ahmadinedschad
Michel Friedman: Schwerverbrecher Ahmadinedschad
Foto: arbeiterfotografie.com



Aber das ist nicht die einzige Methode, wie ihr die Nazis sinnvoll einsetzen könnt. Sie sind noch in einer anderen Weise zur Stimmungmache gegen den Iran zu gebrauchen. Wie in einem Beitrag der Fernsehsendung 'Report Mainz' am 12. Juni könnt ihr suggerieren lassen, der Iran sei ein Zufluchtsort für in Deutschland verfolgte Neonazis. Damit ist es möglich, noch einen weiteren Bogen zwischen Iran und Nazis zu schlagen. Das ist ein ganz vorzüglicher Schachzug, mit dem es gelingt, die Situation im Iran mit der des Nationalsozialismus auf eine Stufe zu setzen.

Und ihr würdet die besten Leute in der Euch verbundenen Medien-Phalanx wie die des Magazins 'Der Spiegel', der schon vielfach - wie z.B. im Fall 9/11 - als verlängerter Arm des US-Imperiums agiert hat, auf den iranischen Präsidenten ansetzen und ein Interview "mit geringen sprachlichen Korrekturen" veröffentlichen, um damit den Versuch zu unternehmen, ihn vor der Weltöffentlichkeit bloßzustellen, und von den Plänen des US-Imperiums abzulenken, indem nicht dieses Imperium sondern der iranische Präsident als derjenige dargestellt wird, "vor dem die Welt sich fürchtet", als der "Weltfeind Nummer Eins". Und den Brief Ahmadinedschads an den US-Präsidenten würdet ihr nicht als Geste der Bereitschaft zum Gespräch werten, sondern als "unnützes" Machwerk eines Monsters verreissen lassen.
So wird es zu schaffen sein, die Notwendigkeit eines Krieges gegen den Iran als unabdingbare Notwendigkeit in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann gehören zur Gruppe Arbeiterfotografie. Mehr zum Thema unter www.arbeiterfotografie.com




Online-Flyer Nr. 49  vom 20.06.2006

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