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Inland
"Entwicklungshilfe" in enger Kooperation mit der Bundeswehr
Teil des Militärapparats
Von Hans Georg

Mit einer offiziellen Kooperationsvereinbarung zwischen der Bundeswehr und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) forciert Berlin die Einbindung der sogenannten Entwicklungshilfe in militärische Gewaltoperationen. Das Abkommen sieht unter anderem gemeinsame Schulungen und den Austausch nachrichtendienstlicher Informationen über das jeweilige "Einsatzland" vor. Erklärtes Ziel ist es, die "Erfolgsaussichten" der dort durchgeführten "Missionen" zu erhöhen.
 

Entwicklungshilfe-Partner in Uniform
NRhZ-Archiv
Der jetzt geschlossene Kooperationsvertrag entspricht nahezu wörtlich einer Verein-barung zwischen den deutschen Streitkräften und dem Technischen Hilfswerk (THW). Gemäß dem Para- digma der "vernetzten Sicherheit" sollte auch mit diesem Abkommen die "zivil-militärische Zusammenarbeit" - etwa in Afghanistan - gestärkt werden. Bereits seit etlichen Jahren bekennen sich die staatlichen Durchführungsorganisationen der deutschen "Entwicklungshilfe" zu einer engen Kooperation mit der Bundeswehr; diese gilt gemeinhin als "Partner in Uniform". Entsprechend nahm ein Vorstandsmitglied der GIZ am vergangenen Wochenende gemeinsam mit deutschen Militärs an einer "Sicherheitstagung" im bayerischen Nürnberg teil, die von führenden militärpolitischen Think-Tanks veranstaltet wurde.
 
Bessere Erfolgsaussichten
 
Anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens mit dem Bundesverteidigungsministerium (BMVg) äußerte GIZ-Vorstand Christoph Beier die Überzeugung, nun die "langjährige Zusammenarbeit" mit den deutschen Streitkräften "auf eine noch bessere und institutionalisierte Basis" stellen zu können.[1] Beier und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, zeigten sich zudem darin "einig", mit der Kooperationsvereinbarung nicht nur die "Zusammenarbeit von Soldatinnen und Soldaten im Einsatz und Entwicklungshelfern", sondern auch "die Erfolgsaussichten der jeweiligen Missionen" zu verbessern.[2]
 
Informationsaustausch
 
Den Vertragspartnern zufolge sieht das Abkommen zwischen BMVg und GIZ im Einzelnen Folgendes vor: Die GIZ erhält Zugang zu den vom Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr unter anderem mittels Spionagesatelliten erhobenen Daten und informiert ihrerseits an Militäroperationen beteiligte Soldaten über das "entwicklungspolitische Umfeld im Einsatzgebiet". Als Gegenleistung für die Übernahme von "Baumaßnahmen" und den "Betrieb von Liegenschaften" durch die GIZ - etwa in Afghanistan - bietet die Bundeswehr den beteiligten Entwicklungshelfern zudem eine ganze Reihe von Vergünstigungen: Sie können künftig nicht nur in Militärmaschinen mitfliegen, sondern auch auf die Transport- und Versorgungskapazitäten der Streitkräfte im weitesten Sinne zurückgreifen. Des Weiteren stehen den Mitarbeitern der GIZ fortan auch die Feldlager der Bundeswehr offen; sie dürfen das dortige Feldpostamt nutzen, Marketenderware kaufen und "Betreuungseinrichtungen" aufsuchen.[3]
 
Modell THW
 
Die von BMVg und GIZ geschlossene Kooperationsvereinbarung entspricht fast wörtlich einem Abkommen zwischen der Bundeswehr und dem Technischen Hilfswerk (THW) vom Dezember 2008. Auch darin ist die "gemeinsame lehrgangsgebundene Ausbildung von Führungspersonal" vorgesehen - und zwar sowohl an der THW-Bundesschule wie an der Führungsakademie der Bundeswehr und der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK), der vormaligen "Schule für Psychologische Kampfführung/Verteidigung". Analog dem Vertrag zwischen GIZ und BMVg wurde zudem der regelmäßige Informationsaustausch über gemeinsame "Einsatzgebiete" vereinbart. Das THW erhielt die Möglichkeit, die gesamte dort vorhandene militärische Infrastruktur zu nutzen - von den Sanitätseinrichtungen und dem Verwundetenlufttransport über die Feldpost bis hin zur Versorgung mit Geld und Waren (german-foreign-policy.com berichtete [4]).
 
Partner in Uniform
 
Die Vorgängerorganisation der GIZ, die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), kooperierte schon in den letzten Jahren außerordentlich eng mit der Bundeswehr, die sie als "Partner in Uniform" bezeichnete. So sollten etwa die von der GTZ in Nordafghanistan initiierten "Wiederaufbauprojekte" einerseits dazu dienen, die Akzeptanz der deutschen Besatzungstruppen bei der Bevölkerung zu erhöhen; andererseits sollten sie dazu beitragen, Informanten unter den Einheimischen zu rekrutieren.[5] Nicht ohne Stolz erklären GTZ/GIZ in einer aktuellen Publikation, sie "steuerten" den "Bau von Einsatzliegenschaften der Bundeswehr in Kunduz und Taloqan".[6] Eigenen Angaben zufolge liegt ihrer Arbeit der von deutschen Militärs entwickelte Begriff der "vernetzten Sicherheit" zugrunde, der auch beim Abschluss der jetzigen Kooperationsvereinbarung mehrfach bemüht wurde.[7] Dieser hebt einerseits die Trennung von Gewaltoperationen im Ausland und Repressionsmaßnahmen im Inland auf und unterstellt andererseits entwicklungspolitische Projekte den Erfordernissen aktueller und künftiger Interventionskriege.
 
Afghanistanerfahren
 
Als Veranstalterin der "Sicherheitstagung" im bayerischen Nürnberg firmierte die Nürnberger Zeitung, die damit nahtlos an entsprechende Konferenzen deutscher Leitmedien, namentlich des Handelsblatts und der Wochenzeitung Die Zeit, anschloss (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Auch in Nürnberg sollte es Presseberichten zufolge um den "Einsatz militärischer Mittel" in Afghanistan gehen; im Anschluss an eine "Lagebeurteilung" durch den Parlamentarischen Staatssekretär im BMVg, Christian Schmidt, wurden unter anderem Beiträge des "afghanistanerfahrenen" Brigadegenerals Johann Langenegger und des GIZ-Vorstands Adolf Kloke-Lesch angekündigt.[9] Zu den Initiatoren der Nürnberger "Sicherheitstagung" zählen neben der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung etliche namhafte militärpolitische Think-Tanks und Lobbyorganisationen, darunter der Bundeswehrverband, die Clausewitzgesellschaft, die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik, der Reservistenverband und der Arbeitskreis Bundeswehr und Wirtschaft Bayern.
 
In Kauf genommen
 
Die sowohl in der Nürnberger Konferenz als auch in der Kooperationsvereinbarung zwischen GIZ und BMVg zum Ausdruck kommende Verschmelzung militärischer und entwicklungspolitischer Zielsetzungen wird von Teilen der Opposition heftig kritisiert. Wie etwa die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Heike Hänsel, unlängst erklärte, nehme die Bundesregierung dadurch "bewusst den Tod von GIZ-Mitarbeitern in Kauf". Diese würden in den Einsatzgebieten mittlerweile schlicht "als Teil des Militärapparates wahrgenommen".[10] (PK)
 
Diesen Beitrag haben wir von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58094
Übernommen.
 
 
[1] Vernetzte Sicherheit in der Praxis; www.giz.de 17.06.2011
[2], [3] Vernetzte Sicherheit ganz praktisch; www.bmvg.de 07.06.2011
[4] s. dazu Hilfstrupp fürs Militär
[5] s. dazu Integrierter Ansatz und Partner ohne Uniform
[6] Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ): Von der Vergangenheit bis zur Gegenwart. Die deutsch-afghanische Zusammenarbeit. Eschborn 2010
[7] Vernetzte Sicherheit in der Praxis; www.giz.de 17.06.2011. Vernetzte Sicherheit ganz praktisch; www.bmvg.de 07.06.2011
[8] s. dazu Leitmedien im Krieg
[9] Verantwortung ohne Grenzen? www.nordbayern.de 17.06.2011
[10] Zivil-militärische Vernetzung bis in den Tod; heikehaensel.wordpress.com 15.06.2011


Online-Flyer Nr. 308  vom 29.06.2011

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