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Kommentar
Frau Mühlenfeld, die BILD-Zeitung und der Bankrott der Städte
Mülheims OB kämpft – aber wofür?
Von Lothar Reinhard

Bildzeitung am 14. Juni: „Für überschuldete Städte“, und neben dem großen Bild der besorgten Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld liest man: „In 3 Jahren sind wir praktisch pleite.“ - Schaun wir mal, wie gut die mal wieder recherchiert haben.
 
Wie des öfteren trägt die Mülheimer OB als Sprecherin des Aktionsbündnisses von 27 überschuldeten Städten, hauptsächlich des Ruhrgebiets und des Bergischen Landes, kämpferisch ihre Forderungen an den Bund vor, mehr Geld für die Kommunen zu zahlen. Insbesondere prangert sie an, „wenn weiter politische Projekte vorangetrieben werden, die vielleicht gesellschaftspolitisch richtig, aber weder durchfinanziert, noch von uns zu leisten sind.“
 
Gut gebrüllt, Löwin, muss man sagen. Nur: Das gilt zu 100% auch für die Kommunen selbst, allen voran für Frau Mühlenfelds Heimatstadt. Beim bekannten Projekt Ruhrbania z.B. ist nichts durchfinanziert und aus MBI-Sicht sind etliche Einzelmaßnahmen nicht einmal "richtig“ - wie der 15 Mio. teure Umbau des gesamten Brückenkopfs nach dem Abriss der intakten Rampen und overflies zu einer riesigen Betonwüste mit 2 gigantischen Ampelkreuzungen, der sogar falsch und verkehrlich kontraproduktiv ist. Auch ob das alberne Hafenbecken für 4 Mio. „gesellschaftspolitisch richtig“ war, mag man zu Recht bezweifeln. Ebenso der Rathaus- und Bücherei-Abriss, wofür dann sehr aufwendig und teuer Ersatz gesucht bzw. gebaut werden musste. Selbst der Abriss des vor kurzem erst teuer sanierten Gesundheitshauses ist immer noch nicht vom Tisch. Uswuswusf!!!
 
Wenn sich die Berliner Bundestagsabgeordneten derartige überdimensionierte Geldverschwendungen genauer ansehen würden, würden sie den Geldhahn eher zu- als aufdrehen.
 
Natürlich kann man auch die in Mülheim grassierende Gutachteritis und die wundersame Pöstchenvermehrung insbesondere der höheren Gehaltsklassen anführen. Doch egal. Zwei Dinge muss man zu diesem erneuten Mühlenfeld-Interview in der Bildzeitung anmerken:
 
1. Warum hat sie als Präsidiumsvize die Forderungen denn nicht auf dem Städtetag im Mai vorgetragen, als Frau Merkel dort zu Gast war? Alle und wirklich alle klatschten der Kanzlerin Beifall, als sie erläuterte, dass sie ihr Versprechen des Vorjahres eingehalten habe, dass nämlich der Bund die Wohnungskosten bei Grundsicherung im Alter und z.T. auch bei Hartz IV ganz übernommen hat. Macht nur für Mülheim einige Millionen pro Jahr an Mehreinnahmen.
 
2. Warum fordert Frau Mühlenfeld nicht, endlich den inzwischen anachronistischen Solipakt Ost sofort zu ändern oder abzuschaffen? Es ist absurd, dass die hyperverschuldeten Ruhrgebietsstädte jedes Jahr bis 2017 weiter viele weitere Millionen für den "Aufbau Ost“ einzahlen, während zu Hause der "Abbruch West“ immer dramatischer wird. Dresden oder Wismar müssen dabei nicht einmal erwähnt werden!
 
Abschließend noch ein Zitat von Frau Mühlenfeld in der Bildzeitung: „Keine Versprechen mehr von tollen Projekten, von denen keiner weiß, wie sie bezahlt werden sollen.“ In echt, das sagte die Frau wirklich und genauso wörtlich (sofern BILD nicht lügt).
 
Sie hat die ganzen letzten Jahre nur solche Versprechen auch gnadenlos umgesetzt, und weil keiner wußte, wie sie bezahlt werden sollen, ist man halt fast immer PPP-Modelle mit Konzernen eingegangen, damit das fehlende Geld per Umwegfinanzierung im Haushalt überhaupt nicht auftauchte, zumindest am Anfang nicht und nicht als Schulden, sondern per „Forfaitierung mit Einredeverzicht“, als „Mietzahlungen“ für die eigenen Gebäude auf 20 oder mehr Jahre. Bei der überdimensionierten Feuerwehr wird das bereits als Finanzprodukt gehandelt und weiter verkauft. Was mit dem Medienhaus, dem Schulpaket aus 3 bis 4 Schulen, dem stadtgeschichtlichen Museum, dem Rathaus, dem Haus der Wirtschaft und anderen umwegfinanzierten Projekten in Zukunft noch alles wird oder werden kann, steht in den Sternen, insbesondere, wenn die bankrotte Stadt in 3 Jahren selbst bilanztechnisch pleite ist, wie Frau M. es in der BILD prophezeite.
 
Zusammengefasst: Selbst wenn der Bund viel mehr Geld in die überschuldeten Städte pumpt, hilft das nur, wenn die teils gigantische Verschwendung vor Ort eingedämmt wird und wenn die Städte nur noch mit seriösen Methoden Finanzpolitik betreiben!
 
Weder swaps, noch schwopps noch drops oder andere Spekulation mit kommunalen Steuergeldern und überhaupt keine Umwegfinanzierungen über windige PPP-Modelle mehr! (PK)

Nachbemerkung des Autors:
 
Eine Behauptung des Mülheimer Kämmerers Bonan vom April: "Laut neuer Bilanzrechnung, so Bonan, „ist unser Eigenkapital rein rechnerisch in acht Jahren aufgebraucht“. Das hieße: Die Stadt hätte mehr Schulden als Gegenwerte. Sie wäre pleite, kommt nicht die ersehnte Hilfe aus Berlin und Düsseldorf", vgl. WAZ-Artikel vom 13.4.11: "In acht Jahren droht die Pleite" - http://www.derwesten.de/staedte/muelheim/
 
Am 14.6.11 wird nun OB Mühlenfeld wie folgt in der BILD-Zeitung zitiert: "Absehbar, wann sie (die Städte) in die bilanzielle Überschuldung abdriften. In Mülheim zum Beispiel werden die Schulden das Vermögen in drei Jahren überschreiten. Dann sind wir praktisch pleite."
 
Da muss man die OB aber fragen, was denn in den 2 Monaten Dramatisches passiert ist, dass die bilanzielle Überschuldung 5 Jahre früher kommt!! Die Auswirkungen des Verfalls der RWE-Aktien ob der verheerenden Fehlentscheidungen von RWE-Chef Großmann können diese dramatische Laufzeitverkürzung des Mülheimer Eigenkapitals nicht bewirkt haben. Hoffentlich wird keine Rating-Agentur auf die Stadt mit Ruhrbania und quasi-hellenischen Bilanzierungen aufmerksam! Dann Gute Nacht Herr Bonanopulos, Frau Mühlenfelderakis und Herr Wiecheringitidis! Mehr dazu hier: http://www.mbi-mh.de/2010/06/02/gruen-mh-welkt/ 
 
Lothar Reinhard ist Fraktionssprecher der MBI im Mülheimer Stadtrat


Online-Flyer Nr. 306  vom 15.06.2011

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