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Lokales
"Kosten und Nutzen der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe"
IHK-Studie – Gutachten oder Meinungsmache?
Von Ulrike Kölver

335 Mio. Euro erzielten die Berliner Wasserbetriebe (BWB) im Jahr 2007 als Gewinn. Es geht also um viel Geld beim Thema Wasserbetriebe. Daher überrascht das Ergebnis der jüngst veröffentlichten IHK-Studie zur Rekommunalisierung der BWB nicht: alles soll so bleiben, wie es ist. Eine Rücküberführung der BWB in Landeseigentum brächte kaum Erleichterungen für die Verbraucher, gleichzeitig würden die Schulden des Landes stark steigen. Die vor kurzem begonnene – und mit dem Volksentscheid vom 13. Februar entscheidend vorangebrachte - Debatte um die Rekommunalisierung müsse aufhören, fordert die Industrie- und Handelskammer.
 

Maulkorb im Interesse von RWE und Veolia
Quelle: www.dierotesaar
Diesen Maulkorb lässt sich der Berliner Wassertisch nicht umbinden. Wir bewerten die IHK-Studie als ein schlecht ausgeführtes, mit zahlreichen Lücken versehenes Gefällig-keitsgutachten im Interesse der IHK-Mitglieder RWE und Veolia sowie der einseitig auf Unter- nehmensinteressen ausgerich- teten Parteien CDU und FDP.

Die schlechte Ausführung beginnt beim Vergleich aktueller Wasserpreise. Wer Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder zum Vergleich heranzieht, vermengt unvergleichbare Größen-ordnungen miteinander. Der Maßstab für Berlin und die Berliner sind bundesdeutsche Großstädte mit mehr als einer Million Einwohnern und einem durchschnitt-lichen Verbrauch von maximal 200 Kubikmeter Wasser pro Jahr. Legt man diesen Maßstab an, liegt Berlin bei den Preisen mit an der Spitze, vor Hamburg und München. Der verborgenen Perspektive der Studie – das sind die Rendite-Erwartungen der Privaten – geschuldet ist die Trennung der Wasserkosten für die Berliner in Trinkwasser- und Abwasserkosten. Dem durchschnittlichen Zwei-Personen-Haushalt ist es egal, wie viel er für die Bestandteile der Wasserkosten bezahlt – er kann seine Kosten nur durch Verbrauchssenkung reduzieren. Den privaten BWB-Eignern ist dies nicht egal, denn sie verdienen nur an den Trinkwasserkosten. Die Einnahmen aus dem Abwasseranteil gehen unvermindert an den Landeshaushalt.

Kosten für Haushalte um 35 Prozent gestiegen

Legt man Trinkwasser- und Abwasserkosten zusammen, so sind die Kosten für die Berliner Haushalte seit der Wasserteilprivatisierung um 35 Prozent gestiegen. Diese Angaben verschweigt die Studie. In Bezug auf die Bewohner Ost-Berlins, die dort seit mehr als 22 Jahren wohnen, sind die Kosten um eine weitere Größenordnung gestiegen. Das aber wird im IHK-Gutachten überhaupt nicht erwähnt.

Keine Aussagen macht die Studie zum Niveau der erforderlichen Investitionen in die Berliner Leitungsnetze. Erst durch Rohrbrüche an prominenten Stellen wurde in letzter Zeit bekannt, dass unter Berlin noch viele Rohre liegen, die 125 Jahre alt sind. Auch das Bundeskartellamt bestätigt eine geringe Investitionstätigkeit.

Ebenfalls keine Aussagen findet man in der Studie zur ungleichen Verteilung der BWB-Gewinne: 2008 flossen zum Beispiel (als Ergebnis von 2007) 150 Millionen Euro in den Landeshaushalt und 185 Mio. Euro an RWE und Veolia – und das, obwohl die beiden Privaten nur die Minderheit der Anteile an den BWB halten.

Schönrechnen zugunsten der Privatinvestoren
 
Die Berechnung der Rückkaufsumme bei einer Rekommunalisierung folgt ebenfalls den Rendite-Erwartungen der privaten Investoren.  Es werden Unternehmenswertberechnungen zugrunde gelegt, die auf Schönrechnen zugunsten der Privatinvestoren hinauslaufen. Durch das Heranziehen eines niedrigen Geldmarktzinses statt des höheren Kapitalmarktzinses für die Rendite wird der "Wert“ der  Unternehmensanteile der Privaten nach oben manipuliert, um die Vorteile einer Rekommunalisierung so gering wie möglich erscheinen zu lassen. Das Vergleichbarkeitsprinzip wird verletzt, indem man für die Fremdkapitalzinsen die Zinsen der DEGEWO, eines Wohnungsbauunternehmens, ansetzt. Warum nicht die der Kantine von nebenan? Eine solche Unternehmenswertberechnung ist schlicht fachlich unseriös: angesichts derartiger Manipulationsmethoden drängt sich der Verdacht käuflicher Wissenschaft auf: Das Gutachten kann hier selbst einfachsten betriebswirtschaftlichen Ansprüchen nicht genügen, auch wenn es von der IHK veröffentlicht wurde!
 
Wegfall der Profite bringt Preissenkungen

Der Berliner Wassertisch geht an das Problem anders heran. Wir stellen die Frage nach der Profitorientierung der Berliner Wasserbetriebe. Wir fordern eine Senkung der Wasser- und Abwasserpreise durch Wegfall der Profite und durch zweckgebundenen Einsatz der Einnahmen für Ver- und Entsorgung von Wasser.

Es ist zwar zweifellos richtig, dass Wirtschaftssenator Wolf jetzt nicht überstürzte Rückkaufsverhandlungen führen soll (während der noch viel tiefer in das ganze unselige Unterfangen verstrickte Wowereit so tut, als ginge ihn das alles gar nichts an). Das ist in der Tat auch der Standpunkt des Berliner Wassertisches – aber  aus  ganz anderen Gründen und mit ganz anderen Absichten: nämlich Gemeinwohlorientierung, kostengünstige Rekommunalisierung  - und demokratische Transparenz bei allen weiteren Schritten auf diesem Weg. Und dazu bedarf es erst einmal einer korrekten Analyse, von der die IHK-Stellungnahme weit entfernt ist. (PK)


Online-Flyer Nr. 296  vom 06.04.2011

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