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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Inland
AUS für CDU-Herrschaft - BaWü-Bildungsreform und Uni-Zivilklausel JETZT
Zweimal Wende eingeleitet
Von Dietrich Schulze

Neue Schreckensmeldungen aus Fukushima, große Demos für den Atomausstieg am Samstag, das AUS für Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg nach 58 Jahren CDU-Herrschaft am Sonntag. Die Hoffnungen auf eine Energiewende und eine Politikwende scheinen ein Stück realer geworden zu sein. Die Instrumentalisierung des Aufbruchs in der arabischen Welt durch NATO, USA und diverse Potentaten für eine neue Sorte von Interventionskriegen und die Zustimmung zu einer Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan machen leichzeitig die Brüchigkeit dieser Hoffnungen und die verheerende Rolle der Mainstreammedien deutlich.

Kein anderer als der geniale sozialdemokratische Vordenker Hermann Scheer hat den Zusammenhang zwischen Energie- und Friedenspolitik in seinem zum Vermächtnis gewordenen Buch "Der energethische Imperativ“(1) besser auf den Punkt gebracht: eine friedlichere Welt ist nur mit dem gemeinsamen AUS für Atomkraft und Atomwaffen möglich. Der Erfolg in Baden-Württemberg hat zweifellos mit den neuen Erkenntnissen über die Beherrschbarkeit der Atomenergie zu tun, die von Merkel und Mappus kurz davor noch schön gepredigt und von letzterem mit einem illegalen Milliarden-Deal zugunsten der EnBW veredelt wurde. Bei dem knappen Grün-Rot-Vorsprung kann gut auch die unfreiwillige Amtshilfe der Arbeitsgemeinschaft Brüderle / Schnappauf entscheidend gewesen sein.

Heribert Prantl sprach in seinem SZ-Kommentar mit Recht von einem Glaubwürdigkeits-Supergau für FDP und CDU. In das gesellschaftliche Gedächtnis haben sich auch die neuen Bürgerproteste gegen Stuttgart 21 und der von Mappus zu verantwortende Polizeieinsatz beim Schülerprotest eingegraben. Ein Segen ist das AUS für einen auf dem rechten Auge blinden CDU-Innenminister, der ein neues NPD-Verbotsverfahren nach Kräften behinderte. Ebenso das endgültige AUS für ein demokratiefeindliches neues Versammlungsgesetz, das mit Rückendeckung des Ex-Innenministers von der Polizei schon fleißig im Vorfeld praktiziert wurde.

Das chronisch unterfinanzierte Bildungssystem muss einer dringenden Reform unterzogen werden. Dafür bieten die Wahlprogramme der künftigen Regierungsparteien jede Menge Stoff zu den notwendigen Veränderungen, angefangen mit längerem gemeinsamem Lernen, mehr LehrerInnen und der Aufkündigung der Kooperationsvereinbarung Schulen/Bundeswehr.

Hier soll speziell noch ein Blick auf die Auseinandersetzungen zur Zivilklausel am Karlsruher Institut für Technologie KIT (Uni plus Forschungszentrum Karlsruhe) geworfen werden, über die der Autor mehrfach in NRhZ (1) und anderswo berichtete. Eine gute Zusammenfassung der hochschulbezogenen Kernforderungen hatte der UStA der Uni Karlsruhe in einer Podiumsdiskussion zur Landtagswahl geliefert: die Wiedereinführung der von Filbinger abgeschafften Verfassten Studierendenschaft, die Streichung der Studiengebühren und die Einführung einer Zivilklausel in das Landeshochschulgesetz und für KIT. Für diese drei Forderungen gibt es im Einklang mit entsprechenden Aussagen in den Wahlprogrammen jetzt parlamentarische Mehrheiten und die Unterstützung der Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann (designierter erster Grüner Ministerpräsident) und Nils Schmid. Mit der Umsetzung der beiden ersten Forderungen wird mit anderen Bundesländern gleich gezogen, mit einer Zivilklausel für das Landeshochschulgesetz wird etwas Neues geschaffen, ein friedenspolitischer Impuls von großer Tragweite.

Die Leitung der Uni Karlsruhe hatte sich bei der Entscheidung über die KIT Grundsatzung am 21. März noch mit ihrem Anpassungskurs an den Ex-CDU-Wissenschaftsminister gegen die Zivilklausel durchgesetzt und die 450 Unterstützungsunterschriften ebenso wie das Studierendenvotum und ein Dutzend Erklärungen und Offene Briefe ignoriert. Nun wird eine Kurskorrektur im Kontext mit der Neufassung des Landeshochschulgesetzes zu diskutieren sein. Und es gibt eine weitere ebenso wichtige Kurskorrektur für das KIT, nämlich für das Energieforschungsprogramm, das auf ein langes Leben für die Atomenergie setzte. KIT Präsident Horst Hippler ist bekanntlich einer der beiden Hochschulunterzeichner des „Energiepolitischen Appells“, der im letzten August die Laufzeitverlängerung verlangte.

Es wird jetzt darauf ankommen, in einer grundsätzlichen Anstrengung vieler gesellschaftlicher Akteure die Energiewende in ein entsprechendes Energieforschungsprogramm umzusetzen und auch dafür an die Verantwortung der Wissenschaft zu appellieren. Die Gewinnung der Studierenden, Lehrenden, Forschenden und Beschäftigten an den Hochschulen für die Entwicklung von zivilen und friedlichen Alternativen in einer offenen Diskussion ist ein spannender Prozess, der jede Mühe wert ist. (PK)

(1) Hermann Scheer: Der energethische Imperativ - 100% jetzt: Wie der vollständige Wechsel zu rneuerbaren Energien zu realisieren ist, Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2010

Dr.-Ing. Dietrich Schulze ist im Beirat der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative "Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit" und arbeitet in der "Initiative gegen Militärforschung an Universitäten" www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf Er war von 1966-2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter und von 1984-2005 Betriebsratsvorsitzender des Forschungszentrums Karlsruhe.

Online-Flyer Nr. 295  vom 30.03.2011

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