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Lokales
Jecke Globalisierungskritiker verteidigen die Demokratie in Kölle
"Dat looß' mer uns nimmieh beate!"
Von Frauke Distelrath

Bereits zum fünften Mal haben die Kölner G8-Pappnasen im "Zoch vor dem Zoch" (Zug vor dem Zug) am Rosenmontag den politischen Karneval am Rhein belebt. Unter dem Motto "Dat looße mer uns nit beaten!" kritisierten sie den zunehmenden Demokratienotstand in der Republik. Steilvorlage für die rund 50 jecken Globalisierungskritiker war das offizielle kölsche Karnevalsmotto, das dieses Jahr direkt aus der Wortspielhölle kommt: "Köln hat was zu beaten!"

 
Alle Fotos: Herbert Sauerwein
 
Der Aufzug der Politnarren und -närrinen bestand aus zwei Teilen. Vorneweg zeigten sie den 500.000 Jecken am Straßenrand, wie Klüngel und Wirtschaftsinteressen für atomkraftfreundliche Gesetze, Dioxinskandale und Megaprojekte wie "Stuttgart 21" oder den Kölner U-Bahnbau sorgen. Die mitgeführte "Demokratie"-Großpuppe war entsprechend lädiert, besonders die Augen hatten durch die Angriffe gelitten: Permanent attackierte eine mehrköpfige Wirtschafts- und Polithydra die Demokratie. 
                                                
Ein Blick auf die von den Pappnasen verteilten "Stimmabgabezettel" machte auch dem letzten Narren klar, wie gefährdet die Herrschaft des Volkes ist. Zur Wahl standen "Freiheitlich-Christlich-Sozial-Grüne Banker", die "Sozial-Liberal-Grün-Christliche Rüstungsindustrie" oder auch die "Grün-Soziale-Freiheitlich-Christliche Energiewirtschaft". 
 
Im zweiten Teil des Pappnasen-Aufzuges regten sich die Verteidigerinnen und Verteidiger der Demokratie in Gestalt von Micheln, die aus ihrer Schlafmützigkeit erwachen. Raderdolle(1) und frisch politisierte Mutbürger mühten sich, die Seilschaft aus Politik und Wirtschaftslobby
einzufangen. Auf den Lippen hatten sie ein kämpferisches Lied: "Un Stuttgart 21 – wer denk sisch sujet us; Milliarde för en Schnapsidee – domet es jetz Schluss! Han sisch de Minsche do jesaat - sisch op dä Platz jestallt. Do wor nix mieh mit Demokratie – nur Polizeijewalt."(2)
 
Am Ende obsiegten die Mutbürger: Unter lautem Gejohle zogen sie die "Profitgier" am Pranger durch die Straßen.

Zur Geschichte der Pappnasen

Die Kölner G8-Pappnasen - mit dabei sind unter anderen närrische AktivistInnen von Attac und dem BUND - haben sich erstmals am Rosenmontag 2007 am "Zoch vorm Zoch" in Köln beteiligt, um karnevalsgetreu zu den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligensdamm im
Juni desselben Jahres zu mobilisieren. Seitdem haben die jecken GlobalisierungskritikerInnen und UmweltschützerInnen den politischen Karneval in Köln alljährlich unter einem anderen aktuellen Motto bereichtert: "Klüttendreck für Kölle - und mir han nix zo kamelle" ("Braunkohlendreck für Köln - und wir haben nichts zu melden") hieß es 2008; 2009 nahmen sie den "höllisch bekloppten Kapitalismus" aufs Korn, im vergangenen Jahr standen dann unter dem Motto "Vom Klüngel jebütz" ("Vom Klüngel geküsst") die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik im Zentrum der Kritik. (PK) 
 
(1) Raderdoll = kölsche Steigerungsform von jeck (närrisch)
(2) auf Hochdeutsch: "Und Stuttgart 21 – wer denkt sich so was aus;
Milliarden für eine Schnapsidee – damit ist jetzt Schluss!; Haben sich
die Menschen da gesagt – sich auf den Platz gestellt; Da war nichts mehr
mit Demokratie – nur Polizeigewalt."

Frauke Distelrath, Jahrgang 1968, ist Politologin und gelernte
Tageszeitungsredakteurin. Sie hat sieben Jahre als Redakteurin bei einer
Regionalzeitung im Rhein-Main-Gebiet gearbeitet, bevor sie 2006 als
Pressesprecherin zum globalisierungskritischen Netzwerk Attac
Deutschland wechselte. Frauke Distelrath lebt in Frankfurt am Main.




























 


Online-Flyer Nr. 292  vom 09.03.2011

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