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Lokales
40 Jahre Elterninitiativen und Kinderläden in Köln und NRW
"Alles wieder auf Anfang?"
Von Pui von Schwind
Noch im Wahlkampf 2005 erklärte der damalige noch-nicht-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers "Das Jahr 2006 zum Jahr des Kindes - Zum Wohle unserer Kleinen und damit zum Wohle unserer aller Zukunft". Er hat sich in seiner Regierung aber offensichtlich nicht durchsetzen können. Denn die Sparbeschlüsse im Haushalt 2006 der Landesregierung NRW galten in unverantwortlichem Maße dem Kinder- und Jugendbereich. Haben sich die FDP-Regierungsmitglieder durchgesetzt, die die 3,7 Milliarden Euro in NRW für den Kinder- und Jugendbereich privatisieren wollen? Namen für die entsprechende Planung werden schon kolportiert.
Der Reihe nach: Zwei Studentenehepaare, eine Finnin und ihr Mann - ein Syrer, eine Deutsche und ein Namibier, gingen im Sommer 1964 zum Kölner Studentenwerk, um nach Möglichkeiten der Unterstützung nach der Geburt ihrer Kinder zu suchen. Bei einer auch von Studenten mit finanzierten Organisation. Der Geschäftsführer Dr. Weiler hatte jedoch auch die gleiche Meinung und Haltung, wie wir sie dann vom Kanzler der Universität zu Köln, Dr. Wagner, erfuhren: Studenten haben keine Kinder zu haben, sondern sollten erst ihr Studium abschließen. - Naja, im Prinzip sollte es ja wohl auch so sein, war aber damals gar nicht so einfach. Es war noch die Vorpillenzeit! - Die Aushänge in den Studentinnenwohnheimen lauteten: "Nach 22.00 Uhr ist Männerbesuch verboten!". Der Stil der Zeit.
Unser Anliegen machte dennoch die Runde, so daß in der Kölnischen Rundschau im Frühjahr 1965 eine ganze Seite zum Pro und Kontra Dr. Weiler - gegen - den Initiatoren zu lesen war. Seinerzeit nahmen die katholischen, evangelischen aber auch die städtischen Kindertagesstätten keine Kinder von Studenten auf. Viele Menschen waren offensichtlich überrascht und empört, daß Studentinnen und Studenten auch Kinder kriegen können... Bei uns verfestigte sich hingegen die empörende Einsicht, daß es grundsätzlich zu wenig Krabbelgruppen und Kindertagesstätten in dieser Republik gibt. Übrigens bis heute! Seit über 40 Jahren!
Also suchten die vier nach Gleichgesinnten und gründeten am 20. Mai 1965 den Universitätskindergarten e.V. in Köln, mit Unterstützung des AStA, gegen den Willen des Studentenwerkes. Das war der Beginn einer bundesweiten Entwicklung, auch über den studentischen Bereich hinaus. "Selbst in die Hand nehmen und machen", war der Ausweg - bis heute eigentlich, oder?

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de
Die 60er Jahre - wir also - waren geprägt durch das Schweigen unserer Eltern zu ihrer Rolle im "Dritten Reich" und im II. Weltkrieg, der Teilung Deutschlands in Ost und West, der spießigen Adenauerjahre - trotz Rock'n Roll -, durch den unglaublich brutalen Vietnamkrieg der USA, aber auch durch die Befreiungskriege in Asien und Afrika, die zur Unabhängigkeit der meisten Völker von den Kolonialmächten aus Europa führten. Das wurde als Revolution der Dritten Welt verstanden. Diese Ereignisse - und vieles mehr - waren die Gründe für die Studenten, mit Bloch, Adorno, Horkheimer, bald auch Marcuse, konkrete Analysen zum kapitalistischen Produktionsprozess in unserer Gesellschaft und Klassenkampfanalyse zu betreiben.
Da wir als Eltern keine Anleitung zur Erziehung unserer Kinder, weder von Zuhause noch in der Schule bekommen hatten, jetzt aber selber Kindertagesstätten gründeten und vor Erziehungsproblemen standen: Was tun? - Nach unseren Erfahrungen mit der Gesellschaft der 50er und 60er Jahre in Deutschland und mit der damaligen Ausbildung des Fachpersonals, hatten wir den Wunsch, es anders zu machen. Unsere Kinder sollten anders erzogen werden.
Der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) in Bonn nahm diese Forderung auf, da 1967 bereits 17 Projekte von Studentenkinderkrippen vorlagen und umgesetzt werden sollten. Er lud ein zu einem Fachseminar im Januar 1968. Wir bekamen den Auftrag mit dem bekannten und geschätzten Psychologen Prof. Reinhard Tausch und seiner Frau aus Hamburg und anderen, ein "Antiautoritäres Erziehungskonzept" für Studentenkindergärten zu erstellen.
Wir - jetzt Eltern - waren noch sehr autoritär erzogen, wegen nichts und wieder nichts geschlagen und gegängelt worden. "Warte, bis Vati heute Abend nach Hause kommt!" Das wollten wir an unsere Kinder nicht weitergeben. Wir wollten unsere Kinder zu selbstbewußten, neugierigen, selbstbestimmten, solidarischen Menschen erziehen. Diese alternativen, politischen, pädagogischen Konzepte realisierten sich teilweise erst in der sich bald etablierenden Kinderladenbewegung. Die wollten ähnliche pädagogische Alternativen in ihren Einrichtungen praktizieren, bis hin zum Versuch einer sozialistischen Erziehung. Ernst Bloch sagte damals in den 60er Jahren: "Es gibt nur Karl May und Hegel - alles andere sind Mischformen." Das gilt bis heute, insbesondere für die Elterninitiativen.
Zurück nach Köln: Schon im November 1969 zog dann eine kleine Gruppe von ca. 12 Kindern in die Räume der Familie Fuchs am Brüsseler Platz 12 ein. Der erste Kinderladen in Köln. Mit dem aus heutiger Sicht malerischen Namen "Sozialistisches Kinderkollektiv Köln I". Für die damalige Zeit üblich, spaltete dieser sich auf in die Kinderläden Friesenstraße und Mainzerstraße 80. Es folgten sehr bald 11 weitere Kinderläden. Bis zum Jahre 1974 mit starker Beteiligung der Eltern an der täglichen und inhaltlichen Arbeit. Dieses Prinzip der elterlichen Mitarbeit und Mitwirkung reduzierte sich bald erheblich. Das Fachpersonal sollte es richten.
Bei der Feier zum 40-jährigen Bestehen von Elterninitiativen in der vergangenen Woche waren sie es, die Leiterinnen und Erzieherinnen, die die Sorgen der Einrichtungen und über die Gefährdung derselben vortrugen. In dieser Woche zeigten sich schon erste Ansätze, sich gegen die Schließungen mit Eingaben und Demonstrationen zu wehren... "Alles wieder auf Anfang?"
Online-Flyer Nr. 47 vom 06.06.2006
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Lokales
40 Jahre Elterninitiativen und Kinderläden in Köln und NRW
"Alles wieder auf Anfang?"
Von Pui von Schwind
Noch im Wahlkampf 2005 erklärte der damalige noch-nicht-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers "Das Jahr 2006 zum Jahr des Kindes - Zum Wohle unserer Kleinen und damit zum Wohle unserer aller Zukunft". Er hat sich in seiner Regierung aber offensichtlich nicht durchsetzen können. Denn die Sparbeschlüsse im Haushalt 2006 der Landesregierung NRW galten in unverantwortlichem Maße dem Kinder- und Jugendbereich. Haben sich die FDP-Regierungsmitglieder durchgesetzt, die die 3,7 Milliarden Euro in NRW für den Kinder- und Jugendbereich privatisieren wollen? Namen für die entsprechende Planung werden schon kolportiert.
Der Reihe nach: Zwei Studentenehepaare, eine Finnin und ihr Mann - ein Syrer, eine Deutsche und ein Namibier, gingen im Sommer 1964 zum Kölner Studentenwerk, um nach Möglichkeiten der Unterstützung nach der Geburt ihrer Kinder zu suchen. Bei einer auch von Studenten mit finanzierten Organisation. Der Geschäftsführer Dr. Weiler hatte jedoch auch die gleiche Meinung und Haltung, wie wir sie dann vom Kanzler der Universität zu Köln, Dr. Wagner, erfuhren: Studenten haben keine Kinder zu haben, sondern sollten erst ihr Studium abschließen. - Naja, im Prinzip sollte es ja wohl auch so sein, war aber damals gar nicht so einfach. Es war noch die Vorpillenzeit! - Die Aushänge in den Studentinnenwohnheimen lauteten: "Nach 22.00 Uhr ist Männerbesuch verboten!". Der Stil der Zeit.
Unser Anliegen machte dennoch die Runde, so daß in der Kölnischen Rundschau im Frühjahr 1965 eine ganze Seite zum Pro und Kontra Dr. Weiler - gegen - den Initiatoren zu lesen war. Seinerzeit nahmen die katholischen, evangelischen aber auch die städtischen Kindertagesstätten keine Kinder von Studenten auf. Viele Menschen waren offensichtlich überrascht und empört, daß Studentinnen und Studenten auch Kinder kriegen können... Bei uns verfestigte sich hingegen die empörende Einsicht, daß es grundsätzlich zu wenig Krabbelgruppen und Kindertagesstätten in dieser Republik gibt. Übrigens bis heute! Seit über 40 Jahren!
Also suchten die vier nach Gleichgesinnten und gründeten am 20. Mai 1965 den Universitätskindergarten e.V. in Köln, mit Unterstützung des AStA, gegen den Willen des Studentenwerkes. Das war der Beginn einer bundesweiten Entwicklung, auch über den studentischen Bereich hinaus. "Selbst in die Hand nehmen und machen", war der Ausweg - bis heute eigentlich, oder?

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de
Die 60er Jahre - wir also - waren geprägt durch das Schweigen unserer Eltern zu ihrer Rolle im "Dritten Reich" und im II. Weltkrieg, der Teilung Deutschlands in Ost und West, der spießigen Adenauerjahre - trotz Rock'n Roll -, durch den unglaublich brutalen Vietnamkrieg der USA, aber auch durch die Befreiungskriege in Asien und Afrika, die zur Unabhängigkeit der meisten Völker von den Kolonialmächten aus Europa führten. Das wurde als Revolution der Dritten Welt verstanden. Diese Ereignisse - und vieles mehr - waren die Gründe für die Studenten, mit Bloch, Adorno, Horkheimer, bald auch Marcuse, konkrete Analysen zum kapitalistischen Produktionsprozess in unserer Gesellschaft und Klassenkampfanalyse zu betreiben.
Da wir als Eltern keine Anleitung zur Erziehung unserer Kinder, weder von Zuhause noch in der Schule bekommen hatten, jetzt aber selber Kindertagesstätten gründeten und vor Erziehungsproblemen standen: Was tun? - Nach unseren Erfahrungen mit der Gesellschaft der 50er und 60er Jahre in Deutschland und mit der damaligen Ausbildung des Fachpersonals, hatten wir den Wunsch, es anders zu machen. Unsere Kinder sollten anders erzogen werden.
Der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) in Bonn nahm diese Forderung auf, da 1967 bereits 17 Projekte von Studentenkinderkrippen vorlagen und umgesetzt werden sollten. Er lud ein zu einem Fachseminar im Januar 1968. Wir bekamen den Auftrag mit dem bekannten und geschätzten Psychologen Prof. Reinhard Tausch und seiner Frau aus Hamburg und anderen, ein "Antiautoritäres Erziehungskonzept" für Studentenkindergärten zu erstellen.
Wir - jetzt Eltern - waren noch sehr autoritär erzogen, wegen nichts und wieder nichts geschlagen und gegängelt worden. "Warte, bis Vati heute Abend nach Hause kommt!" Das wollten wir an unsere Kinder nicht weitergeben. Wir wollten unsere Kinder zu selbstbewußten, neugierigen, selbstbestimmten, solidarischen Menschen erziehen. Diese alternativen, politischen, pädagogischen Konzepte realisierten sich teilweise erst in der sich bald etablierenden Kinderladenbewegung. Die wollten ähnliche pädagogische Alternativen in ihren Einrichtungen praktizieren, bis hin zum Versuch einer sozialistischen Erziehung. Ernst Bloch sagte damals in den 60er Jahren: "Es gibt nur Karl May und Hegel - alles andere sind Mischformen." Das gilt bis heute, insbesondere für die Elterninitiativen.
Zurück nach Köln: Schon im November 1969 zog dann eine kleine Gruppe von ca. 12 Kindern in die Räume der Familie Fuchs am Brüsseler Platz 12 ein. Der erste Kinderladen in Köln. Mit dem aus heutiger Sicht malerischen Namen "Sozialistisches Kinderkollektiv Köln I". Für die damalige Zeit üblich, spaltete dieser sich auf in die Kinderläden Friesenstraße und Mainzerstraße 80. Es folgten sehr bald 11 weitere Kinderläden. Bis zum Jahre 1974 mit starker Beteiligung der Eltern an der täglichen und inhaltlichen Arbeit. Dieses Prinzip der elterlichen Mitarbeit und Mitwirkung reduzierte sich bald erheblich. Das Fachpersonal sollte es richten.
Bei der Feier zum 40-jährigen Bestehen von Elterninitiativen in der vergangenen Woche waren sie es, die Leiterinnen und Erzieherinnen, die die Sorgen der Einrichtungen und über die Gefährdung derselben vortrugen. In dieser Woche zeigten sich schon erste Ansätze, sich gegen die Schließungen mit Eingaben und Demonstrationen zu wehren... "Alles wieder auf Anfang?"
Online-Flyer Nr. 47 vom 06.06.2006
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