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Kommentar
Kurzkommentar vom Fuße des Blauen
Lizenz zum Töten
Von Evelyn Hecht-Galinski

Was verbindet die "einzige Demokratie" im Nahen Osten und "das einzige stabile Regime" im Nahen Osten? Beide unterdrücken Völker. Der israelische Staat, die Palästinenser, das ägyptische Regime seine Bürger. Die Ägypter leiden unter dem brutalen Folter-Regime von Mubarak und Suleiman und ihren Helfern, die Palästinenser unter einer israelischen Staatsmacht, die an Unterdrückungsmethoden ihresgleichen sucht. Was ist also der Unterschied zwischen  Mubaraks korruptem, mit unseren westlichen Milliarden "hochgepäppeltem" Regime und Israel, das auch nur am US-Tropf und milliardenschweren Waffenlieferungen hängt?
 
Mubarak raubt sein Volk massiv aus und Israel beraubt das palästinensiche Volk. Stellen wir fest: Das Volk vom Tahrir -Platz bis nach Ramallah, das Volk will den Wandel. Wie meinte Kanzlerin Merkel, in ihrer blumigen  "Sprechblasen"- Sprache und vergaß dabei nicht, sich  Ihrer eigenen Biographie zu bedienen: "Wandel muss gestaltet werden". Frau Merkels Gestaltungswillen kennen wir zu Genüge und sie sollte diesen dem ägyptischen Volk ersparen.
 
Es erscheint mir mehr als komisch, wenn gerade die aus dem Osten stammende Frau Merkel Widerspruch zwischen Menschenrechten und Stabilität herzustellen  versucht. Nach Ihrer Logik hätte Honecker nahtlos an Egon Krenz weitergegeben, und eine "Demokratische Republik" wäre weitergeführt worden, mit Stasi und Bautzen. Nicht umsonst fährt das ägyptische Regime seinen Kontrollapparat wieder hoch: Einschüchterungen, Festnahmen und Konfiszieren von Kameraausrüstungen von Journalisten (72 befinden sich angeblich noch in Haft), zunehmende Feindseligkeiten gegenüber Ausländern, damit die "alte " Ordnung wieder einziehen kann. Diese Maßnahmen zeigen doch nur, wie gleich der neuernannte Vize und ehemalige Chef des Geheimdienstes, Omar Suleiman, das neue"stabile" System vertritt.
 
Übrigens hat derselbe Suleiman, schon seit Jahren in der Welt die Muslim-Bruderschaft mit falschen Anschuldigen dämonisiert. Und ihm wird also nun mit unserer demokratischen Hilfe erlaubt werden, das brutale Unrechtssystem weiter fortzuführen, ebenso wie wir es vermeiden Israel zu kritisieren. Beide Regime können sich unserer weiteren Unterstützung sicher sein, alles für die sogenannte Stabilität und einen sogenannten Frieden. Tatsächlich ist beides so verlogen, wie die gesamte "West-Interessen-Wirtschaftspolitik".
 
Der deutsche Außenminister Westerwelle hat Sätze parat wie: "Wir als Demokraten stehen an der Seite der Kräfte für einen demokratischen Neuanfang." Hat er das von seinem Freund, dem israelischen Außenminister Lieberman? EU-Außenministerin Ashton scheint ebenso untergetaucht wie die 40 Milliarden Mubarak-Geld, die sofort "eingefroren" werden sollten. Er gehört auch nicht als "Asylant" nach Baden Baden in die luxuriöse Grundig-Klinik auf der Bühler Höhe, sondern vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag! Sein Folterknast Mucharabat existiert weiter und macht auch vor westlichen Journalisten nicht halt, und die israelischen Hochsicherheits-Foltergefängnisse für Tausende unschuldiger Palästinenser existieren auch weiter.
 
Pikanterweise wurde die israelische Journalistin Anat Kam am Sonntag wegen Spionage schuldig gesprochen. Ihr Vergehen? Sie hatte mutiger- und dankenswerter Weise hunderte "geheime" Militär Dokumente kopiert und an die israelische Zeitung Haaretz weiter gegeben. Glücklicherweise hatte der nach London geflüchtete Haaretz Reporter Uri Blau diese Papiere unter dem Titel:"Lizenz zum Töten" schon veröffentlicht. Sie zeigten in schonungloser
Offenheit wie das israelische Militär rücksichtslos entgegen einer Entscheidung des höchsten Gerichts "terrorverdächtige" Palästinenser in der Westbank "exekutierte".
 
Merke, was also unterscheidet die "einzige" Demokratie und eine Diktatur voneinander? NICHTS! Beide unterdrücken unrechtmäßig mit aller Willkür und Macht. Wie lange wollen wir diese Zustände noch unterstützen? Solange die westlichen Regierungen keinen Druck auf Ägyptens Mubarak-Regime ausüben, hat die Demokratie dort keine Chance, und solange der Westen keinen Druck auf Israel ausübt, haben die Palästinenser keine Chance. Wie lange werden wir noch bereit sein unsere Gelder und unsere Soldaten zu "vergeuden"? Es gibt keinen Widerspruch zwischen Demokratie und Stabilität, aber es gibt einen Widerspruch zwischen Scheinheiligkeit und einer "sauberen, demokratischen Lösung", die wir tunlichst vermeiden. Wir machen uns schuldig! Wie sagte vor einer Woche? Der Nahe Osten brennt und Deutschland pennt! Nein, der Nahe Osten brennt und die Welt pennt. (PK)

Evelyn Hecht-Galinski, ist Publizistin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Mit diesem Kommentar setzt sie ihre Serie fort, die sie "vom Fuße des Blauen", ihrem 1186 m hohen "Hausberg" im Badischen, schreibt.


Online-Flyer Nr. 288  vom 08.02.2011

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