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Globales
Gemeinsam ökonomisch-ökologische Sicherheit schaffen 1/3
Russland und die Europäische Union
Detlef Bimboes und Joachim Spangenberg
Zu den Ursachen der Konflikte zwischen Russland und der EU
Online-Flyer Nr. 286 vom 26.01.2011
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Globales
Gemeinsam ökonomisch-ökologische Sicherheit schaffen 1/3
Russland und die Europäische Union
Detlef Bimboes und Joachim Spangenberg
Zu den Ursachen der Konflikte zwischen Russland und der EU
Will man das schwierige Verhältnis zwischen Russland und der EU, aber auch den USA, besser verstehen, so sollte man noch einmal seinen Blick auf den KSZE-Prozess aus den siebziger Jahren richten, der zu Zeiten der bipolaren Weltordnung wichtige Zeichen für Zusammenarbeit und Verständigung setzte, die dann in den Turbulenzen des Untergangs der Staatengemeinschaft des Warschauer Vertrags an Bedeutung verloren. In der Folgezeit wurde dann der Übergang zu einer Strategie von Einmischung, Eindämmung und Einkreisung gegenüber Russland eingeleitet.
Allerdings tauchte der KSZE-Prozess an anderer Stelle noch einmal auf. So hat die EU mit den Mittelmeeranrainerstaaten im Jahre 1995 eine „strategische Partnerschaft“ - auch „Barcelona-Prozess“ genannt und seit 2008 in eine „Union für das Mittelmeer“ umgewandelt - vereinbart, die in Analogie zum KSZE-Prozess die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Entwicklung, u.a. Tourismus, Verkehrs- und Energiepolitik beinhaltet. Oberstes Ziel ist es, einen gemeinsamen Raum für Frieden, Stabilität und gemeinsamen Wohlstand im Mittelmeerbecken zu schaffen. Wenn auch die Realität inzwischen die Vertragsabsichten streckenweise – wie seit langem die Flüchtlingspolitik im Mittelmeerraum oder jüngst die blutigen Unruhen im machtstaatlich und autoritär regierten Tunesien zeigen - untergräbt, so bleibt doch festzuhalten, dass sich die EU mit Blick auf Russland und weitere östliche Nachbarn für eine andere Strategie entschieden und einen solchen Vertrag nicht abgeschlossen hat, obwohl gerade die KSZE_Schlussakte von Helsinki dafür eine gute Grundlage geboten hätte.
Sie war ja damals nicht nur von den Staaten des Warschauer Pakts angeregt, mit ausgehandelt und schlussendlich unterzeichnet, sondern sogar noch – soweit ersichtlich - von allen Nachfolgestaaten des auseinander gebrochenen Vertrags unterschrieben und damit bekräftigt worden. Auch hier wäre mit den nun an die EU grenzenden Staaten eine Kooperation zum gegenseitigen Vorteil längerfristig viel versprechend und plausibel. Immerhin deckt die EU ca. 20 Prozent ihres Bedarfs an Erdöl und ca. 45 Prozent ihres Bedarfs an Erdgas allein aus Russland. Demgegenüber importiert sie viel weniger aus Nordafrika. Libyen liefert ca. 10 Prozent des Bedarfs an Rohöl (2007) und Algerien ca. 16 Prozent des Bedarfs an Erdgas (2007). Und schließlich haben die GUS-Wirtschaftsgemeinschaft - bestehend aus Russland, der Ukraine, WeißRussland und Kasachstan - und die Europäische Union mit den drei führenden Ländern Frankreich, Deutschland und Italien weitaus mehr konvergierende Eigeninteressen als strategische Differenzen.
Alle Staaten beider Wirtschaftsgemeinschaften können nur jenseits des Militärischen in der zivilen politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit gewinnen. Die Gründe, weshalb es zu solch einem Vertrag nicht kam, können
Steinmeier: Wollte "Energie-
KSZE" statt "Energie-NATO"
Foto: R. Grothues/pixelio
überwiegend nicht Russland angelastet werden. Nach dem turbulenten Zusammenbruch der Staatengemeinschaft des Warschauer Vertrags wurde seitens der USA, aber auch dem Kreis alter und neuer europäischer Eliten rasch nach Mitteln und Wegen gesucht, Russlands Aufstieg zu einem neuerlichen wirtschaftlichen und politischen Machtfaktor auf dem eurasischen Kontinent entweder zu verhindern oder wenn doch, dann möglichst klein zu halten. Im Rahmen dieser Strategie des Einkreisens, Aufmischens und Eindämmens Russlands werden zugleich Differenzen zwischen der EU, einzelnen Mitgliedstaaten und den USA sichtbar. Sie sind wichtig, um Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten besser herausarbeiten zu können.
Steinmeier: Wollte "Energie-
KSZE" statt "Energie-NATO"
Foto: R. Grothues/pixelio
So ist die Europäische Kommission ein inzwischen großer, zunehmend global handelnder Akteur auf der politischen und wirtschaftlichen Bühne geworden. Unterschiedliche politische Facetten im Kräfteparallelogramm können aber nicht verbergen, dass sie durch den Neuzutritt vieler osteuropäischer Staaten „östlicher“ geworden ist, was seinen Ausdruck in einem schwierigeren Verhältnis gegenüber Russland gefunden hat, woran insbesondere auch das Europäische Parlament seinen Anteil hat. Zugleich werden viele ihrer Entscheidungen immer noch maßgeblich von den drei führenden Ländern Frankreich, Deutschland und Italien und ihren Interessenlagen bestimmt. Parallel dazu verfügen die einzelnen Mitgliedstaaten in wichtigen politischen und wirtschaftlichen Fragen, wie denen im Energiebereich, weiterhin über große, eigene Gestaltungsmöglichkeiten. Deshalb ist die Gemeinschaftspolitik häufig von Differenzen und Widersprüchen auf einzelstaatlicher Ebene begleitet, wobei zugleich europäische und einzelstaatliche Wirtschafts- und Konzerninteressen in Widerspruch zu politischen und wirtschaftlichen Interessen außereuropäischer Akteure wie den USA geraten können.
Deren nationale Gesamtstrategie des Einkreisens und Eindämmens fügt sich in das unipolare Konzept einer Hegemonialordnung ein, wie es von Zbigniew Brzezinski in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ entwickelt wird. Um diese Strategie durchzusetzen, wird dafür – beschränkt sich der Blick auf die EU - sowohl nach Gemeinsamkeiten auf EU-Ebene und, wo immer erforderlich, auch auf einzelstaatlicher Ebene nach Bündnispartnern gesucht. Ein wichtiges Element dieser Strategie ist, alles abzuwehren, was den Einfluss der USA in Europa schwächen und ein starkes, bestimmendes Russland auf dem eurasischen Kontinent begünstigen könnte. Deutlich wurden die Differenzen beispielsweise in den weiter unten dargelegten Streitigkeiten im Bereich der Energieversorgung. So wurde auf der NATO-Sicherheitstagung 2007 in München für eine sichere Energieversorgung das aggressive Konzept einer „Energie-NATO“ vor allem von Polen und den USA gefordert. Dagegen stand das mehr auf Kooperation basierende Konzept einer „Energie-KSZE“, für das der damalige SPD-Außenminister Franz-Walter Steinmeier warb und wofür sich auch Gasprom verwendete.
Neue Bedrohungen statt Vereinbarungen
Nimmt man alles zusammen, dann lassen sich vor allem folgende Gründe nennen, weshalb bislang solch ein Vertrag nicht zustande kam:
Eine fundamentale Änderung von Selbstverständnis, Ausrichtung und Strategie der NATO nach der Auflösung des Warschauer Vertrags 1990/91 und damit des ursprünglich auf Verteidigung ausgelegten Militärbündnisses. Die veränderten Zielsetzungen ließen an Stelle militärischer Bedrohung neue Arten von Bedrohungen und Risiken - wie die einer gestörten Energie- und Rohstoffversorgung - treten und die eine Aufrechterhaltung des militärisch-industriellen Komplexes rechtfertigen. Die Mitgliedstaaten der NATO rüsteten weiter auf mit neuen und bedrohlichen Waffensystemen. Besondere Bedeutung kam in diesem Kontext der ausgedehnten Osterweiterung der NATO sowie dem von ihr gestützten Raketenabwehrschild zu. Russland fühlte und fühlt sich von diesen Entwicklungen bedroht;
Die teilweise erfolgreiche Strategie der USA, die Öl- und Gasressourcen in der kaspischen Region, dem „Filetstück“ des „eurasischen Balkan“ wie es Brzezinski formulierte, unter ihre Kontrolle zu bringen und Russland aus seinem ehemals „weichen Unterleib“ zu verdrängen und damit von Zentralasien, vom Süd-Kaukasus und dem Iran zu trennen. Eine tragende Säule dafür sind die Pipelines Baku-Tiflis-Erzurum (Erdgas) und Baku-Tiflis-Ceyhan (Erdöl) mit Georgien als politischem Anker der USA im Südkaukasus; Milliardenschwere Anstrengungen der EU, um einen stabilen euroasiatischen Transportkorridor zu schaffen, der Russland umgeht und vom Kaspischen Meer über Aserbeidschan, Georgien und den Balkan nach Westeuropa führt. Er soll vor allem für eine Diversifizierung von Bezugsquellen für Öl und Gas aus der Kaspi-Region sorgen und die EU unabhängiger von russischen Lieferungen machen;
Der Beginn zunehmend härter geführter strategischer Auseinandersetzungen ab dem Jahr 2000 über die Art und Weise der Zusammenarbeit mit Russland im Bereich der Energieversorgung. Dieser Zeitpunkt markiert die Proklamation einer weitreichenden Energiepartnerschaft EU-Russland durch den ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Prodi. Dies löste tiefgreifende Auseinandersetzungen zwischen euroatlantischen, mit den USA fest verbündeten Kräften aus und jenen, die vor dem Hintergrund der auf weite Strecken von Krisen und schrecklichen Kriegen begleiteten Geschichte West- und Nordeuropas (siehe Schweden, Frankreich, England und Deutschland) mit Russland auf langfristige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Ausgleich und wechselseitigen Vorteil setzen;
Elbros-Gebirge im Kaukasus
Foto: Michael/pixelio
Forderungen der EU nach einer Reform der russischen Öl- und Gasindustrie und deren Liberalisierung und Privatisierung. Sie spiegeln den Wunsch der Energiewirtschaft wider, die russischen Energieressourcen nicht nur zu nutzen, sondern auch zu besitzen und so die Kontrolle über die Preise zu erlangen. Der Schlüssel dafür ist der Energie-Charta-Vertrag, den etliche Staaten der Kaspi-Region bereits unterzeichnet haben, nicht jedoch Russland und die USA. Er verpflichtet die Unterzeichner auf die Privatisierung der Ressourcenvorräte wie der Transitwege, sowie auf die freie Transferierbarkeit der in einem Land erwirtschafteten Gewinne;
Elbros-Gebirge im Kaukasus
Foto: Michael/pixelio
Forderungen der EU nach einer Reform der russischen Öl- und Gasindustrie und deren Liberalisierung und Privatisierung. Sie spiegeln den Wunsch der Energiewirtschaft wider, die russischen Energieressourcen nicht nur zu nutzen, sondern auch zu besitzen und so die Kontrolle über die Preise zu erlangen. Der Schlüssel dafür ist der Energie-Charta-Vertrag, den etliche Staaten der Kaspi-Region bereits unterzeichnet haben, nicht jedoch Russland und die USA. Er verpflichtet die Unterzeichner auf die Privatisierung der Ressourcenvorräte wie der Transitwege, sowie auf die freie Transferierbarkeit der in einem Land erwirtschafteten Gewinne;
Der Beginn harter Auseinandersetzungen im Bereich der Energieversorgung ab der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts über die Höhe von Transitgebühren, Lieferbedingungen und offenen Rechnungen zwischen Russland und der Ukraine (Erdgas) sowie Weißrussland (Erdgas, Erdöl). Russland kündigte die aus der Sowjetära stammenden Vorzugsbedingungen und verlangte – wie auch von der EU-gesponserten Energiecharta vorgesehen – Weltmarktpreise, was den Westen zu wenig glaubwürdigen Protesten veranlasste. Zeitweilig führte der von der Ukraine mit zu verantwortende Streit (Jahreswende 2005/2006, 2007/2008 und 2008/2009) zu Unterbrechungen der Erdgasversorgung nach Westeuropa und löste vor allem Versorgungsengpässe in südosteuropäischen Ländern aus. Von politischen Beobachtern wurde nicht ausgeschlossen, dass der Gasstreit von der Ukraine dafür ausgenutzt werden sollte, die Bevölkerung von einem raschen Nato-Beitritt zu überzeugen. Entsprechende Streitigkeiten zwischen Weißrussland und Russland für Erdgas (12/2006 und 06/2010) hatten auf die Erdgasversorgung Westeuropas keinen nennenswerten Einfluss, lediglich Litauen war davon 2010 stärker betroffen. Der mehrtägige Lieferstopp für Erdöl im Januar 2007 durch den russischen Konzern Transneft entzündete sich an Zollstreitigkeiten. Er führte dazu, dass über die Drushba-Pipeline kein Erdöl mehr Westeuropa erreichte, was aber keine unmittelbaren Engpässe in Westeuropa auslöste. Zu Beginn des Jahres 2010 wurden erneute Zollstreitigkeiten durch ein neues Öl-Abkommen zwischen beiden Ländern beigelegt. Insgesamt führten diese Ereignisse in der EU und insbesondere in den baltischen Staaten und Polen zu großenteils hysterischen Reaktionen in Politik und Medien, die vor allem historisch tief sitzende, antirussische Ressentiments bedienten als der tatsächlichen Problematik angemessen waren;
Die zunehmende Bedeutungslosigkeit der OSZE als politischer Plattform für eine notwendige gesamteuropäische Friedens- und Sicherheitsordnung, wofür hauptsächlich die EU und USA verantwortlich zu machen sind. Die EU und die USA wollen die OSZE vor allem auf mehr Engagement für Demokratie und Menschenrechte verpflichten und sie in Fragen der Sicherheitspolitik möglichst auf rein regionales Konfliktmanagement beschränken. Themen wie Rüstungskontrolle, gemeinsame Sicherheit und politische Kooperation sollen nicht mehr in diesem Rahmen behandelt werden. Beide wollen vermeiden, dass die OSZE Kompetenzen der NATO übernimmt und diese, was richtig und sinnvoll wäre, langfristig überflüssig macht. Die Gipfelkonferenz von Anfang Dezember 2010 in Astana/Kasachstan bestätigte erneut diese, dem ursprünglichen Auftrag der OSZE zuwiderlaufende Politik;
Militärische Auseinandersetzungen zwischen Georgien und Russland im August 2008 wegen Süd-Ossetien. Der seit langem anhaltende Versuch Georgiens - das militärisch enge Verbindungen zur NATO hält - scheiterte, die abtrünnige Provinz nun gewaltsam in den georgischen Staatsverband zu integrieren. Russland machte klar, dass es nicht bereit war, weiteren Geländegewinn für die NATO hinzunehmen und dass der Status quo von Süd-Ossetien einseitig geändert wird;
Die politische und mediale Instrumentalisierung von Menschenrechtsfragen, Demokratiedefiziten, autoritärer Innenpolitik etc. insbesondere in Russland, aber auch in zentralasiatischen Staaten. (HDH)
Unser Startbild ist von Michel/pixelio
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