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Lokales
Neue Kölner Erwerbslosen-Organisation gegründet
Die Löwen kommen
Von Hans-Dieter Hey

Vor einigen Tagen wurde in Köln eine neue Erwerbslosen-Organisation gegründet. Entlehnt aus dem Lateinischen LEO – der Löwe – nennt sie sich „Linke Erwerbslosen Organisation“. Sie hatte am 25. November ihren erste Flash-Mob zum Kölner Rathaus. Für viele Kölnerinnen und Kölner könnte LEO künftig existenziell wichtig werden.

Ausgrenzung und Verarmung geht weiter

Dass die SPD in diesen Tagen die Regelsatzerhöhung bei Hartz IV um ganze fünf Euro als Lottospiel der Regierung Merkel bezeichnete, wo sie doch selbst im Jahr 2004 eine mehr als fragwürdige Vorlage geboten hatte, hilft den Erwerbslosen in Köln nicht wirklich weiter. Denn die Erhöhung um fünf Euro ist eigentlich eine Kürzung. Landauf, landab wird der Betrug an den Erwerbslosen breit diskutiert. Das ist Bundesangelegenheit. Viel stärker unter Druck – und das wissen die wenigsten – kommen Erwerbslose durch Landes- und Kommunalregelungen.

Beispielsweise war es einer der ersten Amtshandlungen des ehemaligen DGB-Landesvorsitzende Guntram Schneider (SPD) kurz nach seinem Antritt

Kämpferisch: Elisabeth Sachse
als Arbeits- und Sozialminister in NRW, die Obergrenzen für arbeitslose Einzelpersonen von 47 qm auf 45 qm zu senken. Die 3-Quadratmeter-Kürzung hört sich nach nicht viel an, hat aber weitreichende Konsequenzen. Denn es sinkt damit auch die zulässige Quadratmeterzahl für Familien. Und es kann noch schlimmer kommen: Die Kommunen könnten künftig die Erwerbslosen zwingen, den nun angeblich zu hohen Teil der Mieten aus dem Regelsatz von derzeit 359 Euro selbst zu zahlen. Ähnliche Folgen gelten auch für Mietnebenkosten. Erwerbslose bleiben wahrscheinlich auf ihren Nachzahlungen beim Warmwasser sitzen, wenn die jährliche Endabrechnung eintrudelt. Schon droht neue Arbeit für die Sozialgerichte, denn LEO sieht die Kölner Praxis der Verrechnung der Warmwasserkosten als rechtswidrig an.

LEO-Sprecherin Elisabeth Sachse erwartet deshalb nichts Gutes: „Schon jetzt werden Sozialgerichtsurteile von der ARGE als richterliche Einzelmeinung dargestellt und die Erwerbslosen genötigt, trotz gleicher Urteile alles wieder neu einzuklagen.“ Gerade die Wohnungsfrage könnte die Nagelprobe für den sozialen Frieden in Köln sein, wenn „Erwerbslose gezwungen sind, in schlecht beheizten Löchern zu wohnen“ und sie „noch zusätzlich bestraft werden, in dem sie die überhöhten Preise der Energiekonzerne und der Vermieter sich vom Munde absparen“, heißt es im Flyer von LEO.


Für Erwerbslose kein roter Teppich vorgesehen...

Noch ein Beispiel aus der Kommune. Der Bundesrechnungshof hatte bemängelt, dass von den bundesweit 1,03 Mrd. Euro für die Maßnahmeträger der ARGEn zwei Drittel an die Maßnahmeträger fließen, aber nur ein Drittel an die Erwerbslosen, die sich in Maßnahmen befinden. Hierzu zählen beispielsweise auch fragwürdige Ein-Euro-Jobs oder Bildungsmaßnahmen. Für die Maßnahmeträger der Stadt Köln beispielsweise bedeutet die Kürzung der Mittel für Integrationsmaßnahmen aber den Abbau von achtzig Stellen in der Betreuung und Beratung. Kommunale Fragen, die Erwerbslose unmittelbar und vor Ort zu ihrem Nachteil betreffen können.

LEO setzt auf mehr Widerstand

Im Jahr 2008 hatte die ehemalige CDU-Landesregierung 65 Erwerbslosenberatungen zerschlagen. Ins Gerede kam der damalige Arbeits- und Sozialminister Karl Laumann (CDU) damit, Beratungen von Erwerbslosen als „Paralellstruktur“ zu bezeichnen. Sein Fehlgriff hatte allerdings mit demokratischen Formen nichts mehr gemein und passte in das antidemokratische Denksystem der CDU, Erwerbslosen bei Rechtshilfeersuchen auch noch mit Gebühren zu belasten.

Die Beispiele machen allerdings deutlich, wie existenziell notwendig für viele Erwerbslose Information und unabhängige Beratung inzwischen geworden sind. Denn dass die ARGE-Beratung im Interesse  der Betroffenen handelt, dürfte mehr als fraglich sein. Das haben die Opfer von falschen Bescheiden oder Sanktionen am eigenen Leib erfahren. Beratung von Erwerbslosen leistet die Linkspartei mit ihrer Sozialberatung inzwischen seit über zwei Jahren neutral und in qualifizierter Form. LEO fühlt sich zwar der Linkspartei nahe und arbeitet mit der Sozialberatung zusammen, „möchte aber auf jeden Fall unabhängig bleiben“, betont Elisabeth Sachse.


...auf dem Weg zum Kölner Rathaus
Fotos: Hans-Dieter Hey


„Information und Beratung sind für LEO Voraussetzung für den Aufbau einer schlagkräftigen Erwerbslosen-Organisation, damit die Betroffenen selbst ihre Interessen vertreten und durchsetzen können“, so Sachse. Das klingt überzeugend. Auch LEO sei entstanden aus ehemaligen ArbeiternehmerInnen, Selbständigen, AkademikerInnen, Alleinerziehenden oder Menschen über 55, wird in Faltblatt betont. Das Gemeinsame? „Uns verbindet, dass wir benutzt werden, um Löhne zu drücken und hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte abzubauen.“

Am 25. November wurde der erste kleine Flash-Mob durchgeführt, der sich – wie Elisabeth Sachse hofft – „bald zum Erwerbslosenmarsch vergrößern darf. „Bei 120.000 Empfängern von Hartz IV in Köln könnte künftig da noch deutlich mehr sein.“ Bei diesem ersten Mal war der Anlass, allen deutlich zu machen, wie die Stadt Köln unter der rot-grünen Regierung zu Lasten der Erwerbslosen die Warmwasserkosten kürzt. „Wir fordern die Stadt Köln auf, diese Politik, die Erwerbslose weiter in die Verarmung treibt, sofort zu beenden“, wird kämpferisch gefordert. Vermutlich wird Köln von den Löwen noch mehr hören. (HDH)            


Der Kreisverband Die Linke.Köln bietet eine Sozialberatung an. Kölner Bürgerinnen und Bürgern wird bei Problemen und Konflikten rund um die Themen Arbeitsplatz, Grundsicherung, Sozialhilfe und Miete geholfen. Telefonnummer (0221) 240 60 95, eMail: buero-kv-koeln@die-linke.org. Terminvereinbarung ist notwendig. Öffnungszeiten: Mittwoch, 10:00 - 13:00 Uhr, offene Beratung. Unter dieser Anschrift ist auch LEO erreichbar.


            

Online-Flyer Nr. 278  vom 01.12.2010

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