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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Arbeit und Soziales
Arges aus der ARGE Koblenz
Falsche Bescheide und Inkompetenz
Von Hans-Dieter Hey

Seit der schlampigen Einführung der Hartz-IV-Gesetze durch die rot-grüne Bundesregierung von Gerhard Schröder im Jahr 2005 reißen die Klagen daran nicht ab. Die Entrechtung, Entwürdigung und Erniedrigung Erwerbsloser spiegelt sich immer wieder neu in ihrer miserablen Behandlung und den Bescheiden der ARGEn wider. Mit einem offenen Brief an den Koblenzer ARGE-Chef Ackermann klagt die Beratungsstelle Nemesis die ARGE an, falsche Bescheide auszustellen und die Betroffenen unzureichend zu informieren.



Aufregung um Koblenzer ARGE-Bescheide
Quelle: Nemesis/Dr. Peter Uphus


        Offener Brief
Die »vollziehende Gewalt« ist an »Gesetz und
Recht gebunden« (Art. 20IIIGG) - das hat auch
für die ARGE der Stadt Koblenz zu gelten!

 

Sehr geehrter Herr Ackermann,

in zunehmendem Maße wenden sich Bezieher von Arbeitslosengeld II oder deren Angehörige, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Koblenzer Beratungsstellen an unseren Verein mit der Bitte um Rat und Unterstützung in Angelegenheiten, die Ihr Haus betreffen, dem Sie als Geschäftsführer und damit als Verantwortungsträger vorstehen. Hierbei werden uns immer wieder gravierende Rechtsverstöße seitens der ARGE für die Stadt Koblenz bekannt. So wird uns, um nur einige Beispiele zu nennen, berichtet, daß die ARGE für die Stadt Koblenz Hartz-IV-Betroffene in der Regel nur über deren Pflichten, nicht aber über deren Rechte aktiv informiert und berät, obwohl sie hierzu nach § 411 SGB II i.V.m. §§ 14,15 SGB l verpflichtet ist;

daß seitens der ARGE für die Stadt Koblenz Beistände zurückgewiesen werden, obwohl die Hartz-IV-Betroffenen nach § 13 IV SGB X einen Anspruch darauf haben, bei allen »Verhandlungen und Besprechungen« mit einem Beistand zu erscheinen; 

• daß die ARGE für die Stadt Koblenz sich weigert, rechtskräftige Rechtstitel, die in einem gegen sie geführten Gerichtsverfahren erwirkt wurden, zu erfüllen;

daß die ARGE für die Stadt Koblenz ohne Gesetzesgrundlage handelt, indem sie bereits heute schon Bescheide erläßt mit Bezug auf ein Gesetz, das noch nicht in Kraft getreten ist.



Quelle: Nemesis/Dr. Peter Uphus

Wirft man einen Blick in die Geschäftsberichte der ARGE für die Stadt Koblenz für die Jahre 2007, 2008 und 2009, so muß man mit Bestürzung feststellen, daß diese seit Jahren falsche Bescheide erläßt, die in der Regel zu Lasten der Arbeitslosengeld-II-Bezieher gehen, und dies in einem Aus­maß, das einem »modernen Dienstleistungsuntemehmen« mit sogenannter »Kundenorientierung« nur Hohn spricht. So waren, abzulesen an den erfolgreichen Widersprüchen, im Jahr 2007 34,6 % der Bescheide falsch, im Folgejahr 2008 waren es sogar 34,9 % und im letzten Jahr 32,6 %. Rechnet man die erfolgreich geführten Klagen hinzu (2007: 9,1 %; 2008: 8,3 %; 2009:9,3 %), so war nachweislich mindestens jeder dritte Bescheid falsch. Das ist so, als müßte jedes dritte Auto, das vom Fließband läuft, wegen Mängel wieder zurückgenommen werden. Der Unterschied ist nur, die Automobilindustrie tut es aus freien Stücken, Sie aber korrigieren Ihre Bescheide nur, wenn Sie hierzu auf dem Rechtswege per Widerspruch oder Gerichtsentscheid gezwungen werden. Es ist allerdings davon auszugehen, daß die Zahl weitaus größer wäre, wenn alle Betroffenen sich zu Wort melden und zur Wehr setzen würden, was sie aber vielfach nicht tun, sei es aus Scham, Unkenntnis oder auch aus Angst, zukünftig noch mehr als bisher durch die ARGE drangsaliert zu werden.

Wir möchte Sie bitten, uns und der interessierten Koblenzer Öffentlichkeit mitzuteilen, was Sie zu tun gedenken, um diesen unerträglichen Zustand abzustellen, der ja nicht nur Ausdruck eines hochgradigen Versagens Ihrer Einrichtung ist, sondern auch, und dies ist das eigentlich Schlimme, eine eklatante Mißachtung der Menschenwürde darstellt.

Des weiteren möchten wir Sie bitten, dort, wo Sie als Grundsicherungsträger Verantwortung zu tragen haben, sie auch tatsächlich wahrzunehmen. Und dies hieße zuerst und vor allem, sich schlicht und einfach an das zu halten, was Ihnen Gesetz und Recht vorgeben. Allein damit wäre vielen Betroffenen schon ein Stück weit geholfen, und zwar unabhängig von der Frage, wie man zu Hartz
IV generell steht. Wenn Ihnen hierfür nicht genügend Personal zur Verfügung stehen sollte, dann sollten Sie für mehr Personal sorgen und dafür, daß deren Arbeitsbedingungen verbessert werden. Und wenn das Personal nicht über die Qualifikation verfügt, die es für eine, um einmal Ihren Jargon zu bemühen, »kundenfreundliche« Betreuung benötigt, dann sollten Sie es besser qualifizieren. Tragen Sie also dafür Sorge, daß Ihr Personal über einschlägige Rechtskenntnisse verfügt und über die erforderliche sozial-kommunikative Kompetenz, so daß es endlich instand gesetzt wird, Ernst zu machen mit der Rede vom »König Kunden«, wie falsch diese auch immer sein mag. (HDH)

Mit freundlichem Gruß
Prof. Dr. Michael Wolf
Nemesis - Koblenzer 
Arbeitskreis Hartz IV
12. November 2010



Online-Flyer Nr. 276  vom 17.11.2010

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