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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Globales
Kriminalisierung gewaltfreien Widerstands in den besetzten Gebieten
Israelische Militärjustiz
Von Peter Kleinert

Abdallah Abu Rahmah - Koordinator des zivilgesellschaftlichen Widerstands in Bil'in in den besetzten Gebieten von Palästina - ist von einem israelischen Militärgericht zu 12 Monaten Haft und zu einer Geldstrafe von 5000 Schekel (etwa 1.000 Euro) verurteilt worden. Während des monatelangen Verfahrens hatten auch Bundestagsabgeordnete von SPD und Linkspartei gegen den Prozess wegen „Aufwiegelung“ sowie „Organisation und Teilnahme an illegalen Protesten“ protestiert. Die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) spricht von einem „skandalösen Urteil“, durch das „die Bewegung des gewaltfreien Widerstands um ihre Koordinatoren gebracht und systematisch zerschlagen werden“ soll.


Abdallah Abu Rahmah im Gericht
Quelle: www.ipk-bonn.de
 
ILMR-Präsidentin Fanny-Michaela Reisin erklärte in einer Stellungnahme nach der Verkündung des Urteils vom 10. Oktober: „Abdallah Abu Rahmah ist zu Unrecht inhaftiert. Die Beschneidung seiner zivilen Rechte und politischen Freiheiten ist nicht hinnehmbar. Wir fordern von der israelischen Regierung seine umgehende Freilassung. Von der Bundesregierung fordern wir, endlich – wie in anderen Mitgliedsstaaten der EU schon längst geschehen – öffentlich Stellung zu beziehen. Die systematische Verletzung der universellen Menschenrechte und des Völkerrechts durch Israel darf nicht dauerhaft straflos bleiben. Die Rechte der seit 43 Jahren unter Besatzung lebenden palästinensischen Bevölkerung müssen geschützt werden. Verstärkter Druck auf die israelische Regierung und Armee ist nötig.“

Die “Beweise“ für die Verurteilung Abdallah Abu Rahmahs, Koordinator des gewaltfreien Widerstands gegen die Mauer und die Siedlungspolitik in Bil’in, beruhen, wie die ILMR mitteilt, „ausschließlich auf erzwungenen Geständnissen von Minderjährigen, die nachts aus ihren Betten geholt, festgenommen und unter Androhung von Gewalt verhört wurden.“ Neben
den 12 Monaten Haft und der Geldstrafe von 5000 Schekel droht ihm eine zusätzliche Strafe von 6 Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. „Bewährung“ heißt: dem 39 Jahre alten Lehrer und Vater von drei Kindern, der wegen seiner Haltung von vielen mit Mahatma Gandhi verglichen wird. ist es untersagt, während dieser langen Zeit an den wöchentlichen Demonstrationen gegen den israelischen Siedlungs- und Mauerbau auf Bil’iner Land teilzunehmen. Die Kundgebungen der Bevölkerung gibt es in seinem Heimatdorf Bil’in und in anderen Dörfern und Städten seit dem Jahr 2005.


Abdallah Abu Rahmah mit einem seiner Kinder auf einer Kundgebung nahe Bil’in
Quelle: http://palsolidarity.org
 
Ob es bei diesem Urteil bleibt, ist laut ILMR noch nicht sicher. Es bleibe nämlich bisher unter den Forderungen der Militärstaatsanwaltschaft, diese könne jedoch Berufung gegen den Richterspruch einlegen. Andere Beispiele gewaltloser palästinensischer Gefangener zeigten, dass dies zu einer Verlängerung der Haft führen könne. „Mit dem skandalösen Urteil“, so die ILMR, „soll die Bewegung des gewaltfreien Widerstands um ihre Koordinatoren gebracht und systematisch zerschlagen werden.“ Die beweise auch die Erpressung der Geständnisse der beiden Minderjährigen, welche ihre Aussagen bereits widerrufen hätten. „Die praktizierte Willkür der Besatzungsmacht im Umgang mit grundlegenden Rechten der Palästinenser“ lasse „Zweifel am Friedenswillen und an der Friedensfähigkeit der israelischen Regierung aufkommen. Die Liga stellt fest: Die Zerschlagung des zivilgesellschaftlichen Widerstands gegen die Besatzung wird nicht gelingen. Abu Rahmah hat bereits erklärt, dass er weiter für die Rechte seines Dorfs kämpfen wird. Die “Freunde“ Israels in der EU, allen voran die bundesdeutsche Regierung sind aufgerufen, die universellen Rechte Abu Rahmas gegenüber der israelischen Regierung und Armee geltend zu machen, d. h. die Autorität des internationalen Rechts, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Zivilakts über bürgerliche Rechte und politische Freiheiten nachdrücklich und sichtbar zu verteidigen.“
 
Die skandalöse Verurteilung Abu Rahmahs hat auch international zu Kritik geführt, unter andererem seitens der EU-Aussenministerin Catherine Ashton. Den Protesten schlossen sich auch DIE LINKE an, vertreten durch ihre Sprecherin für Menschenrechtsfragen, Anette Groth, sowie der Sprecher der SPD im Menschenrechtsausschuss des Bundestages, Christoph Strässer. Beide forderten in Presseerklärungen die bedingungslose Freilassung Abu Rahmahs. (PK)
 
Einen Brief Abdallah Abu Rahmahs aus dem Gefängnis finden Sie unter http://palsolidarity.org/2010/01/10429/


Online-Flyer Nr. 272  vom 20.10.2010

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