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Aktueller Online-Flyer vom 23. April 2024  

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Kommentar
„Ich schäme mich, mit Israel in Verbindung gebracht zu werden.“
Vergebliche Reise nach Jerusalem?
Von Evelyn Hecht-Galinski

Durch die Presserklärung von Firas Maraghy und seiner Frau Wiebke vom 12. Oktober wissen wir nun ALLE, dass es auch nicht hilft, auf einer "Reise nach Jerusalem" einen führenden deutschen Politiker des Auswärtigen Ausschusses bei sich zu haben - niemand geringeren als Ruprecht Polenz. Israel hat vor Nichts und Niemandem Respekt und missachtet alle Regeln des Anstands und des menschlichen MITEINANDER. - Ein aktueller Kommentar zur Presseerklärung von Firas Maraghy und Wiebke Diehl.
 
Da hungert ein verzweifelter Palästinenser 41 Tage für seine Rechte, die ihm und allen anderen Palästinensern genommen wurden und werden, für seine ihm zustehenden Papiere. Er wollte seine 2009 geborene Tochter Zaynab als Einwohnerin Ostjerusalems registrieren lassen, ebenso seine Ehe mit seiner deutschen Ehefrau Wiebke Diehl. Er forderte nur ihm zustehendes Recht, nach Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Hatte
die israelische Botschaft ihm nicht - nachdem es während des Hungerstreiks immer mehr politische Aufmerksamkeit gab und seine Gesundheit sich zusehends verschlechterte - zugesagt, persönlich ein Ausnahmetreffen zu arrangieren mit dem Direktor der Abteilung für Registrierung und Bürgerstatus beim Ministerium für das Innere, der höchsten Autorität in Israel, die sich mit der Staatsangehörigkeit, dem Einwohnerstatus befasst?
 
Eigentlich konnte man ahnen, was aus diesen Versprechen werden würde. Schließlich ist der "oberste Dienstherr" dieser Behörde Innenminister Eli Jischai, ein rassistisch-religiöser Schas-Fanatiker. Führt nicht dieser Innenminister momentan auch einen "Krieg" an anderer Front, nämlich gegen "Ausländerkinder" in Israel, die seiner Meinung nach eine Bedrohung für den Staat darstellen, die "jüdische Identität" Israels gefährden und eine "demographische Gefahr" darstellen.
 
So kam es wie es kommen musste: Firas, Wiebke und Zaynab flogen am 10. Oktober nach Jerusalem, nahmen die körperlichen und finanziellen Strapazen auf sich, um ihren Teil zu den gegebenen "Versprechungen" beizutragen. Dies taten sie, trotz der festen Überzeugung, dass die israelische Botschaft auch für die Einwohner des nach dem Krieg von 1967 völkerrechtswidrig annektierten Ostjerusalem zuständig für die Registrierung ihrer Ehe ist
und dass diese aus diesem Grund in Berlin vorgenommen werden müsste.
 
Es kam wie es kommen musste: Im Gegensatz zum israelischen Botschafter in Berlin erklärten Amos Arbel und drei ranghohe Mitarbeiter des israelischen Innenministeriums und einer des israelischen Aussenministeriums (Türsteher Lieberman läßt grüssen) Familie Maraghy die israelische (Un)Gesetzeslage so: Firas sei lediglich "Einwohner" Jerusalems, kein Staatsbürger. Arbel wollte auch nicht zur von der Botschaft in Berlin zugesicherten Lösung des Problems beitragen, verweigerte die Registrierung von Firas' Ehe und Tochter mit der Begründung, er könne nicht gegen die Gesetze verstossen. Auf Nachfrage seiner Besucher wußte Arbel angeblich nichts davon, dass das Gespräch und der Besuch zu einer Lösung des Problems führen sollten.
 
Da fragt sich nicht nur Familie Maraghy zu Recht, warum sollte dieser Besuch eigentlich stattfinden? Als Firas Maraghy ihn auf Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hinwies, antwortete Amos Arbel, noch nie etwas davon gehört zu haben. Das glaubt man gern, weil ganz Israel die Menschenrechte offenbar "vergessen" hat. Auch der mitgereiste Herr Polenz konnte zu keiner Lösung beitragen. Ich frage: Machen es sich Politiker, insbesondere deutsche, nicht zu einfach, wenn sie nur guten Willen zeigen, gleichzeitig aber betonen, den "Nahostkonflikt" nicht lösen zu können und sich von Israel einschüchtern lassen?
 
Merke: blinder Philosemitismus ist der neue Antisemitismus! Eine gute Gelegenheit, "Flagge zu zeigen" bietet der heutige Abend, wenn Aussenminister Westerwelle mit seinem Kollegen Lieberman in Berlin zusammentrifft, um eine anstehende gemeinsame Kabinettssitzung vorzubereiten. Also Herr Aussenminister Westerwelle: Es reicht nicht, nur gemeinsam "Monte Christo" zu rauchen und Rotwein zu schlürfen. Wann werden Sie endlich "tacheles" mit diesem ehemaligen "Türsteher und Rausschmeisser", Siedlungsbewohner auf besetzem Gebiet, ehemaligen Moldawier und heutigen "rassistischen-zionistischen-faschistischen" Aussenminister des "jüdischen Staates" reden? Wäre es nicht dieser "spezielle" Aussenminister dieses "speziellen" Staates - wie würden Sie sich dann verhalten?
 
Es ist an der Zeit - auch für die deutsche Regierung -, die speziellen Beziehungen zu beenden und endlich normale zu beginnen. Beziehungen auf gleicher Augenhöhe und ohne "Samthandschuhe". Wir sind den Menschenrechten und dem Grundgesetz verpflichtet - das gebietet unsere Verfassung. Unsere Verpflichtung müssen auch die Rechte des palästinensischen Volkes sein, auch sein Existenzrecht. Auch das sollten unsere Lehren aus der Vergangenheit sein!
 
Firas Maraghy sollte nicht allein sein, in seinem berechtigten Widerstand gegen das Unrecht, das Israel gegen alle durch Besiedelung unterdrückten und blockierten Palästinenser begeht. Als deutsche Bürgerin mit jüdischen Wurzeln schäme ich mich, mit Israel in Verbindung gebracht zu werden. Israel spricht nicht in meinem Namen, erdreistet sich aber, für alle Juden in der Welt zu sprechen. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, dass es immer mehr "jüdische kritische Stimmen" gegen diese israelische Unrechtspolitik gibt. (PK)
 
Evelyn Hecht-Galinski, ist Publizistin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski.
 
 
 
 
 
 
 
 


Online-Flyer Nr. 271  vom 12.10.2010

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