NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

zurück  
Druckversion

Globales
Giorgos Papandreou erhält den Quadriga-Preis für seine Wahrhaftigkeit
Nach einem Jahr voller Lügen
Von Kostas Koufogiorgos

Am vergangenen Sonntag wurde dem griechischen Premier Giorgos Papandreou in Berlin der gesellschaftspolitische "Quadriga-Preis" verliehen. Geehrt wurde er in der Kategorie "Kraft der Wahrhaftigkeit" - für sein Stehvermögen in Zeiten der Finanzkrise und für die Abwendung des Staatsbankrotts Griechenlands. Passender wäre wohl der Münchhausen-Preis gewesen, um den Lügenbaron für sein erstes Amtsjahr auszuzeichnen.


Cartoon: Kostas Koufogiorgos aus der griechischen Wochenzeitung TO PARON
 
Es ist gerade ein Jahr her, da gewann er mit seiner Partei PASOK mit einem historischen Vorsprung vor den bis dato regierenden Konservativen die Wahlen. Sein Wahlkampfmotto lautete: "Wir haben genug Geld". Eine Illusion, der die Griechen nur zu gern glaubten, auch wenn Papandreou, der in den Vereinigten Staaten zur Welt kam, zuweilen Mühe hat, sich in der griechischen Sprache auszudrücken.
 
Lüge Nr. 1:
 
Sein Versprechen hat sich freilich als eine populistische Farce entpuppt. Nach nur wenigen Tagen im Amt zeigte sich der neue Premier überrascht ob der hohen Schulden seines Landes. Das hohe Staatsdefizit sei von der vorherigen Regierung verschleiert worden und ihm nicht bekannt gewesen. So konnte er die zuvor versprochenen Erhöhungen der Beamtenbezüge nicht anordnen, im Gegenteil, es wurde gekürzt.
 
Der Jahresbericht der griechischen Staatsbank hatte bereits vor den Wahlen veröffentlicht, daß ein zweistelliges Defizit zu befürchten sei. Der Chef der Bank bestätigte später, daß er das Parlament über die prekäre Finanzlage informiert hatte. Papandreou sah nach seiner Wahl jedoch keinen dringenden Handlungsbedarf.
Als die Renditen für griechische Staatsanleihen in die Höhe schossen, erklärte er Griechenland kurzerhand zum Opfer einer Attacke von Spekulanten und Propaganda.
 
Lüge Nr. 2:
 
Es war Papandreou, der die griechische Wirtschaft Anfang diesen Jahres mit der Titanic verglich - mehr noch: er verkündete, daß die Existenz der griechischen Nation auf dem Spiel stehe. Die Märkte reagierten dementsprechend unverzüglich. Zu Beginn seiner Amtszeit hätte er noch die Möglichkeit gehabt, sich im Ausland zu marktüblichen Bedingungen Geld zu beschaffen.
Als dieser Schritt unvermeidlich wurde, waren die Zinsen bekanntlich auf über 12% hochgeschossen.
 
Ist es glaubhaft, daß Papandreou die Lösung für die griechische Finanz- und Eurokrise in petto hatte, er aber nicht rechtzeitig auf die Zeichen der Zeit reagierte? Er sicherte zu, daß der Internationale Währungsfonds IWF nicht um Hilfe angerufen werden müsse. Wenig später wurde das Gegenteil verkündet. Denn laut Papandreou ist der IWF nun die einzige Hoffnung auf Rettung, obwohl es sehr wohl möglich gewesen wäre, bereits nach dem Bekanntwerden des Staatsdefizits Geld an den Märkten aufzunehmen.

Als die Rating-Agenturen griechische Staatsanleihen zu Schrottpapieren herunterstuften, war es freilich zu spät. Zur rechten Zeit hätte Papandreou die Möglichkeit gehabt, ein Sparpaket sogar mit Unterstützung der Konservativen auf den Weg zu bringen und sich dadurch das Gezerre um das Euro-Rettungspaket ersparen können, das schließlich auch zu einigen Verstimmungen in Europa führte.
Nachrichtenmagazintitel mit einer den Stinkefinger zeigenden griechischen Statue auf der einen und Nazi-Vergleiche auf der anderen Seite haben - wir erinnern uns - den Ton noch verschärft.
 
Lüge Nr. 3:
 
Mit dem Schnüren des Hilfspakets für Griechenland kam die Kontrolle durch den IWF. Die Versprechen von Papandreou lauteten: Der IWF wird die griechischen Finanzen lediglich ein Jahr lang überwachen. Die Mehrwertsteuer wird nicht angehoben. Die Löhne und Bezüge werden nicht beschnitten. Der nun zu bewundernde Effekt: Der IWF wird auf unbestimmte Zeit die Finanzaufsicht übernehmen. Die Mehrwertsteuer wurde innerhalb weniger Wochen zweimal erhöht. Die Löhne und Renten wurden gekürzt.
 
Die Mißerfolge des Hilfspakets für die Banken und die Käufer griechischer Staatsanleihen können sich sehen lassen: Die Inflation sowie die Arbeitslosenquote ist explodiert. Mittelständische Firmen und Einzelhändler schließen. Die Banken vermelden Liquiditätsprobleme, Kredite an Privatpersonen und kleinere Firmen werden praktisch nicht vergeben.
Keine der Hilfsmaßnahmen ist der Wirtschaft bisher zu Gute gekommen und noch immer ist es für Griechenland praktisch unmöglich, sich bezahlbares Geld zu beschaffen.
 
Lüge Nr. 4:

Papandreou möchte sich als der Premier präsentieren, der für mehr Transparenz im Staatsapparat sorgt und die Korruption bekämpft. So werden seine Kabinettssitzungen nun gelegentlich live im Fernsehen übertragen - richtig volksnah auch schon mal aus einer Lagerhalle und mit Werbeunterbrechungen zwischendurch. Betrüblich nur, daß während seiner kurzen Amtszeit mehr als ein Parteifreund wegen Steueraffären bereits aus dem Amt scheiden mußte.
Waren diese Verfehlungen Papandreou so unbekannt, ihm, der seit den achtziger Jahren Mitglied des Parlaments ist?
 
Lüge Nr. 5:

Die Lasten des Sparpakets sollen gerecht verteilt werden. Fakt ist nur, daß der Staat überhaupt nicht die Strukturen besitzt, um die Steuern regelgerecht einzutreiben. Die Finanzämter verfügen nicht über höhere Beamten, die die Aufsicht übernehmen könnten, vielen Ministerien fehlen trotz aufgeblähtem Beamtenapparat schlichtweg die Verwaltungsstrukturen.
So blüht die Schattenwirtschaft munter weiter und denjenigen, die Steuern zahlen, wird unverhältnismäßig viel Last aufgebürdet.
 
Lüge Nr. 6:

Die ehemalige Regierung unter Kostas Karamanlis hatte einen Vertrag für die Vermietung eines Großteils des Hafens von Piräus unterzeichnet. Dies als chinesische Invasion und Teufelswerk verdammend, sprach sich Papandreou für die Auflösung des Abkommens aus.
In diesen Tagen kann man die beiden Premiers von Griechenland und China erleben, wie sie sich gegenseitig zu den guten Wirtschaftsbeziehungen gratulieren. Der Nutzungsvertrag für den Hafen wurde nicht aufgehoben.
 
Vertrauen der Bevölkerung geht gegen Null
 
Die Liste ließe sich fortführen. Müßig zu erwähnen, daß das Vertrauen der Bevölkerung in das Hilfspaket und in die Regierung gegen Null geht. Ein Indiz sind tausende von Bürgern der Mittelschicht, die aus Angst vor einem wirtschaftlichen Kollaps ihr Geld zu ausländischen Banken bringen. Der schwere Karren muß indes von den Geringverdienern gezogen werden, die diese Möglichkeit freilich nicht haben. 
Fazit: Als Chef einer Sozialistischen Regierung hat Papandreou die neoliberalsten Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Griechenland bisher gesehen hat.
 
Papandreou ist ein überzeugender Redner, jedoch kein Akteur. Er liebt das Reisen. Die Medien reden gern davon, daß er zu Besuch ist, wenn er persönlich am politischen Tagesgeschäft teilnimmt. Vermutlich würde er im Amt des UN-Generalsekretärs brillieren, nicht aber in einem Amt, in dem Führungsstärke gefordert ist.
Die Live-Übertragungen seiner Kabinettssitzungen, inklusive der Werbeunterbrechungen, sind symptomatisch für den Kommunikationsexperten Papandreou. Aber ein Staat ist kein Fernsehkanal.
 
Der Quadriga-Preis wurde ihm am Sonntag vom Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann überreicht. Wie ist es zu erklären, daß er, der keinerlei Vertrauen in das Krisenmanagement Griechenlands hatte, Papandreou nun auf die Schulter klopft?
Papandreou wird sich nicht mit solchen Fragen aufhalten. Er wird seine Trophäe streicheln und sich zu seiner nächsten Auslandsreise aufmachen. Vielleicht kommt er ja bald mal wieder zu Besuch nach Griechenland. (PK)


Online-Flyer Nr. 270  vom 06.10.2010

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE