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Aktueller Online-Flyer vom 28. April 2024  

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Aktuelles
Druck auf Obama mit Resolution 1553
Sturm im Teeglas oder ernste Gefahr?
Von Dr. Maryam Dagmar Schatz

Ein Drittel der Republikanischen Abgeordneten hat dem Kongress eine Resolution vorgelegt, die die Unterstützung Israels zum Inhalt hat, sollte es den Iran angreifen. Diese Resolution, die hier zum Download zur Verfügung gestellt wird, verdient es, näher untersucht zu werden.

Der Erfüllung des Traums näher gekommen
Montage: Maryam Dagmat Schatz
 
Druck auf Obama
 
Rechte Republikaner, Militärs, Lobbyisten, die Tea-Party sowie die Medien und BloggerInnen gleicher politischer Provenienz treiben Präsident Obama vor sich hier, der im Moment auf sämtlichen Politikfeldern gleichermaßen erfolglos zu sein scheint, und dessen Umfragewerte schon seit 2009 katastrophal sind und sich weiterhin im Sinkflug befinden. Das letzte Mal, dass man den Präsidenten vorgeführt hatte, war, als er mit dem von ihm erlassenen Verbot der Tiefseebohrungen zweimal vor Gericht scheiterte. Davor holte sich Viersterne-General und ISAF-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal ein blaues Auge, als er mit seinen weithin beachteten Pöbeleien Obama zwang, eine Grenze zu setzen.

Ich vermute, McChrystal war der Versuchsballon der US-Generalität, wie weit man Obama treiben kann. Die im Interview gezeigte Respektlosigkeit ist weit von dem entfernt, was der „Army Officer’s Guide“ seit 1930 lehrt. Man kann davon ausgehen, dass McChrystal diesen Versuchsballon nicht ohne Rückversicherung gestartet hat. Ich bin relativ sicher, wir werden ihm bald als Bestsellerautor oder Referenten bei „hochkarätigen“ Veranstaltungen zur Sicherheitspolitik begegnen, wo es ihm sicher gelingen dürfte, das Salär von Elie Wiesel (25.000 Dollar plus Chauffeur) zu toppen und - vielleicht - zu Sarah Palin (100.000 Dollar) aufzuschließen. Jedenfalls solange der „Kampf gegen den Terror“ noch dauert.
 
Über den Wunsch bestimmter politischer Kräfte, Obama möge das eigene politische Standing – sofern Umfragewerte dafür repräsentativ sind – mittels eines Angriffs auf den Iran verbessern, hatte die NRhZ bereits mehrfach berichtet. Spekulationen darüber werden schon seit langem am Köcheln gehalten. Über den horrenden Betrag von 2,8 Milliarden aktuelle Militärhilfe hatten wir ebenfalls schon berichtet.
 

Das biblische Gleichnis von Splittern und Balken…
Quelle: Ellenkultura.info
  
Die Resolution
 
Jetzt haben 47 Republikaner eine Kongressresolution eingereicht, in der Israel im Falle eines Angriffs auf den Iran die Unterstützung der USA zugesichert werden soll. Diese Resolution muss zunächst im Auswärtigen Ausschuss behandelt werden. Inhaltlich enthält sie nichts Neues: sie drückt Unterstützung für Israel aus, das seine Souveränität sowie Leben und Sicherheit seiner Bürger „mit allen Mitteln“ verteidigen müsse. Die seit 2003 wiederholt von den eigenen Geheimdiensten offiziell aufgegebene Behauptung der atomaren Bedrohung durch den Iran (hier downloadbar), macht einen langen Schlenker durch die Geschichte.

Begonnen habe dies mit dem "modernen Zionismus, der nationalen Befreiungsbewegung des jüdischen Volkes", über die "klare und gegenwärtige Gefahr, die die nationale Sicherheit der USA, Israels und der Verbündeten im Nahen Osten" von der Regierung des Iran ausgehe, bis hin zu diversen Obama-Zitaten, mit denen man Obama offensichtlich konfrontieren will. Ach ja, das gefakete Ahmadinejad-Zitat dürfe selbstverständlich auch nicht fehlen. (Die ganze Geschichte hierzu kann hier noch mal nachgelesen werden).

 
Cui bono?
 
Mit meiner Einschätzung bin ich nicht weit von Knut Mellenthin entfernt, der schreibt: „Der Antrag der republikanischen Abgeordneten flankiert eine Medienkampagne, die schon seit einigen Monaten von namhaften Neokonservativen betrieben wird. Unter ihnen sind führende Persönlichkeiten wie William Kristol, Reuel Marc Gerecht, der ehemalige republikanische Abgeordnete Newt Gingrich und der frühere UN-Botschafter John Bolton, die schon bei der propagandistischen Vorbereitung des Irakkrieges im Jahr 2002 an vorderster Front agierten.“
 
Dass man Obama vor sich hertreiben will, wird auch im neuesten Artikel von Neocon-Falke John Bolton deutlich der ja schon seit geraumer Zeit für den Angriff auf den Iran wirbt: „Israel und die Krise mit Obama.“ Bolton sagt sinngemäß, Obama sei ein unzuverlässiges Weichei, das nicht in die Reihe der Siegerpräsidenten passe und seine Alliierten hängen lasse. Im Nebenschluss werden Vizepräsident Biden und Aussenministerin Clinton gleich mit abgewatscht. Netanyahu könne sich auf Obama nicht verlassen und solle selber initiativ werden. Weil man sich eben nicht auf Obama verlassen könne, sei deswegen gesagt, dass man sich auf Volk und Kongress verlassen könne.

Mit einem Schlag gegen den Iran solle man nicht allzu lange mehr warten. Nicht nur dem belgischen „Morgen“ dürfte die Ähnlichkeit mit den dem Irakkrieg vorausgehenden „Warnungen“ vor den angeblichen Massenvernichttungsmitteln des Irak aufgefallen sein. Mittlerweile hat sich auch der – unter George W. Bush – Ex-CIA Chef Michael Hayden in Newsmax, dem Hausblatt von Tea-Party-Frontfrau Sarah Palin, befürwortend eingeschaltet. Natürlich nur mit seiner Privatmeinung.
 
Wäre ich Jude beziehungsweise Israeli, ich wäre jetzt besorgt: ganz offensichtlich soll Israel „by all means necessary“ dazu gedrängt werden, die Kastanien der Republikaner und Neocons aus dem Feuer zu holen, ein Szenario, das auch unter den „Pro-Israel“-Claqueuren in Europa viel Sympathie genießt, wie eine Umfrage bei den niederländischen Wilders-Anhängern ergab. Solche Stellvertreterkriege hatten ihre heydays zu Zeiten des Kalten Krieges und endeten dann manchmal damit, dass sich der Entsender des Stellvertreters, wenn der Stellvertreter bereits zu Boden gegangen war, aufs Schlachtfeld bequemte, um sich seinerseits eine blutige Nase zu holen: die Amerikaner in Vietnam, die Sowjets in Afghanistan. Deswegen pflegt der Entsender heute seiner Unterstützungspflicht eher nicht persönlich nachzukommen, sondern sich mit Militärhilfe und Waffen aus der Affäre zu ziehen. 2,8 Milliarden und mehr, sowie unzerreißbare Freundschaftsbänder (Saddam Hussein hätte hier einiges zu erzählen, wie das so ist mit den Freundschaftsbändern) bekommt man nicht zum Nulltarif.
 
Israel wird „liefern“ müssen, womit es schon 2006 im Krieg gegen den Libanon seine Probleme hatte. Sollte Israel sich zu diesem Abenteuer drängen lassen, muss sich die Welt Sorgen machen: „Wir haben die Möglichkeit, die Welt mit uns zusammen untergehen zu lassen. Und ich kann Ihnen versichern, dass dies auch geschieht, bevor Israel untergeht." So zitiert Jürgen Rose in seinem Artikel „Sharons Zündhölzer für Arabiens Öl“ den konservativen niederländisch-israelischen Militärhistoriker Martin van Creveld. Der Artikel beschreibt das Vernichtungspotential Israels, das selbst die kühnsten Beschreibungen über den Iran doch erheblich übersteigt. Die Welt ist gewarnt: der mit der Resolution entfachte Sturm im Teeglas ist Teil einer ernsten Gefahr. (HDH)

Dr. med. Dagmar Schatz ist gebürtige Kölnerin, seit 21 Jahren Muslimin - islamischer Name "Maryam" - und seit 21Jahren Sanitätsoffizier bei der Bundeswehr, jetzt mit Dienstgrad Oberfeldarzt. Im Internet hat sie unter ihrem nom de plume "bigberta", einige Bekanntheit erlangt, schreibt aber jetzt nur noch unter ihrem "Klarnamen". Sie vertritt hier ausschließlich ihre persönliche Meinung.


Online-Flyer Nr. 260  vom 27.07.2010

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