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Krieg und Frieden
Lehren und Erfahrungen aus dem Vietnamkrieg sind noch heute höchst aktuell
Die bisher größte Niederlage der USA
Von Gerhard Feldbauer

Vor 35 Jahren, am 30. April 1975, nahmen die vietnamesischen Patrioten Saigon ein und befreiten damit nach zwei Jahrzehnten amerikanischer Besatzungsherrschaft ganz Südvietnam. Die Ketten eines fast ein Jahrhundert währenden Kolonialjochs, das einst Frankreich errichtete, wurden zerbrochen.
 

Ho Chi Minh - vietnamesisches
Gemälde    
NRhZ-Archiv
Die vietnamesische Befreiungsrevolution, vor allem der Kampf gegen die USA-Herrschaft fordern bis in die Gegenwart zu Vergleichen heraus, die hohe Aktualität haben. Der Verlauf dieser Revolution ist Friedensfreunden hinreichend bekannt, sodass der Autor sich auf einige dieser Vergleiche, auf die Aktualität ihrer Lehren und Erfahrungen konzentrieren möchte. Als erstes ist festzuhalten, dass sich am verbrecherischen Charakter des US-Imperialismus bei der Verfolgung seiner Weltherrschaftspläne bis heute nichts geändert hat, auch nicht an den verlogenen Vorwänden zur Auslösung von Aggressionskriegen. Dieser Bogen spannt sich von der Provokation 1964 im Golf von Tongking als Vorwand zur Auslösung des Luftkrieges gegen die Demokratische Republik Vietnam über die Rolle der US-Geheimdienste bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zur Anzettelung des sogenannten Krieges gegen den Terrorismus bis zu den Anschuldigungen des Besitzes von Massenvernichtungswaffen des Irak als Anlass des Überfalls auf dieses Land und den danach folgenden Behauptungen gegenüber Iran. Neben der weltweiten Sicherung strategischer Rohstoffressourcen geht es den USA unter veränderten Machtkonstellationen wie damals auch heute darum, ein Stützpunktsystem zur Sicherung ihrer Weltherrschaftsansprüche vor allem gegenüber China, aber auch Russland oder Indien aufzubauen.
 
Grundlagen des Sieges
 
Vietnam siegte über die Militärmacht der USA, die stärkste der westlichen Welt. Als Nachfolger der französischen Kolonialisten hatten sie 1955 gegen Vietnam einen grausamen Vernichtungskrieg begonnen. Die große Hilfe des damals existierenden sozialistischen Lagers, die weltweite Solidarität der Völker und ihrer Friedenskräfte, eingeschlossen die in den USA selbst, waren entscheidende Grundlagen dieses Sieges. Aber die letztlich ausschlaggebende Bedingung, dass diese Faktoren zur Geltung kommen konnten, war der nicht zu brechende Widerstandswille des Volkes, der in den weit in die Geschichte zurückreichenden Traditionen des Widerstandes gegen Fremd- und Kolonialherrschaft als auch einheimische Unterdrücker wurzelte. Diese zu mobilisieren verstand eine kommunistische Partei, die der legendäre Führer Ho Chi Minh gegründet hatte.    


Ho Chi Minh im Lijang-Fluss in China, 1961
Foto: „Sozialistisches Eigentum"
 
Vietnam führte einen Befreiungskampf gegen die koloniale bzw. neokoloniale Herrschaft erst Frankreichs und danach der USA. Die These, es habe sich zuletzt um einen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd gehandelt, in dem beide Seiten Unterstützung des USA- bzw. UdSSR-geführten Lagers erhalten hätten, ist völlig unzutreffend. Nach dem Beginn des Luftkrieges der USA gegen die Demokratische Republik Vietnam (DRV) erhielt diese die militärische Unterstützung der UdSSR, zu der modernste konventionelle Waffen gehörten, und auch Lieferungen aus der Volksrepublik China. Ohne diese Hilfe hätte Vietnam dieser Aggression nicht widerstehen und über sie den Sieg erringen können. Zu keinem Zeitpunkt kämpften dabei ausländische Truppen an der Seite der vietnamesischen Patrioten. Entsprechende Angebote hat die DRV stets abgelehnt. Das geschah auch unter dem Gesichtspunkt, den USA keinen Vorwand für ihren eigenen massiven Truppeneinsatz zu liefern. Wohl aber befanden sich in beträchtlicher Zahl militärische Berater und Ausbilder der UdSSR in Vietnam, z.B. auch in den Gefechtsstationen der Luftverteidigung, also in Raketen- und Artilleriestellungen. Bis heute sind dazu die Archive nicht geöffnet worden. Wenn das einmal geschehen sollte, wird man sicher erfahren, dass viele sowjetische Militärs in diesem Kampf ihr Leben gelassen haben.
 
Kein Stellvertreterkrieg
 
Daraus abzuleiten, es habe sich um einen Stellvertreterkrieg gehandelt, entspricht ebenfalls nicht der tatsächlichen Entwicklung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass natürlich die Militärs der UdSSR, wie die der USA, in Vietnam ihre Waffen, darunter ihre modernsten MG-Jäger-Typen und Luftabwehrraketen erprobten und der Sieg in Saigon ohne die schweren sowjetischen Waffen (Panzer und Artillerie) nicht möglich gewesen wäre. Pentagon-Militärs gaben übrigens mehrfach zu, dass die in Vietnam eingesetzten Mig-Jäger damals den gleichwertigen USA-Typen überlegen waren. Und die eingesetzten Luftabwehrraketen SAM nannte Oberst Robin Olds, ein Fliegerass des Koreakrieges, öffentlich „furchterregende Raketen“. 
 
Nach dem Abschluss der Pariser Friedensabkommen 1972 zogen die USA zwar ihre regulären Truppen aus Südvietnam ab (über eine halbe Million), ließen aber 25.000 Militärberater zurück, die bis in die untersten Einheiten faktisch die Saigoner Truppen führten. Diese Marionettenarmee wurde von 600.000 Mann auf über 1,2 Millionen aufgestockt und mit modernsten konventionellen Waffen ausgerüstet. Das Ende war die Zerschlagung dieser Armee, die nach der Militärmacht der Volksrepublik Chinas als zweitgrößte Streitmacht Asiens galt (900 Kampfflugzeuge, 400 Kampfhubschrauber, 2.100 Panzer und Geschütze).
 
Auch künftig Scheitern vorhersehbar
 
Der Widerstand gegen heute von den USA angezettelte Eroberungskriege findet unter sehr unterschiedlichen Kräfteverhältnissen statt. Es ist keine Führerpersönlichkeit wie Ho chi Minh, keine Befreiungsfront wie sie die Patrioten Vietnams zustande brachten, in Sicht. Eins jedoch steht unter dem Gesichtspunkt der Lehren Vietnams schon heute fest: Die USA werden am Widerstandswillen, am Freiheits- und Unabhängigkeitsdrang der Völker scheitern. So wie keine Vietnamisierung 1975 die Niederlage in Saigon verhindern konnte, wird sie heute wie in der Zukunft weder eine Irakisierung noch Afghanistanistanisierung oder um was für Truppen von Marionettenregimes es sich noch handeln möge, vor dem gleichen Schicksal bewahren.
 
Die USA verhängten nach 1975 über Vietnam sofort einen totalen Wirtschaftsboykott. Ziel war, wie der amerikanische Autor Walden Bello in seinem 1994 in San Francisco erschienenem Buch „Dark Victory“ belegte, das Land in den ökonomischen Bankrott zu treiben. Vietnam, das im April 1976 seine beiden Landesteile wieder vereinigte und im Juli 1976 als Ausdruck des gemeinsamen Weges die Staatsbezeichnung Sozialistische Republik Vietnam annahm, brachte auch diese Pläne zum Scheitern. Während nach der sozialistischen Niederlage 1989/90 in Osteuropa der Kapitalismus restauriert wurde, überstand Vietnam erfolgreich alle Versuche, es über eine Sozialdemokratisierung seiner Kommunistischen Partei auf diesen Weg zu drängen. Mit seit 2001 jährlich 7,5 Prozent, 2005 sogar 8,4 Prozent weist Vietnams Wirtschaft in Südostasien mit großem Abstand die höchsten Steigerungsraten auf und beschreitet erfolgreich den Weg einer modernen industriellen Entwicklung. Ziel ist, wie der X. Kongress der Kommunistischen Partei Vietnams 2006 festlegte, der Aufbau „eines unabhängigen, demokratischen, blühenden und starken Vietnams mit einer gerechten und modernen Gesellschaft, in welcher die Ausbeutung des Menschen abgeschafft“ wird. Die Hoffnungen der Freunde Vietnams ruhen darauf, dass dieser Weg unumkehrbar wird. (PK)
 
Gerhard Feldbauer schrieb zusammen mit seiner Frau Irene das Buch „Sieg in Saigon“, er selbst außerdem „Die Nationale Befreiungsrevolution Vietnams“, beide bei Pahl Rugenstein, Köln, 2005/06 bzw. 2007, sowie „Damals Vietnam, heute Irak“, bei  offensiv, Hannover 2007.
Eine Rezension von „Die Nationale Befreiungsrevolution Vietnams“ finden Sie hier.
 


Online-Flyer Nr. 247  vom 28.04.2010

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