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Arbeit und Soziales
Warum CDU-MdB Michael Fuchs sein Gift lieber in Chemnitz versprüht 
Der schlaue Apotheker aus Koblenz
Von Hans-Dieter Hey

Warum gibt ein Koblenzer Bundestagsabgeordneter lieber der "Freien Presse Chemnitz" als der "Rhein-Zeitung Koblenz" ein giftiges Interview? Will er sich in seinem Wahlkreis nicht unbeliebt machen? Unser Autor ist dieser Frage nachgegangen. Die Redaktion.

Das Mitglied des Bundestages Dr. Michael Fuchs wohnt in Koblenz und wurde 2005 mit 45,4 Prozent der Stimmen seines Wahlkreises 202 für die CDU in den Bundestag gewählt. Offensichtlich hat es dort noch nicht herumgesprochen, welche Glocken der Mann außerhalb seiner Heimatstadt läutet.

Wer also ist Dr. Michael Fuchs? Zunächst ist er ein Lobbyist, wie es im Buche steht, nämlich Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion. Zweitens ist er ein großer Selbstdarsteller, denn auf seiner Website ist sein Konterfei gleich zwölf Mal vorhanden. Sonst ist dort außer Plattitüden nichts zu lesen. Drittens vertritt Fuchs jede Menge Verbandsinteressen und viertens sich selbst. Damit das den Menschen seines Wahlkreises nicht auffällt, geht Fuchs auch schon mal zum örtlichen närrischen Wirtschaftstreffen oder zeigt sich gelegentlich in der Polizeistreife dem gemeinen Volke.

Wesentlich mehr Aktivitäten entwickelt der Doktor dort, wo das große Geld ist, und da entwickelte er sich zum richtigen Fuchs. Überall mischt er mit, ob im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, im Unterausschuss ERP-Wirtschaftspläne, im Unterausschuss Globalisierung, als stellvertretendes Mitglied der interparlamentarischen Union, als Vorsitzender des Taiwan-Ausschusses, 2001 als Gründungsmitglied der Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände undundund. Kein Wunder, dass es bei uns politisch so bös aussieht. Vor allem wenn man wie er ständig über "die Menschen in diesem unserem Lande" nachdenken muss. Vor allem darüber wie man sie ärmer machen kann.

Am 15.04. teilte er der Freien Presse Chemnitz mit, warum das dazu nötig ist. Und deren Berliner Büro veröffentlichte die Fuchs´sche Lösung offenbar nur allzu gern. Sie lautet, dass die Erwerblosen einfach zu viel Geld vom Staat bekommen. Mit offenbar selbst erfundenen Rechenkünsten kam der Herr Apotheker auf einen Stundenlohn von 12,32 Euro brutto, der vom Staat für einen Hartz-IV-Empfänger aus einem Vier-Personenhaushalt bezahlt werde. Verglichen mit einem Vollzeitjob von durchschnittlich 170 Stunden wären das 2.094,40 Euro im Monat. Und darum, so Fuchs zur Freien Presse Chemnitz komme es zu dem "unhaltbaren Zustand", dass sich bei sieben Millionen Arbeitslosen keine 35.000 deutschen Saisonkräfte mehr für Erntearbeiten finden ließen.

Der schlaue Fuchs - will wiedergewählt werden
Der schlaue Fuchs - will wiedergewählt werden
Fotomontage: Hans-Dieter Hey


Fuchs bedient sich des beliebten Spiels der statistischen Durchschnittsfamilie, die es in Wirklichkeit kaum gibt. Sie wird von Politikern wie ihm aber nur allzu gern benutzt, wenn Arbeitslosengeld und Löhne gedrückt werden sollen. Tatsächlich ist inzwischen bittere Realität, dass Hartz IV intakte Familien auseinander treibt. Und führt man den Vergleich an einer Einzelperson durch, ist die Rechnung von Fuchs nicht mehr ganz so "überzeugend": 345 Euro ALG II zuzüglich pauschaliertem Mietzuschuss und Nebenkosten von 350 Euro für die Wohnung einer Wohnbaugenossenschaft betragen dann 695 Euro. Ergebnis: ein Stundenlohn von netto 4,07 Euro. Und davon werden dem Erwerbslosen noch 66 Euro von seinem ALG II abgezogen, weil die Miete höher ist als die Höchstmiete im Sozialrecht. Jetzt haben wir nur noch einen Stundenlohn von 3,69 Euro netto, von dem ein Erwerbsloser oder eine Erwerbslose leben muss.

Angeblich geht es Fuchs bei seinen Berechnungen um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: "Das Tempo der Reformdebatte muss nun aber deutlich erhöht werden, denn wir werden als Große Koalition letztendlich daran gemessen werden, ob wir es schaffen, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken", verkündet er auf seiner Webseite. Diese erfolglose Politik "des mehr vom Alten" kennen wir seit 25 Jahren, und sie hat uns nach Berechnung des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) im Februar 2006 ca. 6,8 Millionen Empfänger von Arbeitslosengeld I und II beschert. Das aber blendet Fuchs bei seiner Rechnung lieber aus.

Seine Forderung nach weniger Arbeitslosengeld begründet er auch damit, dass Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig sei, wenn weiter Löhne in Höhe des Existenzminimums gezahlt würden. Will heißen, dass der, der für Arbeitslosengeld II Vollzeitarbeit leistet, auch noch zu viel verdient. Es kann Fuchs allerdings nicht entgangen sein, dass Deutschland seit langem Exportweltmeister ist, und dass vor allem die großen Unternehmen Gewinnsteigerungen wie nie zuvor verzeichnen - auf Kosten der einheimischen Beschäftigten.

Um die Erwerbslosen noch ärmer zu machen, wird nicht nur durch CDU-Abgeordnete wie Fuchs, sondern auch durch die SPD kräftig an der Statistikschraube gedreht - man will das Existenzminimum drücken. Dazu hatte die Rot-Grüne Regierung bereits einiges an Vorarbeit geleistet, als sie die Höhe des ALG II ab dem Jahr 2005 auf der Basis von 1998 errechnete.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de


Sollten nun die Erwerbslosen noch weniger bekommen als bisher, würde sich das im Verein mit der Mehrwertsteuererhöhung weiter negativ auf die Entwicklung des Binnenmarktes auswirken. Und der Druck auf die Löhne durch die Erwerbslosigkeit wird den wirtschaftlichen Niedergang weiter beschleunigen. Solche Zusammenhänge sind dem Apotheker Fuchs möglicherweise fremd - oder er verschweigt sie bewusst.

Vermutlich geht es ihm nämlich um etwas ganz anderes: um die Spaltung der Gesellschaft. Denn er verlangt, dass bei Lohnvereinbarungen mehr Bündnisse auf betrieblicher Ebene stattfinden sollten, was auf Dauer zur Zerschlagung der Gewerkschaften führen würde. Zwar  nicht so brutal wie in der Zeit der Nazi-Barbarei, aber genau so wirksam. Dies Ziel visierte Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus schon vor zwei Jahren an: "Wir müssen ein Stück stärker den Gewerkschaften ihre Rechte nehmen. Die Ausdifferenzierung der Gesellschaft ist eine Notwendigkeit, um die Flexibilität und die Wachstumsdynamik zu erhöhen."

Fuchs, Althaus und, nach jüngsten öffentlichen Äußerungen, auch der CSU-Generalsekretär Söder und der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Kampeter wollen die von ihnen - im Auftrag der Konzerne und ihrer Großaktionäre gewünschte Spaltung der Gesellschaft dort durchsetzen, wo es ihnen am leichtesten fällt, weil die SPD in der Großen Koalition dabei offenbar mitziehen will: Durch härtere Sanktionen gegenüber ALG II-Empfängern. Aus diesem Grund fordert das "Erwerbslosen Forum Deutschland" mit Recht alle Erwerbslosen auf, "sich derartige Forderungen nicht länger gefallen zu lassen" und sich am 3. Juni einer Demonstration in Berlin anzuschließen, "um auch in Deutschland der Bundesregierung französische Verhältnisse zu bereiten".

Nur so werden die Erwerbslosen sich gegen angekündigte unangemeldete Hausbesuche, schnellere Durchführung von Sanktionen bei Kürzungen des ALG II um 60 Prozent, Anrechnung von angeblich zu hohen Mieten auf die Regelleistungen und ähnliche Übergriffe auf ihre bisher gültigen Rechte mit Erfolg wehren können.

Als Parlamentarier haben sich Leute wie Dr. Michael Fuchs dem Wohle des Volkes verpflichtet. Als Apotheker gehört mitmenschliche Hilfe zu seinem beruflichen Ethos. Allerdings kennt einer wie er sich auch in der Giftmischerei aus. Und so trägt er mit seinen Äußerungen das Gift der Spaltung in die Gesellschaft. Hätten seine WählerInnen in Koblenz von all dem auch nur eine blasse Ahnung, würden sie ihren Fuchs wahrscheinlich nicht wieder wählen. Wahrscheinlich hat er deshalb sein Gift nicht in der Koblenzer Heimatzeitung versprüht, sondern in Chemnitz.


Online-Flyer Nr. 41  vom 25.04.2006

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