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Aktueller Online-Flyer vom 08. Mai 2024  

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Lokales
Drum will der „völlig unkundige“ Kölner Rat das Schauspielhaus abreißen
Für einen gesichtslosen „Warenhausbau“
Von Prof. Dr. h.c. Klaus Feinen

Im Zusammenhang mit der seit Wochen anhaltenden Diskussion um den geplanten Abriss mit anschließendem Millionen verschlingendem Neubau oder eine Sanierung des denkmalgeschützten Kölner Schauspielhauses hat uns der Kölner Immobilienexperte Prof. Klaus Feinen einen aktuellen Dankesbrief an die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz für ihre Unterstützung der Bürgeraktion zum Erhalt des Schauspielhauses und eine vernichtende Stellungnahme vom 8.12. 2009 zu der Beschlussvorlage für die vom „völlig unkundigen“ Rat der Stadt Köln getroffene Entscheidung für Abriss und Neubau Verfügung gestellt. - Die Redaktion

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Kiesow,
ich bin der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz sehr dankbar, dass sie sich auch gegen den Abriss des Kölner Schauspielhauses mit seiner Zerstörung eines denkmalgeschützten Bauensembles der nachkriegsgeschichtlichen Stadtentwicklung Kölns stellt.

Das was der völlig unkundige Rat der Stadt Köln – mit nur 35 von insgesamt 90 Ratsvertretern – beschlossen hat, widerspricht jedweder verantwortlichen städtebaulichen Politik. Wenn man verantwortungslos wichtige Gebäude „verkommen“ lässt, gibt dies noch lange kein Recht, diese dann „irgendwann“ willkürlich abzureißen und dann noch durch einen gesichtslosen „Warenhausbau“, der dann auch noch viele Millionen Euro teurer ist als eine funktionsorientierte Sanierung, und der das verbleibende Operngebäude auch noch „erschlägt“, zu ersetzen.

Ich erlaube mir, zwei Stellungnahmen, die ich nach dem Ratsbeschluss der Bürgerinitiative „Köln kann auch anders“ zur Veröffentlichung mitgeteilt habe, als Anlage zu dieser Mail bzw. in einer folgenden Mail zu überreichen.

Mit Ihrer Unterstützung und der von vielen anderen fachkundigen Persönlichkeiten und verantwortlichen Institutionen bin ich mir gewiss, dass wir das „Verbrechen“ an dem denkmalgeschützten Ensemble, das für die Stadt Köln ein für die Stadtgeschichte wichtiges Nachkriegsbauerlebnis ist, verhindern können.
Freundliche Grüße
Prof. Dr. h.c. Klaus Feinen

Brief an den Rat der Stadt Köln vom 8.12.2009

Was da dem Rat der Stadt Köln als Beschlussvorlage präsentiert wird, dürfte kein verantwortlicher Unternehmensleiter für ein privates Bauvorhaben als Grundlage für eine Investitionsentscheidung annehmen.

Reine Spekulation!

Ohne eine umfassende Beschreibung aller zu erbringenden Bauleistungen – sowohl für die Sanierung der Oper als auch für die Sanierung bzw. alternativ den Neubau des Schauspielhauses – sind alle Kostenangaben für mich als Fachmann, der Milliarden Euro in ca. 2.000 Großprojekten als Bauherrenvertreter über 35 Jahre verantwortet hat, reine Spekulation und bieten keine Basis für die tatsächlich anfallenden Bau- bzw. Sanierungskosten.

Die erste und wichtigste Frage lautet also, auf welcher fundierten Grundlage sind die ganzen „ca, Millionen-Euro“ ermittelt worden? Noch einmal: ohne umfassende und komplette Beschreibung aller mit den Bauvorhaben zu erbringenden Bauleistungen, quantitativ und qualitativ, ist für mich eine „Kostenschätzung“ keine Grundlage für eine Investitionsentscheidung, wo es um gewaltige Beträge geht, die dann auch noch der Steuerzahler „schultern“ muss.

Einzelne Kostenansätze können direkt auf Plausibilität abgefragt werden. Die in den ca. 289.664.000 Euro „Herstellkosten Offenbachplatz“ enthaltenen „Planungskosten von ca. 24,6 Mio Euro“ umfassen alle Kosten für Objekt- und Fachplanung, Projektsteuerung und Projektleitung sowie sonstige Baunebenkosten (KGr.700), die nach Abschluss des Wettbewerbs bis zum Baubeschluss anfallen. Hiervon werden bis Ende 2009 voraussichtlich
insgesamt ca. 9,1 fällig, 2010 ca. 15,5 Mio Euro.

Mangelnde Fachkompetenz


Hier bin ich doch sehr verwundert, inwiefern hier Projektsteuerung und Projektleitung mit bezahlt werden sollen, obwohl noch gar nicht in diesem Zeitfester mit dem Projekt begonnen wurde. Kosten für Projektsteuerung und Projektleitung fallen nun wirklich auf einer „lebenden“ Baustelle an und nicht vorher. Also hier wird schon im Detail die augenscheinlich mangelnde Fachkompetenz der Verfasser deutlich. Und eine erste Kosteneinsparung in Millionenhöhe kann schon nachgewiesen werden, weil hier Kostenansätze für nicht wirkliche Leistungen in der Vorplanung benannt sind, die unverzüglich zu streichen sind.

Auch die nächsten Kostenansätze (Sanierungskosten Produktionszentrum etc.) sind augenscheinlich „über den Daumen“ angesetzt. Auch hier meine konkrete Nachfrage: was ist wirklich an Bauleistungen für die Sanierung der Objekte in welcher Quantität und Qualität zu erbringen?

Abstrus auch die Schilderung der ganzen Problematik bei den „vergaberechtlichen Gründen zur Findung von Architekten“, wenn es heißt, „dass eine Beauftragung der bisher gefundenen Fachplaner aus vergaberechtlichen Gründen nur für die Sanierung des Opernhauses möglich ist. Für die Sanierung des Schauspielhauses müssen in VOFVerfahren
weitere Planer gefunden werden. Das bedeutet, dass sich die Bauzeit am Offenbachplatz und der Interimszeitraum erheblich verlängern würde“.

Heft des Handelns aus der Hand gegeben

Auch hier fragt man sich, was man denn im Wettbewerbsverfahren falsch ausgeschrieben hat, um das Heft des Handelns dummerweise aus der Hand gegeben zu haben. Erneut, leider auch hier jedwede fehlende Sachkompetenz. Man hat sich leichtsinnigerweise in die Hand eine Architektenteams begeben, weil man die Bedingungen unprofessionell gestellt hat. Normalerweise bleibt der potentielle Bauherr auch bei Wettbewerbsverfahren mit Architekten „Herr des Handelns“.

Aber auch hier lässt sich das ganze Durcheinander heilen mit der unbedingten Forderung, dass erst – gerade auch mit Hilfe der Facharchitekten – komplett durchgeplant werden muss, die Baubeschreibung komplett zu erfolgen hat, bevor man eine öffentliche Bauausschreibung
mit anschließender Vergabe durchführt. Das vorgetragene „Zeitargument“ ist unsinnig, weil man diese angeblich verlorene Zeit später beim Bau aufgrund kompletter und transparenter Bauplanung und Baubeschreibung mehr als einspart. Diese ganzen Argumente gegen eine Sanierung des Schauspielhauses und für den unbedingten Neubau sind in Wirklichkeit gar keine.

Willkürliche Baukostenprämisse

Wegen der fehlenden „Durchplanung“ und augenscheinlich gar nicht vorhandenen umfassenden Baubeschreibung in quantitativer und qualitativer Hinsicht, die die notwendige Basis für eine Kosteneinschätzung ist, kann man die „Finanzwirtschaftliche Analyse“ von Kremer-Hamböker-Boddenberg/WPSTB, Köln, auch „in den Papierkorb werfen“. Die
Baukostenprämisse ist willkürlich und durch keine Fakten belegt.

Ebenfalls mangelt es mir an Phantasie, wie man eine „abgestimmte Kostenschätzung des externen Kostensteuerers und der Architekten zur Vorplanung“, die mit einer Summe von 364,1 Mio Euro endete, „realitätsnah“ mangels einer fehlenden „Durchplanung“ und einer augenscheinlich nicht in Quantitäten und Qualitäten vorhandenen Baubeschreibung dem Rat der Stadt Köln vorlegen konnte. Dass hier nur mit Prämissen, die aber nicht durch Marktpreise belegbar sind, gearbeitet wurde, zeigen ja die später angesprochenen Ausführungen des Büros DU.

Wie dann später – nach Ausführung des Bauvorhabens – die tatsächlichen Kosten sich bei Objekten der öffentlichen Hand regelmäßig gewaltig von den Kostenschätzungen entfernt haben – belegen unzählige Vorhaben. Und – da nach den Texten nur eine Vorplanung vorlag – was man alles detailliert als Prämissen für diese Kostenschätzung angesetzt hat, und ob dies dann die späteren Vorgaben für die Endplanung sind? Wenn nicht, bricht auch dieses „Kostenschätzgebilde“ zusammen.

Erstaunlich sind auch die bis auf den letzten Euro ermittelten „Optionen zur
Kostenreduzierung“. Wie hat man nach welchen Materialien, der Art der gastronomischen Einrichtungen und in welcher Raum- und Ausstattungsqualität die Einsparung von 3.064.940 Euro für den Entfall der Gastronomie ermittelt?

Meine Fragen und Bedenken zur Variante 1 kann ich komplett zu den Varianten 2 und 3 wiederholen. Zur Variante 4 gesteht man wenigstens unter „Kosten“ ein – „Preise werden auf der Basis von Kubaturkennwerten für die aufgeführten Bausteine ermittelt, können mit der der Tiefe und Genauigkeit einer Kostenschätzung auf der Basis einer fundierten Planung nicht verglichen werden“.

„Fundierte Planung“?

Wie wahr, wie wahr. Nur wo ist die „Fundierte Planung“ für die Varianten 1-3? Hier habe ich immer nur etwas von Vorplanung gelesen und von Begleitung eines „Kostensteuerers“, obwohl für eine echte Kostenermittlung auch hier augenscheinlich die wesentlichen Grundlagen – komplette Gebäude- und Fachplanung aller Gewerke sowie umfassende Baubeschreibung in Quantität und Qualität – fehlen. Ich habe darüber nichts gelesen. Natürlich hat DU in seinen Kostenberichten zur Vorplanung auf seine Prämissen aufmerksam
gemacht und zu Recht u.a. angeführt, „da in der Vorplanung nicht sämtliche Wand- und Deckenqualitäten und -aufbauten bekannt sind, wurden hier Erfahrungswerte von DU aus vergleichbaren Theaterbau- bzw. Kulturbaumaßnahmen angesetzt. Sonderkonstruktionen wurden mit entsprechenden Zuschlägen im Einheitspreis berücksichtigt bzw. als
Zulageposition gesondert aufgeführt“.

Deutlicher kann man nicht auf die Unwägbarkeiten und sehr schön umschriebenen Kostenrisiken hinweisen. Es ist nicht falsch, was und wie DU gearbeitet hat und man sicherlich den Planern auch wertvolle Hinweise für Einsparpotentiale in der nicht notwendigen Qualität bei nicht öffentlich nutzbaren Räumen und Flächen gemacht hat. Aber das hätte man alles bei der Grundplanung schon vorgeben können, wenn man einen Fachmann gehabt hätte. So muss man das alles doppelt und dreifach vergüten, was an sich bei einem wirtschaftlichen Konzept unnötig ist.

Und auch DU ist ehrlich und betont, „die abgestimmte Kostenschätzung“ schließt mit 364,1 Mio. Euro. Auch hier ist völlig offen, was das Gesamtprojekt bei Realisierung wirklich kostet und darauf kommt es doch nur an. Deswegen wird letztendlich auch durch die Arbeit von DU meine Forderung untermauert, die nach der Auswertung der vorgelegten Papierchen
unabdingbar ist, eine „echte Gesamtbau- und Fachplanung nebst kompletter
Baubeschreibung in Quantitäten und Qualitäten für die Projekte vorzunehmen und diese öffentlich auszuschreiben und danach erst zu entscheiden, was man wirklich bauen lässt. Hierzu gibt es nun wirklich keine Alternative und alle Abwägungen für oder gegen eine Sanierung des Schauspielhauses aus angeblichen Kostengründen sind derzeit unwirklich. Dieser Pro oder Kontra Kostennachweis fehlt nach wie vor.

Gewaltiges Kostenrisiko

Deswegen – und anders lässt sich m.E. ein solches Großprojekt mit seinen Varianten nicht effizient sanieren bzw. umbauen, und das ist auch durch das Vergaberecht abgesichert – lässt sich hier nur durch einen leistungsstarken schlüsselfertig bauenden Generalunternehmer – aber erst nach Erfüllung meiner Forderungen in Bezug auf komplette Durchplanung, totale Baubeschreibung mit Quantitäten und Qualitäten – dieses Vorhaben kostengünstig realisieren. Die bis jetzt von der Stadt vorgesehene Einzelgewerksvergabe erhöht das Kostenrisiko gewaltig und führt zu unvertretbar langen Bauzeiten.

Und wenn man sich die Zeit nimmt, vorher alles perfekt zu klären, zu planen und zu beschreiben, dann wird der Markt zeigen, dass man vielleicht auch 100 Millionen Euro einsparen kann, weil der gesamtverantwortliche Bauunternehmer ohne Risiken kalkulieren und zügig seine Leistungen abliefern kann und dann könnte man schon im Jahre 2013 die
Spielstätten wieder nutzen.

Das ist ja leider bisher so nicht vorgesehen. Aber dies ist gnadenlos einzufordern und man hätte dies alles locker mit den eingangs erwähnten Planungskosten von über 20 Millionen Euro leisten und sicherstellen können. Nur wer hat diesen gewaltigen Kostenunsinn für kein echtes und nicht für eine Entscheidung des Rates der Stadt Köln brauchbares Ergebnis produziert? (PK)

Hierzu auch der Artikel zur Übergabe von mehr als 30.000 Unterschriften eines Bürgerbegehrens in dieser Ausgabe.

Ohne den Kölner Immobilienexperten Prof. Feinen wäre es nicht zu dem EuGH-Urteil zum KölnMesse-Klüngel mit dem Esch-Oppenheim-Fonds gekommen. Siehe
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14508




Online-Flyer Nr. 240  vom 10.03.2010

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