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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Krieg und Frieden
Wieder Münchener "Sicherheitskonferenz“ - Per ARD Proteste kleinreden
„Gewaltsignale“ von wem?
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Signale der Gewalt sieht tagesschau.de von der Münchener „Sicherheitskonferenz“ ausgehen, die heute, am 5. Februar, wieder einmal mit öffentlichem Gepränge eröffnet wurde. Diese „Gewaltsignale“ macht die öffentlich-rechtliche Verkündigungsagentur freilich nicht bei den hochmögenden Herrschaften aus, die sich ab heute im „Bayerischen Hof“ versammeln, und unter denen sich mannigfach Profiteure an Rüstung und Krieg, Mitverantwortliche für Kriegsführung wie etwa in Afghanistan, befinden. 
Doch gleichwohl: Die "Sicherheitskonferenz" beschäftige sich "keineswegs, wie manche immer noch meinen, mit der Vorbereitung des nächsten Krieges“, beteuerte heute früh der Conferencier der Military-Show, Wolfgang Ischinger, im Bayrischen Rundfunk. „Signale der Gewalt“ hört das führende Volksbelehrungsmedium der ARD daher anscheinend nur und ausschließlich von den GegnerInnen dieses Leitzeremoniells der militaristischen Glaubens-und Verdienstgemeinschaft ausgehen. Deren Gewaltpotential ist schon daraus zu schlußfolgern, dass sie namentlich gegen Kriegsführungen protestieren wollen, die auf der Sicherheitskonferenz keinesfalls nur abstrakt erörtert, sondern ganz konkret vorangetrieben   werden dürften.
 
Tagesschau „objektiv und unparteiisch“
 
Andererseits spöttelt tagesschau.de, so objektiv und unparteiisch, wie die Tagesschau nun einmal ist, dass schon im letzten Jahr die Zahl der DemonstrantInnen gegen die „Sicherheitskonferenz“ auf ein klägliches Häuflein von 500 Unentwegten zusammengeschrumpft sei. Nach dem Motto: Nur eine extremistische Minderheit ist noch gegen „unseren Friedenskrieg“ am Hindukusch und die begleitende „Sinnstiftung“ in Form der „Sicherheitskonferenz“ - aber diese versprengten Friedens-Desperados sind potentiell gefährlich. Dem tagesschau.de-Leser „manolito“ fällt an dieser ausgewogenen   Nachrichtengebung freilich mehr als nur ein Widerspruch auf:
 
„Es ist schon erstaunlich, wie Bilder und Stimmungen scheinbar nach Belieben verändert werden können…. Die Süddeutsche Zeitung vom 11. Februar 2009 schrieb jedenfalls von rund 3.500 TeilnehmerInnen der Demonstration, andere Quellen von rund 5.000. Im Vorfeld der Konferenz will offenbar tagesschau.de die Proteste auf einen Ausdruck eines versprengten kleinen Häufchens reduzieren. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.“ (siehe http://meta.tagesschau.de/id/32804/tacheles-reden-in-muenchen)
 
Präziser als dieser Tagesschau-Seher und tagesschau.de-Leser könnte man Intention und Methode einer sich mit „Objektivität“ tarnenden Kampagne nicht beschreiben. Schön, dass sich da einer selbst von der Tagesschau nicht einwickeln lässt.
 
Militaristisches Leitzeremoniell
 
Nun ist die Münchener Sicherheitskonferenz fast schon so unvermeidlich im Jahresablauf geworden wie die zeitgleiche Faschings- und Karnevalssaison, und das seit 1962. Der militärisch-industrielle Komplex, derzeit dank weltweiter Kriegsbrandanfachung gut im Geschäft, braucht eben seine „Familientreffen“, seine öffentliche Repräsentanz, fürstliche Hofhaltung auf Kosten der Allgemeinheit eingeschlossen, seine PR-Rituale, die Illusion mindestens einer „wissenschaftlichen“, gar „ethischen Sinnstiftung“ seines menschenverschlingenden Tuns. Die Münchener „Wehrkundetagung“, weniger oberschulhaft, weltläufiger, zur „Sicherheitskonferenz“ ernannt, war schon in den kältesten Tagen des Kalten Krieges, und ist heute mehr denn je eine, wenn nicht die halböffentliche Leitveranstaltung des ökonomisch organisierten Militarismus und seiner staatlichen Handlangerkaste, die stets auch mit propagandistischer Seelenmassage für die nicht immer kriegstüchtige Zivilöffentlichkeit verbunden war. Hier wurden, für jeden verständlich, der die Chiffren und Verklausulierungen der Kriegsinteressenten und -ideologen zu interpretieren vermochte, seit jeher die Optionen militärischer, bellizistischer Profit- und Herrschaftssicherung auf globaler Ebene entwickelt, entfaltet, gelegentlich auch in klassen- und brancheninternen Divergenzen andiskutiert - und namentlich die offensivsten, aggressivsten Optionen sogenannter „militärischer Friedenssicherung“.
 
Wer ist hier aggressiv?
 
Aggressiv, offensiv - selbst der schrillste Aufruf auf irgendeiner autonomen Website, nach vielgeübtem Muster direkt zur „Bedrohung der Inneren Sicherheit“ hochgeblasen, könnte nicht im Ansatz so aggressiv sein wie die Konzepte, die von den offiziellen Kriegstreibern und Kriegsherren zu Nutz und Frommen vor allem ihrer Kapital-Befehlshaber auf diesen Tagungen ausgebrütet und nach je aktueller „Notwendigkeit“ versuchshalber der Öffentlichkeit als unausweichliches Erfordernis suggeriert wurden und werden. Und wie „aggressiv“ soll eigentlich selbst der schroffste Demoaufruf sein können im Vergleich zur Auskundschaftung von Bombardierungszielen für US-Terrorflieger durch BRD-Tornado-„Aufklärer“ (die einzige „Aufklärung“, die hierzulande noch geduldet wird) in Afghanistan, ganz zu schweigen von der „Aggression“ des Bundeswehr-Obersten Georg Klein, mindestens 150 ZivlistInnen bei Kundus mal eben durch das Bombardement eines Tanklastzuges einäschern zu lassen?
 
Warnung oder Ankündigung einer „Eskalation“?
 
Nein, vorweg: Die offiziellen, vom Pressemainstream breitflächig aufgegriffenen, Gewaltprophetien im Hinblick auf Demonstrationen gegen die „Sicherheitskonferenz“ entpuppen sich bei näherem Hinsehen als die übliche Stimmungsmache, als verbal vorweggenommene Hetze gegen jeden Anti-Kriegs-Protest, der nach Bedarf und Möglichkeit die physische folgen dürfte. Auch das gehört fast schon zum eingeübten Ritual dieser „Sicherheitskonferenz“, alle Jahre wieder. Doch scheint man nun, gerade vor dem Hintergrund der aggressiven Kriegseskalation im deutschen Besatzungs- - pardon - Befreiungsgebiet am Hindukusch auch nach innen eskalieren, die Schraube der latent kriegsförmigen Repression noch um ein, zwei Drehungen schärfer anziehen zu wollen.
 
Breitet sich der Krieg aus, so steht auch eine Ausbreitung von Protesten zu befürchten. Mit eisernem Durchgreifen wollen die Herren von Bomben und Granaten womöglich jede weitere „Eskalation“ öffentlicher Friedenshetze „im Keim ersticken“. Wie denn auch, um noch einmal unseren Lieblingskardinal Meisner zu zitieren, der liebe Gott seinen Segen dazu erteilt, „ungerechte Angriffe“ - und das sind alle, die sich gegen „uns“ richten - eben „im Keim zu ersticken“. Der Kollege Otto Köhler hält das zwar für die „Sprache der Naziwehrmacht“. Aber führende Protagonisten unserer demokratischen Bundeswehr haben stets darauf bestanden, die einschlägigen „Erfahrungen“ der großdeutschen „Wehrmacht“ in effizienter Kriegsführung „objektiv“ und „unvoreingenommen“ zu bewerten und zu nutzen - namentlich eben die Erfahrungen im Hinblick darauf, „ungerechte Angriffe im Keim zu ersticken“.
 
Präventiver Ausnahmezustand
 
Ohne im vorhinein unsererseits Horror-Szenarien auszumalen, die dann so vielleicht nicht eintreten, muß doch die friedensorientierte, demokratische Öffentlichkeit angesichts der Kriegsverschärfung nach außen und den bereits im Vorfeld geradezu drohenden Gewaltskizzen der offiziösen Propaganda die Vorgänge der nächsten Tage in München mit Argusaugen beobachten. Aufmerken lässt, dass die Münchener Polizei, ob von sich aus oder als Sprachrohr „höherer Instanzen“, jetzt schon den doppeldeutigen Begriff „Ausnahmezustand“ in die Welt setzt. Die Warnung vor einem solchen könnte auch als implizite Ankündigung, mindestens als verbales Spiel mit einer offengehaltenen Option verstanden werden. Nur im „Ausnahme-Zustand“ - oder in einem im Kriegsfalle verhängbaren „Notstand“ - könnte man Proteste gegen den Krieg der Herrschenden ganz offiziell „im Keim ersticken“. Immerhin: „Eine Gruppe Vermummter hat kürzlich im Gärtnerplatzviertel randaliert und vor allem Autos beschädigt“, dräut tagesschau.de. Wenn das so weitergeht, dann muß die Sicherheitskonferenz noch Herrn Oberst Klein herbeiziehen, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Der hat ja am Hindukusch vorexerziert, wie man mit ungeordnetem Feindmob umgeht. (PK)

Online-Flyer Nr. 236  vom 05.02.2010

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