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Inland
Verfassungsbeschwerden gegen geplanten Abriss der Thälmann-Gedenkstätte
Hier begann der Widerstand gegen die Nazis
Von Peter Kleinert

Gegen den geplanten Abriss der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals im Bundesland Brandenburg hat der Freundeskreis der Gedenkstätte durch seine Anwälte zwei Verfassungsbeschwerden und einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung eingereicht. Betroffen davon würden bei einem Erfolg die Landesregierung, der Landrat von Dahme-Spreewald und der nach der „Wende“ durch Privatisierung an die Immobilie gekommene Eigentümer – ein brandenburgischer Ministerialrat aus Augsburg, der seit dem Frühjahr 2003 die Gedenkstätte geschlossen hält, um das attraktive Seegrundstück mit höchstmöglichem Gewinn zu verkaufen. 

Eine Woche nach dem 31. Januar 1933, also bereits in der Illegalität, hatten sich Mitglieder des Zentralkomitees der KPD in Ziegenhals getroffen, um dort

Denkmal der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte
in Ziegenhals nahe Berlin am Krossinsee
Foto: Rudi Denner
über Möglichkeiten zum Sturz der Nazi-Herrschaft zu beraten. Deshalb wurde dort 20 Jahre später, am 7. Februar 1953
von der DDR-Regierung eine Gedenkstätte an dem Ort eingeweiht, an dem nachweisbar der erste organisierte antifaschistische Widerstand in Deutschland seinen Anfang nahm. Das möblierte Tagungszimmer im ehemaligen Sporthaus Ziegenhals ist im Original erhalten geblieben.

Auch das Boot "Charlotte", mit dem einige der Tagungsteilnehmer, darunter der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann damals über den nahe gelegenen Krossinsee fliehen konnten, als die SA das Gebäude stürmte, blieb erhalten. Die meisten, darunter einige Landtags- und Reichstagsabgeordnete der KPD, wurden festgenommen und in Konzentrationslagern und Kerkern von den Nazis ermordet.

Ernst Thälmann hatte nach dem von Herbert Wehner vorbereiteten Ziegenhals-Treffen seiner ehemaligen Partei SPD einen Generalstreik

Mit dem Boot “Charlotte” entkamen
Teilnehmer der Widerstandstagung
der SA über den Krossinsee
Fotos: Gedenkstätte Ziegenhals
vorgeschlagen, um Hitler zu stürzen. Auf dem ZK-Treffen selbst hatte er die anwesenden Genossen von der Notwendigkeit eines gewaltsamen Sturzes Hitlers durch das Zusammenschließen aller linken und liberalen Parteien zu einer Volksfront zu überzeugen versucht. Doch dazu kam es nicht mehr. Thälmann wurde am 3. März 1933, zwei Tage vor den Reichstagswahlen und wenige Tage nach dem
Reichstagsbrand in Berlin, in „Schutzhaft“ genommen und am 17. August 1944 durch zwei Gestapo-Beamte aus dem Zuchthaus Bautzen ins KZ Buchenwald gebracht, wo er ohne Gerichtsverfahren auf Befehl Hitlers erschossen wurde.

Nachdem das wertvolle Wassergrundstück über die Treuhandgesellschaft bei dem heutigen privaten Eigentümer Gerd Gröger – Ministerialrat im

Ernst Thälmann – in Ziegenhals
entkommen, in Buchenwald ermordet
Foto: Wikipedia
brandenburgischen Bauministerium – gelandet war, genehmigte ihm bereits im Februar 2004 die Kreisverwaltung Dahme-Spreewald das Grundstück frei zu räumen. Auch das Boot “Charlotte“ wurde in eine Werft geschafft. Diesen Wunsch des Eigentümers abzulehnen, hätte das Denkmalschutzgesetz nicht zugelassen, begründete der damalige Baudezernent und heutige Landrat Stephan Loge (SPD). Im Februar 2005 wurde eine Abrissgenehmigung erteilt.

Keine Reaktion von Platzeck

Gröger hätte also, so der Freundeskreis der Gedenkstätte, schon 2005 zur Tat schreiten können. Doch der klagte zunächst gegen die Auflage, das Inventar der Gedenkstätte auf seine Kosten zu dokumentieren und einzulagern. Im Mai 2009 einigten sich Gröger und der Landkreis dann auf einen Vergleich. Der Eigentümer habe sich dabei verpflichtet, das denkmalgeschützte Inventar und darüber hinaus weitere Dokumente wie etwa Gästebücher an die Stadt Königs Wusterhausen zu übergeben, erklärte Kreissprecherin Heidrun Schaaf. Die Landesregierung von Brandenburg sieht sich deshalb offenbar nicht in der Verantwortung für diese bundesweit und international bedeutende antifaschistische Gedenkstätte. Selbst auf eine aktuelle Protest-Postkartenaktion, die sich direkt an Ministerpräsident Platzeck wendet und ihn zum Eingreifen auffordert, gibt es bisher keine Reaktion.

„Jeden Tag können die Bagger anrollen“

„Das Jahr 2009 war so für die antifaschistische Gedenkstätte in Ziegenhals ein äußerst negatives Jahr: alle Hürden, die einem "legalen" Abriss noch im Wege standen, wurden beseitigt“, so der Freundeskreis. „Seit Sommer 2009 könnten jeden Tag die Bagger anrollen, um einen wichtigen Ort authentischer Geschichte zu vernichten. Aber auch wir blieben nicht passiv: Demonstrationen und Kundgebungen, Kunst und Kultur, Offene Briefe, Aufrufe und Flugblätter sowie unser viel beachteter "Protestzug – von Ziegenhals nach Potsdam!" sollten unser einziges Vereinsziel verdeutlichen: Schutz und Erhalt der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte.
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Mit den beiden Verfassungsbeschwerden, die wir am Donnerstag, den 28. Januar, um 12 Uhr in der Anwaltskanzlei von Dr. Wolff und Partner (Torstr. 49, 10119 Berlin) vorstellen wollen, hoffen wir, diesem historischen Mahn- und Lernort wieder zu seinem Recht verhelfen.“ (PK)

Kontakt: Freundeskreis „Ernst-Thälmann-Gedenkstätte“ e.V., Ziegenhals, Telefon 01026/015206546421,  Email: vorstand@etg-ziegenhals.de, Internet: www.etg-ziegenhals.de


Online-Flyer Nr. 234  vom 27.01.2010

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