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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Lokales
Stadt will Barmer Viertel bis Ende Juni "dem Erdboden gleich machen"
Initiative kündigt Widerstand an
Von Peter Kleinert

"Anfang nächster Woche wollen Erbbauverein und Stadt mit der Polizei über die Räumung sprechen." - Dies sei, freut sich die Kölnische Rundschau aus dem Hause M.DuMont Schauberg, das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Stadt Köln und Erbbauverein über den geplanten Abriss des Barmer Viertels, das möglichst "bis zum 30. Juni dem Erdboden gleich zu machen" sei. Die Initiative Barmer Viertel hat dagegen zum gewaltfreien Protest aufgerufen.

Der Erbbauverein werde "unverzüglich das Unternehmen beauftragen, das der Stadt das günstigste Angebot vorgelegt hat". Die Kosten für den Abriss übernehme die Stadt, obwohl man dort noch nicht entschieden hat, was danach aus dem "dem Erdboden gleich gemachten" Viertel mit seinen 381 Wohnungen werden soll. Das jedenfalls geht ist das Ergebnis der Stadtrats-Diskussion, in der am Dienstag vergangener Woche, wie berichtet, der Antrag der LINKS-Fraktion auf Erhalt des Viertels abgeschmettert worden war.

Demonstration gegen den Abriss
Demonstration gegen den Abriss
Foto: Hans-Dieter Hey



Kongresszentrum für "Partner"

Nach den geplatzten Hochhaus-Plänen in Deutz prüft die Stadt jetzt den Bau eines Kongresszentrums auf dem Gelände. Dafür hatten sich CDU und FDP in der Ratssitzung in einem Dringlichkeitsantrag ausgesprochen und "Leasing- oder Public-Private-Partnership-Modelle zur Finanzierung" vorgeschlagen - was mit einiger Sicherheit auf ein ähnliches Finanzdesaster für die Stadt und Supergewinne für "Partner" wie den Esch-Oppenheim-Fonds beim Modell KölnArena hinauslaufen würde. (Siehe dazu NRhZ 38) Nach Einspruch des Grünen-Fraktionsvize Jörg Frank "Wir wollen nicht in einem subventionsträchtigen Abenteuer landen", einigten sich die Parteien auf eine "Bedarfs- und Rentabilitätsprüfung" in einem "Workshop". 

Zu diesem fühlte sich "nach einer mündlichen Zusage aus den Reihen der SPD" am Freitag auch die "Initiative Barmer Viertel" eingeladen. Planungsdezernent Streitberger, der das von ihm wie von Wirtschaftsdezernent Soénius gewünschte Zentrum mit rund 5000 Plätzen schnell realisiert sehen will, gefiel der Besuch der zehn neuen Bewohner des Barmer Viertels überhaupt nicht. Die forderten nämlich "ein Ende der Phantasielosigkeit" und "eine Planung, die nicht den Abriss, sondern den Erhalt des Barmer Blocks beinhaltet". Da Streitberger offizieller Workshop-Einlader war, ließ der Hausherr Landschaftsverband die unbequemen Besucher nach einer Stunde durch die Polizei aus dem Haus schaffen. Die Initiative lädt deshalb alle Interessierten zu einem "ergänzenden Planungstreffen" am Dienstag, 18. April,  19.30 Uhr ins Bürgerhaus Deutz ein.

Initiative ruft zu gewaltfreiem Protest und Widerstand auf

Der Kölner Polizei dürfte die von Stadtverwaltung, Ratsmehrheit, Erbbauverein und MDS-Lokalpresse gewünschte Räumung nicht allzu leicht fallen, auch wenn sie die besetzten Häuser nach Auskunft von Polizeisprecherin Cathrine Maus schon beobachtet. Neben den etwa hundert BesetzerInnen sind dort inzwischen auch drei "Parteibüros" eingerichtet worden - von den Jungsozialisten, von der Grünen Jugend und von der WASG Mülheim.

Die Initiative Barmer Viertel erklärt dazu in einem Aufruf an die Kölner Bürger: "Es gab und gibt keine Investoren in Köln, die das Gelände zu einem Preis kaufen würden, der so hoch ist, dass die Stadt das aufgewendete Kapital in Höhe von 65 Mio. Euro zzgl. 3 Mio. Abbruchkosten wieder hereinbekäme. Die alten Pläne sind gescheitert. Im Dezember hat der Stadtrat beschlossen, für dieses Gebiet neue Pläne zu entwickeln. Dafür sollte es ein offenes und moderiertes Verfahren geben. Ergebnisse liegen bisher nicht vor. Aber eins wissen SPD, CDU, FDP und Frau Moritz von den GRÜNEN trotzdem ganz genau: Der wertvolle Wohnraum im Barmer Viertel muss weg. In der letzten Ratssitzung am 4. April haben sie dies noch einmal bekräftigt. Der für teures Geld zusammengestellte Workshop darf neue Pläne entwickeln, aber nicht mehr darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller wäre, den historischen Barmer Block in die Neuplanung einzubeziehen. Weil es keine neuen Pläne gibt, kann der Workshop nur ein dürftiges Deckmäntelchen für den Abriss sein."

Doch, so die Initiatve weiter, "auch das lahmarschige Kölner Regierungspräsidium wird nicht umhinkommen, unangenehme Fragen zu stellen, sind doch die Erlöse für den Verkauf der Grundstücke fest als neue Haushaltsmittel eingeplant. Ohne diese Mittel wird die Kölner Haushaltspleite noch größer. Auch die Staatsanwaltschaft wird Fragen haben... Nachdem der Erhalt des historischen Barmer Blocks, im Stadtrat politischen Intrigen geopfert worden ist, kann nur noch der Widerstand von Bürgern und Besetzern den Kölner Klüngel stoppen...Wir rufen alle KölnerInnen auf, unseren gewaltfreien Protest zu unterstützen."

Bäume im Barmer Viertel bereits abgesägt
Bäume im Barmer Viertel bereits abgesägt
Foto: Hans-Dieter Hey



Jusos: SPD-Haltung unverständlich

Juso-Vorsitzender Martin Greive zur Haltung seiner Partei im Stadtrat: "Es ist für uns absolut unverständlich, warum die SPD-Ratsfraktion für den Abriss und gegen das von den Grünen vorgeschlagene Moratorium gestimmt hat... Ein wichtiger Standortfaktor für Investoren ist nachweislich die hohe Lebensqualität in Köln, welche ohne Anwohner in den Veedeln vor Ort undenkbar ist. Hier nun mit dem Schlagbohrer durchzugehen ist kurzsichtig und widerspricht einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik."

Grüne Jugend: Gegen Denkmalschutz verstoßen
 
Kathrin Henneberger, Sprecherin der Grünen Jugend Köln: "Wir unterstützen die Initiative "Erhalt des Barmer Viertels" bei ihren Bemühungen, nach Alternativen zu suchen und die Wohnungen hierbei zu erhalten. Kölner Stadtentwicklung muss nach nachhaltigen ökologischen wie sozialen Prinzipien gestaltet werden. Es ist ein Fehler, den sozialen Wohnungsbau im Innenstadtbereich aufzugeben. Auch der Denkmalschutz in Köln darf nicht so leicht übergangen und aufgehoben werden." (Anmerkung der Redaktion: Die Jugendstil-Siedlung stand nämlich bis zu den geplatzten Hochhausplänen unter Denkmalschutz.)


WASG: Private Investoren entscheiden

Georg Kümmel von der WASG-Mülheim: Statt Millionen für den Abbruch auszugeben um dann evtl. obendrein ein neues Millionengrab in Form eines Kongresszentrums auszuheben, sollten die Wohnungen saniert und dauerhaft in städtischem Eigentum bleiben, um sie den zahlreichen Menschen anzubieten, die in Köln nach einer bezahlbaren Wohnung suchen. Die WASG-Mülheim kritisiert auch, dass in Köln offensichtlich private Investoren und nicht die Stadt darüber entscheiden, auf welchen Grundstücken sie sich niederlassen, wie es sich jetzt wieder mit IKEA in Ossendorf abzeichnet."

Kontakte: barmerviertel.ina-koeln.org,
Ansprechpartnerin für den workshop der Initiative:
Sabine Schölermann 0171/17 23 008

Jusos: www.jusoskoeln.de, Benedikt Dettling, benedikt.dettling@freenet.de

Grüne Jugend: www.gruene-jugend-koeln.de

WASG: Georg Kümmel 0221-9337845


Online-Flyer Nr. 39  vom 12.04.2006

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