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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Inland
Das Neueste aus der “Andi“-Schmuddelküche des NRW-Innenministers:
Gleichsetzung von Faschisten und Antifaschisten
Von Jürgen Schuh

Unter dem Titel “Andi“ legt jetzt das NRW-Innenministerium die dritte Ausgabe seines „Bildungscomic für Demokratie und gegen Extremismus“ vor, der zur massenhaften Verteilung an Schulen produziert wurde. Voll im geschichts- und realitätsfälschenden Mainstream wird darin eine kollektive Diffamierung all derer betrieben, die gegen Neonazis auftreten. Und es wird die bewährte Gleichsetzung von Links und Rechts, von Faschisten und Antifaschisten neu aufgelegt.

"Verfassungsschützer" Ingo Wolf – 
mag Neonazis offenbar mehr als Linke
Quelle: 
www.nrw.de/presse/bildungscomic-andi
Unter dem Stichwort “Antifaschismus“ heißt es auf Seite 19: „Was hat es dann zu bedeuten, wenn sich Linksextremisten als ‚Antifaschisten’ bezeichnen? Linksextremisten verstehen sich nicht einfach als Gegenpol zu Rechtsextremisten. Mit dem Begriff ‚Antifaschismus’ verfolgen sie weitergehende Ziele. Im Zentrum ihrer Ideologie steht die Bekämpfung des Staates und des Kapitalismus, in dem sie die eigentliche Ursache und Wurzel des Faschismus sehen. In diesem Sinne beteiligen sie sich oft an Demonstrationen gegen Rechtsextremisten oder veranstalten diese selbst: nicht, um die bestehende demokratische Ordnung zu stärken, sondern um zu beweisen, dass ihre Ideen besser als die jetzige Staats- und Wirtschaftsform sind. Vor allem sprechen Linksextremisten mit dem Slogan ‚Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen“ ihrem politischen Gegner alle demokratischen Rechte ab, zu denen natürlich auch das Recht zu demonstrieren gehört.“
 
Die Wurzeln der FDP
 
In der Tat, Herr Innenminister! Im Gegensatz zu Ihnen sprechen wir Neonazis das Recht ab, ihre Propaganda auf die Straße zu tragen! Im Gegensatz zu Ihnen sind wir sogar für ein Verbot der NPD! Im Gegensatz zu Ihnen halten wir Faschismus sehr wohl für ein Verbrechen! Was soll denn z.B. anderes gemeint sein mit den Urteilen von Nürnberg 1945/46? Wenn Sie da anderer Meinung sind, hängt das möglicherweise ursächlich mit den Wurzeln ihrer Partei, der FDP, zusammen, die auf Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz 1933 und auf Mitgliedschaft vieler Nazis in der FDP nach 1945 gründen.
 
Im Widerspruch zu den höchsten Gerichten
 
Einer der Macher der „Andi“-Reihe, ein Dr. Pfeiffer (Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW) tingelt derzeit als Referent in Sachen „Extremismus“ durchs Land. Wir werden weiter berichten. Und wir werden berichten, wie sehr Sie sich im Widerspruch zu höchsten Gerichten in Bund und Land befinden.
 
Der Vorsitzende des Landesverfassungsgerichtes und des obersten NRW-Verwaltungsgerichts OVG Münster, Dr. Michael Bertrams, schreibt in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ Nr. 44/2004 (siehe Homepage www.nrw.vvn-bda.de) in einer Polemik gegen den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Hoffmann-Riem: „Das Grundgesetz ist ein Gegenentwurf zur Barbarei der Nazis. Nazismus ist keine missliebige Meinung, sondern ihm wird vom Grundgesetz eine entschiedene Absage erteilt.“

Unsere Organisation VVN-BdA hatte sich zu dem vom höchsten Verwaltungsgericht von NRW dringend befürworteten entschiedenen Vorgehen gegen Neonazis bekannt, und es freute uns, dass dies auch der Petitionsausschuss des Landtags tat. Der Petitionsausschuss wies zugleich zustimmend auf die umfangreiche Rechtssprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster – u.a. vom 2. März und 30. April 2001 - hin, nach der sich eine rechtsextremistische Ideologie auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren lässt (Beschluss des OVG NRW, Az 5 B B 585/01; siehe auch Briefe des Petitionsausschusses des Landtages vom 11. 10. 02 und 28.09.01 an die VVN-BdA NRW).
 
BVG: Keine Meinungsfreiheit für Nazis
 
Am 18. 11. 2009 berichtet das ND laut dpa über das Wunsiedel-Urteil des BVG: Wegen der besonderen Geschichte Deutschlands gilt laut Gericht hier (in Sachen Meinungsfreiheit für Nazis) aber eine Ausnahme. Angesichts des Unrechts und des Schreckens, den die Naziherrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht habe, enthalte das Grundgesetz in diesem Punkt eine Ausnahme vom Verbot, ein Sonderrecht gegen bestimmte Meinungen zu schaffen. „Das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des national-sozialistischen Regimes gedeutet werden.“ Also: Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen. Herr Minister, hören Sie auf, den Jugendlichen etwas anderes zu erzählen und die Nazis zu schützen!
 
“Andi“-Material zurückziehen!
 
Ulrich Sander, Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen (VVN-BdA) ergänzte gegenüber der NRhZ diesen Beitrag seines VVN-Kollegen Jürgen Schuh: „Der gesamte Text zu “Andi“ gegen die Linken wird eingeleitet mit einem Vorwort des Innenministers Dr. Ingo Wolf (FDP). Der antifaschistische Protest wird von Wolf zu einer Verweigerung der Meinungsfreiheit für die Gegner der Linken umgefälscht. Die Losung “Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen“ wird als verfassungsfeindlich ausgegeben.
 
Selten hat man eine solche Parteinahme für die Nazis durch eine Landesregierung vernommen. Dem steht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht vor einigen Tagen verkündet hat: Meinungsfreiheit für Nazis ist einzuschränken, denn das Grundgesetz ist der Gegenentwurf zum totalitären Rechtsextremismus, das Grundgesetz schränkt die Rechte der Neonazis ein. Die VVN-BdA fordert die Rücknahme des “Andi“-Materials durch den Minister und eine Entschuldigung bei den antifaschistischen demokratischen Protestiererinnen und Protestierern. (PK)
 
Jürgen Schuh ist Kreissprecher der VVN-BdA Düsseldorf

Online-Flyer Nr. 227  vom 09.12.2009

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