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Inland
Kollateralschäden an der Heimatfront – ein Freiherr auf Herrenjagd
Der Terminator
Von Jürgen Rose

Neben der Fortpflanzung bildete schon immer die Jagd eine der beliebtesten Lustbarkeiten des Adels. Von daher vermag die beachtliche Abschußquote, die unser jüngst zum Verteidigungsminister gekürter Freiherr aufzuweisen hat, vielleicht nicht allzu sehr verwundern. Auf der Strecke geblieben ist letzte Woche immerhin ein kapitaler Minister, dessen Amtsführung bösen Zungen schon Anlaß zu der Vermutung gegeben hatte, der Winzerssohn Jung habe wohl im väterlichen Weinkeller ab und an zu tief ins Faß geschaut.

Dr. Peter Wichert und Nato-Kameraden
Quelle: http://jfcnp.nato.int
 
Die zweite, weitaus wertvollere Trophäe liefert der „Darth Vader vom Bendlerblock“, alias Dr. Peter Wichert. Für ihn kann zu Guttenberg sich eine besonders tiefe Kerbe in den Kolben schnitzen. Denn jene graue Eminenz hatte – mit einer Unterbrechung – jahrelang wie die Spinne im Netz des Verteidigungsministeriums gesessen und dort mit geradezu dämonischer Macht die Fäden gesponnen. Dem skrupellosen Juristen eilte der Ruf voraus, daß es ihm völlig gleichgültig wäre, wer gerade unter ihm als Minister diente. Indes sollte nicht dem Vergessen anheim fallen, wie er überhaupt in sein Amt gelangt war: mittels einer Sprungbeförderung, nachdem er vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Affäre um die illegale, weil unter Bruch eines entsprechenden UN-Embargos erfolgte Lieferung von deutschen U-Boot-Konstruktionsplänen an das südafrikanische Apartheidsregime so geschickt taktiert hatte, daß der damalige Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg sowie Bundeskanzler Helmuth Kohl beide unbeschadet aus dem Skandal hervorgingen.
 
„Hufeisenplan“ aufgetischt
 
Genau dies bildete den Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“. Ebenfalls im Gedächtnis sollte bleiben, daß der feine Herr Staatssekretär zu jenen Regierungskriminellen an den Schalthebeln der Macht zählte, die in führender Position den völkerrechts- und verfassungswidrigen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien in Szene setzten, nachdem sie der deutschen Öffentlichkeit die Propagandalügen von der sogenannten „humanitären Katastrophe“ im Kosovo und dem berühmt-berüchtigten „Hufeisenplan“ aufgetischt hatten.


General Wolfgang Schneiderhan – bei einer Kranzniederlegung im Bendlerblock
www.en.bmi.bund.de/
 
Bei der dritten Figur in jenem „Trio Infernale“ des Lug und Trugs schließlich handelt es sich um General Wolfgang Schneiderhan, seines Zeichens gewesener Generalinspekteur der Bundeswehr. Als höchstrangiger deutscher Soldat war er zugleich militärpolitischer Berater der Bundesregierung und hatte als solcher das Ohr von Ministern und Kanzlern. Schade nur, daß er diese Position nicht dazu genutzt hat, davon abzuraten, deutsche Soldaten in nicht nur unsinnigen, sondern mehrfach auch völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Kriegseinsätzen zu verheizen. Stattdessen darf man ihn ausweislich des vom 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts am 6. April 2005 getroffenen Beschlusses (BVerwG 1 WB 67.04) mit seiner Aussage zitieren, „wir müssen so etwas anbieten, was die Briten mit den USA im Irak gemacht haben.“ Nun, die Heldentaten der US- und UK-Forces im Zweistromland dürften für sich sprechen: Wohl um die 60.000 während des Blitzkrieges abgeschlachtete irakische Soldaten, bis heute eine Million massakrierte Zivilisten, viereinhalb Millionen Vertriebene, ein bis zwei Millionen Witwen, fünf Millionen Waisenkinder, Folterungen, Vergewaltigungen, Morde hinter den Gittern von Militärgefängnissen, Massenvertreibungen, Terror und Chaos allerorten – sollte die Welt wirklich allen Ernstes erwarten, daß „wir“ Deutschen ihr derartige Fähigkeiten offerieren? Entgangen sein muß Wolfgang Schneiderhan wohl der markante Ausspruch des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, der anno 1860 einen seiner Majore mit den Worten angeschnauzt hatte: „Herr, dazu hat Sie der König zum Stabsoffizier gemacht, damit Sie wissen, wann Sie nicht zu gehorchen haben.“ Aber Schneiderhan war ja auch nicht Major, sondern General, und auch nicht Preuße, sondern Schwabe.
 
Feuer frei!
 
Zwei Blattschüsse also und ein waidwunder Amtsinhaber, der nur Stunden später verendete, da hat der junge Freiherr – Waidmannsheil! – wahrlich gut gezielt und getroffen. Die Munition kam freilich aus Washington. Denn dort hatte das DoD zu jenem Bombenmassaker, zu dem ein Bundeswehroberst im Zusammenwirken mit seinem unter dem Codenamen „Red Baron 20“ operierenden Fliegerleitoffizier die beiden US-Jagdbomberpiloten unter Vorspiegelung falscher Tatschen verleitet hatte, eigene nationale Untersuchungen eingeleitet, deren Ergebnisse zu Guttenberg bei seinem Antrittsbesuch vorgelegt wurden. Woraufhin er erkennen mußte, daß er von seinen eigenen Ministeriellen, allen voran Wichert und Schneiderhan, geleimt worden war. Zurück aus dem Pentagon hieß es dann: Feuer frei!
 
Europäischen Verteidigungsunion?
 
Freilich bleibt nach glücklicher Jagd nun die Frage, ob sich noch weitere Spitzbuben im Revier herumtreiben, wer die zukünftigen Oberförster werden und vor allem, welchen Pfad der Jagdherr zukünftig selbst einzuschlagen gedenkt. Als angeblich in der Wolle gefärbter Atlantiker, der seinen amerikanischen Freunden nun mindestens einen Gefallen schuldet, liegt die Vermutung nahe, daß er seine und Deutschlands Rolle zuerst und vor allem im Rahmen der NATO sieht. Nichts wäre freilich fataler, als sich in Nibelungentreue an ein Imperium im Niedergang zu ketten. Wie Jeremy Rifkin anmerkte, lohnt es sich, für den amerikanischen Traum zu sterben, aber für den europäischen zu leben. So gesehen böte sich für einen wahrhaft strategisch denkenden Verteidigungsminister nach dem Abschuß der überalterten Garde nun eine ganz neue Perspektive – die einer Europäischen Verteidigungsunion nämlich. Dies indes wäre eine Herkulesaufgabe – aber nicht die schlechteste für einen Mann, der sich zu Höherem berufen fühlt. (PK)
 
Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr und aus disziplinarrechtlichen Gründen gezwungen, darauf hinzuweisen, dass er in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen vertritt.
Vor kurzem ist sein Buch „Ernstfall Angriffskrieg. Frieden Schaffen mit aller Gewalt?“ im Verlag Ossietzky erschienen - mit einem Geleitwort von Werner Ruf und einem Nachwort von Detlef Bald. ISBN 978-3-9808137-2-3

Online-Flyer Nr. 227  vom 09.12.2009

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