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Filmclips
„Immer auf der Seite der Opfer“
Von Peter Kleinert



In unserem Artikel über die Verleihung des "Black Planet Award 2009" berichten wir über den taiwanesischen FORMOSA-Konzern, der durch diesen Schmähpreis am 21.November in Berlin wegen seiner menschenverachtenden und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen bei der PVC-Produktion an den Pranger gestellt wird. Darüber, wie rücksichtsvoll “unsere Medien“ mit einer Tochterfirma des Flick-Konzerns in Troisdorf umgingen, wo einige Arbeiter bei der PVC-Produktion Anfang der 70er Jahre an Krebs starben und weit über hundert erkrankten, berichtet der Filmclip “Immer auf der Seite der Opfer“. 
 
Vinylchlorid (VC) ist ein giftiges, süßlich riechendes Gas, das leicht entflammbar ist. Durch die Zugabe von Peroxiden polymerisiert das Gas zu festem Polyvinylchlorid (PVC), das nach dem Zweiten Weltkrieg in den Industriestaaten zum meist verarbeiteten Kunststoff wurde. Die Verwandlung von VC in PVC erwies sich bald als ausgesprochen profitabel, weil PVC zur Herstellung von Fußbodenbelägen, Zelten, Vorhängen, Koffern, Verpackungen, Schuhen, Flaschen, Klebebändern, Rohren, Kabeln, Schläuchen, Folien, Schallplatten oder für den Fahrzeug- und Möbelbau verwendet werden kann. PVC steckt auch in manchem Kinderspielzeug.
 
Vor allem “Gastarbeiter“
 
So richtete denn auch der Flick-Konzern nach Übernahme des alten Rüstungsbetriebes Dynamit Nobel im rheinischen Troisdorf dort eine PVC-Produktion ein, in der an den für die Gesundheit gefährlichsten Arbeitsplätzen, also dort, wo das VC-Gas in PVC-Kunststoff verwandelt wurde, vor allem griechische und türkische “Gastarbeiter“ eingesetzt wurden. Überflüssig zu sagen, dass die Arbeiter nicht darüber informiert wurden, dass dort das Risiko, Krebs und andere Krankheiten zu bekommen, besonders hoch war. Ebenso wenig erhielten sie an diesen risikoreichen Plätzen Atemschutzmasken und Schutzkleidung.
 
Ergebnis dieser Sparmaßnahmen: 1969 berichtete die DKP in ihrer Betriebszeitung von mehr als hundert Krebskranken und drei Krebstoten. Die Lokaljournalistin Ursula Junk, die aufgrund dieser Veröffentlichung darüber mit DKP- und Gewerkschaftsmitgliedern gesprochen hatte, durfte wochenlang nicht über die VC-Toten und -Kranken berichten. Erst als ein Konkurrenzblatt und der SPIEGEL Artikel dazu gebracht hatten - allerdings ohne den Namen von Dynamit Nobel und des Flick-Konzerns zu erwähnen - durfte auch Ursula Junk zu dem Thema veröffentlichen. Allerdings musste sie ihre Manuskripte vorher immer im Justiziariat des Verlages M. DuMont Schauberg zur Prüfung einreichen.
 
Erfahrungen von Journalisten
 
Über diese Erfahrungen erzählt die Kollegin in meinem 1976 gedrehten Dokumentarfilm „Immer auf der Seite der Opfer“ - vorsichtshalber mit dem Rücken zur Kamera und ohne den Namen des Kölner Stadt-Anzeiger zu nennen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits von sich aus dem Verleger Alfred Neven DuMont gekündigt hatte. Gekündigt wurde allerdings mir, weil ich damals auch noch KStA-Redakteur war - rechtswidrig, wie bei den folgenden Prozessen sämtliche Instanzen bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht feststellten.
 
“Immer auf der Seite der Opfer“ haben wir diesen Film genannt, weil Springers BILD-Redaktion aus gegebenem Anlass ihre journalistische Haltung ein paar Monate vorher mit dem Satz „Wir stehen ja immer auf der Seite der Opfer“ definiert und so den Anstoß zu diesem Filmprojekt gegeben hatte. Es vergleicht in einigen Berichten die Haltung der mehr von Anzeigenkunden als von ihren Lesern abhängigen Presse zur sogenannten “gemeinen Kriminalität“ und zur “White Collar-Kriminalität“, der im Falle Dynamit Nobel damals über hundert Arbeiter zum Opfer gefallen waren. Inzwischen ist die "VC-Krankheit" von den Berufsgenossenschaften als Berufskrankheit anerkannt worden. (PK)
 
Wenn Sie mehr als diesen Viertelstunden-Filmausschnitt sehen wollen, wenden Sie sich an das KAOS Kunst- und Video-Archiv in Köln: info@kaos-archiv.de oder gehen Sie auf die Webseite unseres gemeinnützigen Vereins www.kaos-archiv.de

 
 
 
 
 

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