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Lokales
Urteil über Zwangsgeld von 100.000 Euro täglich für Kölner JugZ vertagt
Jürgen Roters könnte schön sparen
Von Peter Kleinert

Die Geschäftsführung der stadteigenen Jugendzentren Köln gGmbH (JugZ) - und mit ihr die für sie Verantwortlichen in Kölner Rathaus - spielen offenkundig weiter auf Zeit, anstatt ein rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts anzuerkennen. Und die Justiz spielt nun auch mit. Am Freitag, 6. November, sollte eigentlich in einer öffentlichen Verhandlung über einen Antrag des “Baui“-Mitgründers und -Pädagogen Gottfried Schweitzer (63) verhandelt werden: An jedem Tag, an dem die Geschäftsführung der JugZ dem Urteil vom 4. August zu seinen Gunsten zuwider handelt, soll sie 100.000 Euro Strafe zahlen. Auf Antrag der JugZ soll darüber nun aber erst am 2. Februar 2010 verhandelt werden.

Gottfried Schweitzer
Quelle: www.LAUF-leverkusen.de/
Nach einhelliger Meinung sowohl von mehr als 20 “Schweitzer Gardisten“, die an der Verhandlung teilnahmen und den Rechtsstreit seit der fristlosen Kündigung im Sommer 2008 als Solidaritätskomitee mit öffentlichen Protesten zu Hunderten begleiten, wie auch des DGB-Anwalts von Gottfried Schweitzer, vertritt das deutsche Rechtssystem leider all zu oft die Interessen der Arbeitgeber. So am vergangenen Freitag auch das Kölner Arbeitsgericht.
 
Eigentlich sollte es in der Verhandlung diesmal endlich - nach mehr als drei Monaten - um die Zwangsvollstreckung des Urteils eben dieses Arbeitsgerichts vom 4. August gehen: Gottfried Schweitzer sollte wieder auf dem “Baui“, dem von ihm vor 30 Jahren mit gegründeten Bauspielplatz für Kinder und Jugendliche in der Kölner Südstadt, arbeiten dürfen. Denn seine Strafversetzung und ein Hausverbot für den “Baui“ waren vom Arbeitsgericht für rechtswidrig erklärt worden, nachdem die JugZ ihre aussichtslose dritte fristlose Kündigung bereits im April vor dem Arbeitsgericht vorsichtshalber zurückgenommen hatte.
 
„Arbeitsverhältnis unverändert“
 
Wie man in NRhZ 192 nachlesen kann, hatte der Anwalt der JugZ bei der Rücknahme der dritten Kündigung und dem Rechtskräftigwerden des Arbeitsgerichtsurteils zugunsten Gottfried Schweitzers für dessen Gegner in der Geschäftsführung der “gemeinnützigen“ Einrichtung schriftlich erklärt: „Somit besteht das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unverändert fort.“ Siehe http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=13643. „Unverändert“ hätte bedeutet: Schweitzer kann ab April seine 30 Jahre lang erfolgreiche Arbeit auf dem Bauspielplatz in der Südstadt fortsetzen. Pustekuchen! Er wurde strafversetzt, war mit seiner Klage dagegen im August wieder erfolgreich, wurde aber danach erneut an einen anderen Arbeitsplatz strafversetzt und wollte nun durch das eigentlich von allen Beteiligten erwartete positive Urteil zur Zwangsvollstreckung endlich am „Baui“ seine Arbeit als Pädagoge wieder aufnehmen.
 
Neuer Trick des JugZ-Anwalts
 
Der Anwalt der JugZ ließ sich aber was Neues einfallen. Kurz vor der Verhandlung legte er für seine Mandantin eine "Vollstreckungsabwehrklage" vor, verbunden mit einem "Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung". Und natürlich gab es während der Verhandlung keine "gütliche Einigung" über diese Vollstreckungsabwehrklage. Das Gericht entschied: Über die soll am 2. Februar 2010 verhandelt werden.
 
Juristen wissen: Diese Abwehrklage allein kann eine vorläufige Zwangsvollstreckung nicht  unbedingt verhindern: Das Gericht könnte ein Urteil von 100.000 Euro Strafe für jeden Tag Verstoß gegen sein eigenes Urteil auch schon vor dem 2. Februar 2010 aussprechen. Vorsichtshalber hat der JugZ-Anwalt darum gleichzeitig auch noch eine „einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung" beantragt, um zu verhindern, dass das Gericht schon bald die Zwangsvollstreckung beschließt.
 

Solidaritätstreffen vor dem Arbeitsgericht
NRhZ-Archiv
Die 16. Kammer des Arbeitsgerichts wird also zunächst - sehr wahrscheinlich hinter verschlossenen Türen - über die Frage entscheiden: Stellen wir die Zwangsvollstreckung einstweilig, also vorläufig ein - ja oder nein? Wenn sie die Zwangsvollstreckung einstellt, wird diese automatisch bis nach dem 2. Februar 2010.aufgeschoben. Stellt sie die Zwangsvollstreckung nicht einstweilig ein, lehnt den Antrag der JugZ also ab, kann sie sofort - wahrscheinlich auch ohne Öffentlichkeit - über die Zwangsvollstreckung entscheiden und sie entweder befürworten oder ablehnen. (Wobei die Kammern in den meisten Fällen die von ihnen selbst ausgesprochenen Urteile auch gerne zwangsvollstrecken lassen.) Diese Entscheidung der 16. Kammer könnte in den nächsten zwei bis drei Wochen gefällt werden.
 
Wie dem auch sei. Nach der Vertagung des Urteils auf Zwangsvollstreckung, auf das am Freitag alle Schweitzer Gardisten im Zuhörerraum gespannt gewartet hatten, gab es sofort einen für viele Kölner sichtbaren Protest. Noch in derselben Nacht wurde ein riesiges, wohl 40 bis 50 Meter langes Transparent an der Südbrücke aufgezogen, weithin - z.B. vom Südkai aus - sichtbar: „GERECHTIGKEIT FÜR GOTTFRIED SCHWEITZER" war darauf zu lesen - trotz des heftigen Sturms, der über den Rhein fegte.

Wie OB Jürgen Roters sparen könnte
 
Vielleicht hat ja auch Kölns neuer SPD-Oberbürgermeister Jürgen Roters dieses Transparent gesehen. Wenn nicht, könnte er im Archiv seines Vorgängers einen Brief der Schweitzer Garde finden. Der ging - mit der Bitte um Unterstützung gegen die JugZ-Geschäftsführung - im Frühjahr an die Mitglieder von deren Aufsichtsrat, an die Fraktionen der demokratischen Parteien im Rat der Stadt, an die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses und
 

„Keine Alternative zum Sparen“ – OB Jürgen 
Roters
NRhZ-Archiv
an die Bezirksvertretung Innenstadt. Ex-OB Fritz Schramma hat auf diesen Brief offensichtlich nicht positiv reagiert. Doch sein Nachfolger erklärte bekanntlich in der konstituierenden Ratssitzung, er wolle zusammen mit dem Rat und den Bürgern „ein neues Kapitel der Stadtgeschichte aufschlagen“. Hier hätte er Gelegenheit dazu. Und außerdem könnte er seine Ankündigung wahr machen, dass es angesichts des drohenden Haushaltsdefizits von 560 Millionen Euro im nächsten Jahr „keine Alternative zum Sparen“ gebe. Das “Sparen“ der 100.000 Euro-Strafe täglich, die spätestens im Februar auf die  JugZ-Geschäftsführung - und damit am Ende auf die Stadt - zukommen dürfte, würde den Kölner BürgerInnen nicht weh tun. Im Gegenteil. (PK)  

Einladung

Kurz vor Redaktionsschluß erreichte uns eine Einladung der Schweitzergarde, "am Mittwoch um 17 Uhr auf dem Eierplätzchen vorbei zu kommen! Im Mittelpunkt der Diskussion steht unser Rechtssystem, das es einer Geschäftsführung erlaubt, nicht nur Unrecht zu begehen, sondern auch die Durchsetzung des Rechts immer wieder zu verzögern.
Bei Glühwein und Gummitwist und Lagerfeuer und Musik wollen wir ferner besprechen, wie wir unseren weiteren öffentlichen Protest auf dem Eierplätzchen gestalten - mit lustigen, kulturellen und politischen Aktionen - und mit der Feier der erfolgreichen Aufhängung des Riesentransparents an der Südbrücke."

 
Ein Interview mit Gottfried Schweitzer finden Sie in der NRhZ-Ausgabe 212  vom 26.08.2009 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14168
 
Über das nächste Treffen der Schweitzergarde finden Sie Informationen unter www.schweitzergarde.de und schweitzergarde@web.de  

Online-Flyer Nr. 223  vom 11.11.2009

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