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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Inland
Wuppertal schmückt seinen Kulturpreis weiter mit einem Nazi-Namen
"Raubgold"-Bankier und Kunst-Mäzen
Von Peter Kleinert

Die Stadt Wuppertal will ihren "Eduard von der Heydt-Kulturpreis" nicht umbenennen, obwohl der Namensgeber nach Forschungsergebnissen von Historikern die Nazi-Diktatur, ihren Krieg und ihren Geheimdienst als Bankier von der Schweiz aus mit finanzierte und am "Raubgold" beteiligt war, das in den eroberten Ländern und den in die Konzentrationslager verschleppten Juden in Form ihres Schmucks und ausgeschlagener Goldzähne geraubt wurde.

August von der Heydt - Bild von Kees van Dongen
August von der Heydt -
Bild von Kees van Dongen
Foto: v.d. Heydt-Museum



Wie sich die Probleme mit der "Vergangenheitsbewältigung" gleichen: In Wuppertals Nachbarstadt Köln wird am 26. April das Landgericht darüber entscheiden, ob der NRhZ weiter durch einstweilige Verfügung verboten bleiben soll, die von einem Historiker bewiesene Tatsache mit bestimmten Wertungen zu belegen, dass die Eltern des Kölner Ehrenbürgers Alfred Neven DuMont, Kurt und Gabriele, nach dem Krieg Eigentümer von Grundstücken waren, die vor dem Faschismus Juden gehörten (vgl. NRhZ 31). Hier nun der Bericht darüber, wie Nachkommen und die Verantwortlichen in der Stadt Wuppertal mit der NS-Vergangenheit ihres Kunstmäzens und Ehrenbürgers Eduard von der Heydt umgehen. Nach dem 26. April folgt ein Bericht über den Ausgang des Termins beim Landgericht Köln.

Antrag: "Eduard von der Heydt-Preis" umbenennen

Am Montag stand der Rat der Stadt Wuppertal vor einer historischen Entscheidung: Die  Fraktion der Linkspartei hatte beantragt, den 1950 von der Kommune gestifteten "Kulturpreis der Stadt Wuppertal", der 1957 in "Eduard von der Heydt-Kulturpreis" umbenannt worden war, nun in "Else Lasker-Schüler-Preis" umzubenennen. Für diese Änderung hatten sich in den Wochen davor nicht nur der Vorsitzende der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, Hajo Jahn, sondern auch vier "von der Heydt-Preisträger" und die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek öffentlich ausgesprochen.

Bankier Eduard von der Heydt (1882 -1964), Sohn des Wuppertaler Bankiers und preußischen Ministers August von der Heydt, Kunstmäzen und deshalb seit 1952 Ehrenbürger der Stadt - das nach seiner Familie benannte Museum der Stadt ist eins der wichtigsten für die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts -, war nicht nur 1933 NSDAP-Mitglied geworden, sondern hat - nach Umzug und Einbürgerung in der Schweiz von dort aus - als Aufsichtsrat der von ihm mit gegründeten Thyssen-Bank - ab 1937 "Finanztransfers" für die deutsche "Spionageabwehr" und die Wehrmacht abgewickelt. Nach Kenntnis des Schweizer Historikers und Journalisten Thomas Buomberger flossen von seinen Konten bis Anfang 1943 an 40 deutsche Geheimagenten neunzig Zahlungen in über einem Dutzend Währungen - insgesamt fast eine Million Schweizerfranken (heute etwa zehnmal mehr).

In der Schweiz angeklagt und nach Stiftung freigesprochen

1946 kam von der Heydt deshalb als "Devisenbeschaffer für das Dritte Reich", wegen "Raubgoldgeschäften" und wegen "nachrichtendienstlicher Tätigkeit" für Nazi-Deutschland vor ein geheimes Schweizer Militärgericht. 1949 wurde der Baron wie andere prominente Angeklagte in ähnlichen Prozessen  freigesprochen - ein Freispruch mit einem gewissen "Beigeschmack" - so der Wuppertaler Historiker Detlef Bell in dem Buch "Die Von der Heydts. Bankiers, Christen und Mäzene". Vor Abschluss des Verfahrens hatte der Baron nämlich Teile seiner ostasiatischen Kunstsammlung der Stadt Zürich als Grundstock für das Museum Rietberg geschenkt. "Hat sich von der Heydt freigekauft, durfte er Schweizer bleiben, weil er mit seiner Schenkung der Stadt Zürich zu einem Museum von Weltrang verholfen hat?", fragt Thomas Buomberger in einem Artikel im Jahr 2004. Und Detlef Bell spricht in dem soeben erschienen Buch von "mangelnder Unabhängigkeit der Justiz". Denn: Der Angeklagte habe offenbar "mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln(...)den Rest seiner Sammlung für seine Ehrenrettung ein(gesetzt)".

Angemessen wäre "Else-Lasker-Schüler-Preis"

In einem Antrag an den SPD-Unterbezirksvorstand zur Umbenennung des Preises stützt der ehemalige WDR-Studioleiter Wuppertal, Hajo Jahn, sich auf Bells und Buombergers Forschungsergebnisse und schreibt: "Mehr als 60 Jahre nach der NS-Diktatur gibt es nur noch einen kommunalen Kulturpreis in Deutschland, der nach einem "NS-Opportunisten" (SPIEGEL v. 13.02.06) benannt ist, den Eduard v. d. Heydt-Preis. Andere Beispiele zeugen von Einsicht und Umdenken im Hinblick auf unsere Vergangenheit(...) Einflussreiche Menschen wie der Bankier Eduard von der Heydt, haben das NS-Regime erst ermöglicht und stabilisiert. Solange die Unterstützer der Täter geehrt werden, werden die Opfer beleidigt und die kommenden Generationen die Gespenster der Vergangenheit nicht los. So werden künftige Generationen und Preisträger immer wieder fragen, wer denn dieser Eduard von der Heydt war, in dessen Namen die Stadt honorige Künstler ehrt."

Eduard von der Heydt - Im Safe seiner Bank
Eduard von der Heydt - Im Safe seiner Bank
Foto: Archiv Haus der Wannsee-Konferenz



Und deshalb, so Hajo Jahns Antrag an die SPD: "Der aus Steuergeldern finanzierte Kulturpreis wird umbenannt in Else-Lasker-Schüler-Preis. Die aus Wuppertal stammende Künstlerin war laut Friedrich Dürrenmatt "die Retterin der deutschen Sprache", als die Nazis auch die Sprache missbrauchten. Ihre Zeichnungen wurden als "entartet" aus der Berliner Nationalgalerie entfernt. Sie steht als Avantgardistin für alle Kunstformen, während der Baron abstrakte Kunst ablehnte. So würde die "größte Tochter der Stadt" dauerhaft und wiederkehrend geehrt."
 
Kulturdezernentin besorgt um frühere Preisträger
 
Kulturdezernentin Marlis Drevermann (SPD) reagierte auf die Forderungen Jahns, von Mitgliedern der Grünen und der Linkspartei ablehnend. Ihre Begründung: Frühere Preisträger könnten sich dadurch in ihrem Ansehen "beschädigt" fühlen, und: "Dass Eduard von der Heydt kein Held des Widerstands oder ein Verfolgter des Naziregimes war, tut seinen Verdiensten als Kunstsammler und um die Museen in Berlin, Zürich und Wuppertal keinen Abbruch(...) Eine erneute Umbenennung des Kulturpreises würde sich über die Entscheidungen der Wuppertaler Stadtverordnetenversammlungen von 1952 und 1957 hinwegsetzen." Ein eindeutiger Hinweis für die Ratsmitglieder von 2006, die am Montag auch brav entsprechend abstimmten.

Eine der von der Heydt-Villen - am Berliner Wannsee
Eine der von der Heydt-Villen - am Berliner Wannsee
Foto: Archiv Haus der Wannsee-Konferenz



Einer der Preisträger, um die sich die Kulturdezernentin Sorgen machte, war Heinrich Böll. Der kann sich zu deren Befürchtung nicht mehr äußern. Doch lebende Preisträger wie die Wuppertaler Jazz-Legende Peter Brötzmann und die Professoren Ulrich Leyendecker, Wolf Erlbruch und Helmut Hirsch unterstützen die von Hajo Jahn geforderte Umbenennung nach wie vor öffentlich. Die Lokalpresse ist hin und her gerissen.
 
Aufklärung durch den Namensgeber selbst

Da musste natürlich auch ein Nachkomme von der Heydts per Leserbrief in die öffentliche eingreifen: "Ihr Artikel hat mich erstaunt. Von einer Nazi-Vergangenheit meines Großonkels Eduard von der Heydt ist mir nichts bekannt. Dass er als Bankier und Vermögensverwalter des Deutschen Kaisers nicht zu den "Linken" seiner Zeit gehörte, versteht sich von selbst(...) Die Forderung einer Umbenennung halte ich für völlig überzogen. A. VON DER HEYDT, Hannover."

Aufklären könnte den/die Enkel/in in Hannover ein Brief von Großonkel Eduard aus dem Jahr 1925. "In der Tat", schrieb der Bankier damals, "sind die ganzen Depositen und Ersparnisse des deutschen Volkes durch die Organisation der Berliner Großbanken in der Hand von wenigen Berliner Juden, welche mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Geldmitteln die Wirtschaft terrorisieren und die öffentliche Meinung korrumpieren. (...) Angesichts der politischen Charakterlosigkeit des deutschen Volkes halte ich die Verjudung der deutschen Finanz und Öffentlichkeit für eine ganz ungeheure Gefahr und bekenne mich in diesem Zusammenhang durchaus zu den völkischen Ideen." Im Jahr 1925 war Eduard von der Heydt deshalb dem antidemokratischen  "Bund der Frontsoldaten - Stahlhelm" beigetreten, der NSDAP erst nach deren "Machtergreifung". Und nach der Wannsee-Konferenz konnte er es dann den Juden auf seine Weise zeigen: Mit den berüchtigten "Raubgold"-Geschäften in der Schweiz, an denen nicht nur die Thyssen-Bank beteiligt war. 



Online-Flyer Nr. 38  vom 04.04.2006

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