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Aktueller Online-Flyer vom 20. Juni 2025  

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Globales
Einige früher geehrte Vorgänger des neuen Friedensnobelpreisträgers:
Roosevelt, Wilson, Kissinger, Carter
Von Wolfgang Effenberger


Laut Testament des 1833 in Stockholm geborenen Alfred Bernhard Nobel soll sich seine Nobel-Stiftung für Frieden engagieren und Personen und Organisationen ehren, die der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben. Viele Preisträger entsprachen durchaus diesem Ideal ihres Stifters. Unter ihnen mutige und eindrucksvolle Persönlichkeiten wie Carl von Ossietzky, Martin Luther King, Nelson Mandela und Mutter Theresa. Doch viele andere Entscheidungen waren vermutlich nicht im Sinne Alfred Nobels. Da bleiben die Kriterien für die Preisvergaben an weniger Friedfertige rätselhaft. Hier dürften Zeitgeist und politisch taktische Winkelzüge die Juroren geleitet haben.


Preisstifter Alfred Nobel
Quelle: wikipedia
Den schillernden Reigen der Friedensnobelpreisträger eröffneten 1901 zwei Friedensaktivisten: Jean Henri Dunant, Gründer des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, und Frédéric Passy, Gründungspräsident der ersten französischen Friedensgesellschaft. Die Vergabe des Preises 1905 an Bertha von Suttner hätte den 1896 verstorbenen Stifter wohl auch erfreut. Sie war 1878 die Privatsekretärin des Sprengstoffproduzenten und Rüstungsprofiteurs geworden, gab diese Stelle jedoch bereits eine Woche später wieder auf, wurde eine bedeutende Friedensaktivistin. Vermutlich prägte der ständige Briefwechsel mit ihr wesentlich Nobels spätere Haltung zum Krieg und regte ihn zur Stiftung des Friedensnobelpreises an.
 
Theodore „Teddy“ Roosevelt
 
Doch schon ein Jahr später entschied sich das Osloer Preiskomitee für eine radikale Wende in seiner Vergabepolitik. Als ob der leibhaftige Beelzebub bei den Juroren interveniert hätte, wurde der Preis 1906 erstmalig an einen US-Präsidenten, Theodore „Teddy“ Roosevelt, vergeben. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass Roosevelt ein Jahr zuvor mitgeholfen habe, den Russisch-Japanischen Krieg zu beenden. Doch der Politiker war beileibe kein Friedensapostel.


Theodore Roosevelt
NRhZ-Archiv
 
Zu Beginn des Krieges gegen Spanien hatte er sich als Marineminister beurlauben lassen, um an der Spitze seines Regimentes der "Rough Rider" auf Kuba in die Schlacht zu ziehen. Für ihn war der Feldzug ein grandioses Abenteuer. Als Kommandant nahm er keine Rücksicht auf das Leben seiner Leute, obschon er in den Kampfpausen väterlich für sie sorgte. Noch weniger Respekt hatte er vor dem Feind. „Did I tell you that I killed a Spaniard with my own hand“‚ heißt es an einer Stelle in einem Brief von Roosevelt, die als Illustration zu dieser "Jagd" gelten mag. Für den Cromwell-Verehrer stand unverückbar fest, dass der zivilisierte Mensch den Frieden nur erhalten kann, wenn er seinen primitiven Nachbarn unterwirft. Für "Teddy" waren die Ureinwohner nicht einmal primitive Nachbarn: „Den Indianern ihre Jagdgründe zu lassen, hätte bedeutet, unseren Kontinent zottigen Wilden zur Verfügung zu stellen; es blieb nur die Alternative, sie auszumerzen.“  
 
Noch vor seinem Amtsantritt als Präsident verkündete Theodore Roosevelt: „Wir können nicht dauernd innerhalb unserer Grenzen bleiben und uns einfach als prosperierende Krämer bezeichnen, die sich für die Ereignisse in der Welt nicht interessieren. Im Kampf um die Überlegenheit auf See und im Handel müssen wir unsere Macht jenseits unserer Grenzen festigen.“ Das geschah mit der Politik des "big stick", dem Großen Knüppel. Heute patrouilliert der am Irak-Krieg beteiligte Flugzeugträger "Theodore Roosevelt" vor den Gewässern des Mittleren Ostens.
 
Mit der Teilnahme der USA an der Haager Friedenskonferenz von 1907 wurde die endgültige Abkehr vom Isolationismus und das Hinstreben in den Kreis der Weltmächte deutlich. Im gleichen Jahr wurden im Kongress und in Kalifornien anti-japanische Ressentiments laut. Unverzüglich schloss Roosevelt mit Japan ein „Gentlemen's Agreement“, in dem Japan freiwillig die Emigration seiner Bürger in die Vereinigten Staaten einschränkte. Anschließend schickte Roosevelt die durch seine Anstrengungen hoch effizient ausgebaute Kriegsmarine ("Great White Fleet") über ein ganzes Jahr zur Machtdemonstration auf Weltreise. Der Globus sollte von der Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der amerikanischen Marine überzeugt werden. An dieser Demonstration im Sinne einer nebulösen "big stick diplomacy" beteiligten sich 16 Kriegsschiffe, die alle erst seit dem spanisch-amerikanischen Krieg gebaut worden waren.


Roosevelts "Große Weiße Flotte" auf ihrer Reise um die Welt
Montage: W.Effenberger
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Bei allen Vorhaben ließ sich Roosevelt von seinem Motto leiten "Walk softly and carry a big stick" (Gehe vorsichtig und trage einen großen Stock bei dir). Eine weitere Empfehlung an seine Diplomaten bezüglich internationaler Angelegenheiten lautete: „Frage zuerst, aber überzeuge zugleich mit einer starken Armee. Bei Androhung von Gewalt handele stets als Weltpolizist.“ Unter diesem Aspekt versuchte er seine auswärtige Politik in Lateinamerika umzusetzen.
 
Woodrow Wilson
 
Während in Europa 1914 die Lichter ausgingen, ließ Präsident Woodrow Wilson bereits in seinem ersten Amtsjahr die USA in den mexikanischen Bürgerkrieg eingreifen. Nach einem kurzen Waffenstillstand fielen 1916 die US-Invasionstruppen unter General Pershing nochmal in Mexiko ein. Im Februar 1917 – Wilson hatte schon längst beschlossen in den Ersten Weltkrieg einzutreten – wurde Pershing nach Washington zurückbeordert, um als künftiger Kommandeur die Invasionsverbände für Europa zusammenzustellen. In den "neutralen" USA selbst lief ein Propagandafeld gegen die Deutschen als "Kreuzzug gegen die Hunnen". Zu leiden hatten die deutschstämmigen Mitbürger. Ihre Denkmäler wurden gestürzt und das Abspielen deutscher Komponisten verboten. Deutsche Lehnswörter wurden aus dem Sprachgebrauch verbannt.


Wilsons US-Truppen marschieren 1914 in Vera Cruz ein
Quelle: www.heritage-history.com
 
Mit dem angeblichen Ziel, die Welt für die Demokratie sicherer zu machen, erklärte Wilson im April 1917 dem Deutschen Reich den Krieg. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Wall Street den Mittelmächten 27 Millionen Dollar an Krediten vergeben – im Gegensatz zu 2300 Millionen an die Entente. In diesem Kriegsjahr wurde der Friedensnobelpreis erstmals an eine Institution, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, vergeben.
 
Am 8.Januar 1918 verkündete Präsident Wilson in einer Botschaft an den Kongreß seinen 14 Punkte-Plan zur Beendigung des Ersten Weltkrieges. Damit suggerierte er dem Kongress und der amerikanischen Öffentlichkeit die Möglichkeit eines fairen Friedens und einer gerechten Nachkriegsordnung, nährte aber damit gleichzeitig die Hoffnung der deutschen Linken auf eine demokratische Republik, wie auch später die Hoffnung des autokratischen Deutschland, glimpflich aus dem Krieg herauszukommen. Jedoch wurden nur Teile dieses Programms in den Pariser Vorvorträgen verwirklicht. Insbesondere wurde das Selbstbestimmungsrecht der Völker in mehreren Fällen verletzt, etwa durch Verweigerung von Autonomie und/oder Abstimmungen in fast ausschließlich deutschsprachigen Gebieten. Darin sieht der amerikanische Historiker Murray L. Eiland Wilson in der Mitverantwortung für das Entstehen des Faschismus in Deutschland.  
 
Am 10. Dezember 1920 erhielt Wilson den Friedensnobelpreis, weil er für viele Zeitgenossen als Kämpfer für Freiheit, Selbstbestimmung und internationale Zusammenarbeit galt – im Gegensatz zum imperialen Streben der europäischen Mächte nach einer Vergrößerung ihrer territorialen Besitztümer. Seine Politik brachte Amerika den Ruf, eine selbstlose, friedliche und letztlich nur für das globale Gemeinwohl zu den Waffen greifende Macht zu sein. Im Zeitalter der Massenmedien eine entscheidende Voraussetzung für die Durchsetzung eines globalen Machtanspruchs.
 
Hitler oder Gandhi?
 
An der Schwelle zum Zweiten Weltkrieg befand sich das Osloer Nobelpreiskomitee erneut in der Zwickmühle. Es sollte zwischen zwei Personen entscheiden, die unterschiedlicher nicht sein konnten – Adolf Hitler und Mahatma Gandhi. Schließlich ging der Preis an die "Internationale Nansen-Hilfe für Flüchtlinge und Staatenlose". Mag heute die Nominierung Hitlers schockierend wirken, damals sahen viele im Westen den deutschen Führer als Bollwerk gegen den Bolschewismus.
 
Henry Kissinger
 
1973 wollte das Osloer Nobelkomitee zwei Preisträger zu ehren, die für ein und dasselbe Ziel eingetreten waren. Neben US-Außenminister Henry A. Kissinger wurde dem nordvietnamesischen Diplomaten und Politbüromitglied der kommunistischen Partei, Le Duc Tho, der Preis zuerkannt. Beide hatten nach langwierigen Verhandlungen in Paris endlich einen Waffenstillstand vereinbart. Während Le Duc Tho sich dieser gemeinsamen Ehrung verweigerte, nahm Kissinger den Preis dankend an. Laut Peter Scholl-Latour war dieser Waffenstillstand nichts anderes als "Augenwischerei", die dann auch noch von einer „törichten nordischen Jury mit dem Nobelpreis“ für Henry Kissinger belohnt wurde. In einem geheimen Protokoll hatten sich die Amerikaner zum Truppenabzug verpflichtet und in einem Zusatzprotokoll zur Zahlung einer milliardenschweren Aufbauhilfe an Hanoi.
 
Zeit seines Politikerlebens verfolgte Kissinger ebenso zielstrebig wie rücksichtslos die Interessen der USA. Durch ihn wurde der Vietnamkrieg unnötig in die Länge gezogen. Zynisch wurden Millionen von Toten in Vietnam, in Laos und Kambodscha als notwendige Opfer im Rahmen der West-Ost- Konfrontation verbucht. Wenn das Töten hunderttausender unschuldiger Bauern durch den Abwurf von Millionen Tonnen Bomben auf zivile Ziele kein Kriegsverbrechen ist, so konstatierte der Vietnamkriegsveteran Fred Branfman bitter, „dann gibt es keinerlei Kriegsverbrechen. Und wenn Kissinger für diese Verbrechen nicht verantwortlich ist, dann gibt es keine Kriegsverbrecher.“
 
Jimmy Carter
 
Bei seinem Amtsantritt gab Jimmy Carter populäre Versprechen ab. Neben einer Wirtschaftsreform kündigte er eine Außenpolitik im Dienste der "Menschenrechte" an. Dieser Rhetorik folgten jedoch keine entsprechenden Taten. Zwar predigte Carter auf dem internationalen Parkett für Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion, während er gleichzeitig eine aggressive Politik mit dem Ziel, die UdSSR zu unterminieren und zurückzudrängen, in Gang brachte. Die berüchtigste Operation in dieser Hinsicht war die verdeckte amerikanische Unterstützung für die islamisch-fundamentalistischen Guerrillas, die gegen die von den Sowjets unterstützte Regierung in Afghanistan kämpften. Washington ließ Geld und Waffen in das Land fließen – am Ende im Gesamtwert von etwa 5 Milliarden Dollar – um einen Krieg zu schüren, der das Land verwüstete und 1,5 Millionen Menschen das Leben kostete.
 
Um die Gegner des prosowjetischen Regimes in Kabul zu stärken, unterzeichnete Carter am 3. Juli 1979 die erste Direktive zur heimlichen Unterstützung der Opposition. Dazu gehörte die Anwerbung islamischer Fundamentalisten aus dem arabischen Raum. Unter denen, die von Washington bewaffnet und finanziert wurden, befand sich auch Osama bin Laden. Carters Sicherheitsberater, Zbigniew Brzezinski, hatte dem Präsidenten erklärt, dass „diese US-Unterstützung eine militärische Intervention der Sowjets nach sich ziehen würde.“ Als knapp sechs Monate später die Sowjets in Afghanistan einmarschierten, hielt Brzezinski fest: „Wir haben jetzt die Gelegenheit, der UdSSR ihren Vietnamkrieg zu verschaffen.“ Für ihn ist Eurasien das Schachbrett, „auf dem der Kampf um globale Vorherrschaft auch in der Zukunft ausgetragen wird.“ Und für dieses Ziel sei “Europa Amerikas unverzichtbarer geopolitischer Brückenkopf auf dem eurasischen Kontinent.“
 
Am 23. Januar 1980 definierte Carter vor dem Kongress folgende Doktrin: „Jeder Versuch einer fremden Macht, die Kontrolle über die Region am Persischen Golf zu erlangen, wird als Angriff auf die lebenswichtigen Interessen der Vereinigten Staaten angesehen. Ein solcher Angriff wird mit allen erforderlichen Mitteln, einschließlich militärischer Gewalt, zurückgeschlagen werden.“ Seine Begründung, diese Politik sei durch die „überwältigende Abhängigkeit der westlichen Nationen von den lebenswichtigen Ölreserven des Nahen Ostens" bedingt. Brzezinski entwarf zur militärischen Absicherung dieser ressourcenreichsten Region eine Militär-Architektur mit schnell beweglichen Einsatzkräften. Daraus ging das zentrale US-Kommando CENTCOM hervor, das sich als entscheidender Befehlsbereich vom kaspischen Meer über die Golfregion bis zum Horn von Afrika ausdehnt und im Süden sogar die britische Insel Diego Garcia einschließt. Ergebnis: nach 26 Jahren herrscht in weiten Teilen von CENTCOM Krieg!
 
Die Carter-Doktrin wurde zur Hauptwurzel des ersten Golf-Krieges, des aktuellen Afghanistan- und des Irakkrieges sowie eines möglichen Krieges gegen den Iran. Brzezinskis obsessives Eintreten für seine politischen Vorstellungen führte zur Wiederkehr des Geo-Imperialismus, löste einen neuen kalten Krieg aus und hauchte dem "islamistischen Terrorismus" das Leben ein und führte zu den Terroranschlägen, die am 11. September 2002 beinahe 3.000 Amerikanern das Leben kosteten. (Mehr dazu in der dreiteiligen NRhZ-Serie "Die Welt als Schachbrett" ab http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12818)
 
Nach seiner Präsidentschaft setzte sich Carter überall dort für Menschenrechte ein, wo direkte Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen der USA nicht betroffen waren. Wie jedem Präsidenten (und auch jeder First Lady) ordnete das Weiße Haus auch Carter auf seinen Internet-Seiten ein "Fast Fact", eine Art Schlagwort für die jeweilige Präsidentschaft, zu. Das "schnelle Faktum" zu Carter lautet „Jimmy Carter championed human rights throughout the world.” Die ganze Welt? Bald konnte Carters "Fast Fact" mit einem weiteren Zusatz geschmückt werden: Friedensnobelpreis 2002.
 
Barack Hussein Obama
 
Völlig überraschend wurde nun auch US-Präsident Barack Hussein Obama am  9. Oktober von den Osloer Juroren für seine "außerordentlichen Bemühungen zur Stärkung der internationalen Diplomatie" geehrt. Schon in den ersten acht Monaten seiner Amtszeit habe er ein „neues internationales Klima" geschaffen und so weltweit „Entspannung" und „Ausgleich" ermöglicht. Besonders wurde sein angeblicher Einsatz für eine „Welt ohne Atomwaffen" vom Komitee hervorgehoben. Auch habe die neue Regierung in Washington den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen wieder ein größeres Gewicht eingeräumt. 

"Obama auf dem Weg durch Afghanistan zur Preisverleihung in Oslo"
Cartoon: Mr. Fish - http://thinkpress.files.wordpress.com
 
„Ich bin überrascht und zutiefst demütig“, sagte der Geehrte im Rosengarten des Weißen Hauses. Um ehrlich zu sein, glaube er nicht, dass er es verdiene, sich in der Gruppe vergangener Nobelpreisträger zu befinden, die so viel erreicht hätten. Er betrachte den Preis nicht als eine Bestätigung für Erreichtes, „sondern als eine Herausforderung.“
 
Selbst treue Atlantiker geben zu bedenken, dass die Hoffnungen der vom Messias-Wahn infizierten Nobel-Auguren in erster Linie auf „fulminanten Reden und diplomatischen Initiativen" beruhen. Bisher besteht Obamas diplomatische Großtat ausschließlich darin, diplomatische Großtaten in "historischen Reden" angekündigt zu haben. Nun müssen langsam den "zuckersüßen Worten" die entsprechenden Taten folgen. Der Abzug der zwanzig Atomsprengkörper aus Büchel wäre zwar nicht einmal der Tropfen auf dem heißen Stein – aber immerhin ein Anfang. Da aber nicht einmal das geschieht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Obama mit vielen seiner Initiativen scheitern wird. Gescheitert ist er auch mit seinem Wahlversprechen, jeden Monat eine US-Brigade aus dem Irak abzuziehen. Medienwirksam wurde im Sommer nur der Abzug der US-Truppen aus den irakischen Städten gemeldet. Dass sie nur sichere Stützpunkte außerhalb der Städte bezogen, ging in den meisten Medien unter.
 
Selbst wenn nun bis Mitte 2010 alle US-Soldaten den Irak verlassen sollten, wird ein Teil von ihnen direkt nach Afghanistan weitermarschieren. Was eine Verstärkung der US-Truppen dort mit einer immer brutaleren Aufstandsbekämpfung diesseits und jenseits der Grenze zu Pakistan mit "Entspannung" zu tun hat, wird wohl ein Geheimnis der erlauchten Komiteemitglieder bleiben. Verhandlungen mit "gemäßigten" Taliban scheinen ebenfalls nicht realisierbare Wunschträume der Obama-Administration zu sein. Auch für sie wird ein Friede unmöglich zu erreichen sein, solange die Operation "Enduring Freedom" andauert. So wird weiter ein angeblich "begrenzter Krieg" gegen al-Qaida in Afghanistan und Pakistan mit Hilfe von Spezialtruppen, Raketen und Drohnen geführt werden.
 
Obamas Fähigkeit zum "Ausgleich" besteht wohl in erster Linie darin, seine Reform-Politik wie Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo oder Einführung eines gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes so lange zu verwässern, bis so gut wie nichts mehr davon übrig bleibt.
 
In seiner ebenfalls als historisch eingestuften Kairoer Rede Anfang Juni 2009, forderte er sogar ultimativ einen Siedlungsstop in den Palästinensergebieten. Die gleiche Forderung wiederholte er Ende September vor der UN. Am nächsten Tag wurde aus Jerusalem die Genehmigung für weitere Siedlungen bekannt und seither wird fleißig weitergebaut. In den Augen der Palästinenser wie der arabischen und islamischen Welt hat sich Obama als Makler entlarvt, der entweder machtlos ist oder aber auf Seiten der israelischen Regierung steht.

Im Streit um Irans Atomprogramm könnte es zu einem israelischen Luftangriff auf die Nuklearanlagen kommen. Die USA könnten sich in diesem Fall kaum aus dem Konflikt heraushalten. Zu Beginn des Libanonkrieges im Jahr 2006 verabschiedete der US-Kongress die Resolution 921. Sie erhält in Anlehnung an Wilson auch wieder 14 Punkte. Unter Punkt 9 wird dem Präsidenten der Vereinigten Staaten empfohlen, „Israel bei der Beantwortung dieser bewaffneten Angriffe durch Terror-Organisationen und ihre staatlichen Förderer voll zu unterstützen“, während ihm unter Punkt 10 dringend nahegelegt wird, „die volle Stärke politischer, diplomatischer und wirtschaftlicher Sanktionen, die der Regierung der Vereinigten Staaten zur Verfügung stehen, gegen die Regierung von Syrien und Iran vorzubringen.“ So würden die USA den Angriff möglicherweise gemeinsam mit den Israelis oder sogar alleine führen,und dann wäre Barack Obama ein Friedensnobelpreisträger, der einen neuen Krieg im Mittleren Osten beginnt.
 
Was wird aus Obamas Anhängern, wenn der bewunderte Friedenbringer und messianische Hoffnungsträger in Afghanistan und Pakistan Chaos und Niedergang hinterlässt, wenn er einen Luftschlag gegen iranische Atomanlagen befiehlt oder wenn unter seiner Führung der nächste Rüstungswettlauf mit China beginnt? Von den innenpolitischen Problemen ganz zu schweigen.
 
Der Friedensnobelpreis für den "strauchelnden Hoffnungsträger" hat nicht nur überrascht, sondern auch zwangläufig geteilte Meinungen in der Welt ausgelöst. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel von einer "großartigen Auszeichnung" sprach, bezeichnete der polnische Friedensnobelpreisträger Lech Walesa die Auszeichnung als verfrüht. Für den SZ-Journalisten Stefan Kornelius ist diese Verleihung „eine kaum noch nachzuvollziehende Verirrung von sechs Juroren, denen jedes Gefühl für Realismus und jede Urteilskraft abhanden gekommen ist.“ Das Komitee habe seine Auszeichnung in Erwartung einer sich zu erfüllenden Prophezeiung vergeben.
 
Wenig wird es Obama wohl nützen, dass ihm der angeschlagene afghanische Präsident und Wahlfälscher Hamid Karsai am Freitag Glückwünsche sandte. Gleichzeitig kamen nämlich besonders kritische Stimmen aus Pakistan und Afghanistan. „Das ist ein Witz“, sagte Liaqat Baluch, Chef der religiös-konservativen Partei Jamaat-e-Islami. Obama habe keine Verdienste für den Frieden vorzuweisen. „Welchen Wandel hat er im Irak, Nahen Osten und in Afghanistan vollbracht?“ Ein Sprecher der afghanischen Taliban sagte: „Friedensnobelpreis? Obama hätte besser einen Nobelpreis für das Schüren von Gewalt und das Töten von Zivilisten erhalten sollen.“ Es sei absurd, dass der Friedensnobelpreis an einen Mann gehe, der zusätzlich 21 000 Soldaten nach Afghanistan geschickt habe.
 
Das vom Komitee so hochgelobte "neue internationale Klima" scheint also vor allem darin zu bestehen, dass Barack Obama die imperialen Züge der US-Außenpolitik durch eine veränderte Taktik teilweise ausbügeln konnte. Sein charismatisches Auftreten und seine Friedenbotschaften führten die USA zwar bis auf weiteres aus der außenpolitischen Isolation heraus. Doch der innenpolitische Vertrauensgewinn war schon vor der Preisverleihung dramatisch abgeschmolzen. (PK)


Mit dem Preis für Obama befaßt sich auch ein Beitrag unseres Autors H.D.v. Kirchbach in dieser Ausgabe. 

Online-Flyer Nr. 219  vom 14.10.2009

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