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Inland
Die Bundeswehr soll in die Demokratische Republik Kongo
Zur Demokratisierung oder wegen Rohstoff-Interessen?
Von Hans Georg

Bundespräsident Horst Köhler, Wirtschaftsfachmann und ab 2000 vier Jahre lang Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds IWF in Washington, nannte am Freitag den umstrittenen Bundeswehr-Einsatz im Kongo "einen Beitrag zur Demokratisierung". Der Wahrheit näher kommt wohl der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Andreas Schockenhoff. Er konstatierte, die DR Kongo verfüge "vor allem über strategische Rohstoffe (...), die für Europa wichtig sind".

Strategische Rohstoffe

Dabei handelt es sich u.a. um Vorkommen, die für die Herstellung von Düsenmotoren und Raketenteilen benötigt werden. Förderort ist die die Mine Lueshe, eine der zwei bedeutendsten Lagerstätten ihrer Art weltweit. Bei der Ausbeutung der Mine nahmen staatliche Stellen der Bundesrepublik seit 1994 Teilhaberfunktionen wahr und widersetzten sich Anordnungen der kongolesischen Regierung. Ab dem Jahr 2000 wurde die Mine unter den zweifelhaften Schutz konkurrierender Rebellenmilizen gestellt. Das "Rassemblement Congolais pour la Démocratie" (RCD) bezahlte seinen Sezessionskrieg mit Einkünften aus dem Ressourcengeschäft. Wegen dieser Rohstoffdeals haben die Vereinten Nationen erstmals 2001 schwere Vorwürfe erhoben und verdächtigen den deutschen Organisator Karl-Heinz Albers, einer der Hauptfinanziers der damaligen Kampfhandlungen zu sein.
 
Rücksprache mit dem AA

Trotz der Kritik der Vereinten Nationen und trotz entsprechender Interventionsforderungen der EU ging die Bundesregierung nicht gegen das Firmennetz vor, das Albers in Deutschland zur Abwicklung seiner kongolesischen Rohstoffgeschäfte aufbaute. Vielmehr war diplomatisches Personal Berlins unterstützend in Albers' Aktivitäten verwickelt. Dies bestätigen Dokumente, die german-foreign-policy vorliegen. So fungierte die ehemalige deutsche Botschafterin in Ruanda, Johanna König, innerhalb des Firmennetzes als Aufsichtsrätin. In einer Außenstelle in der ruandischen Hauptstadt Kigali war sie mit operativen Geschäften beauftragt und hielt dabei Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt. Auch Maßnahmen der deutschen Botschaft in Kinshasa kamen Albers zugute. Als die dortige Regierung nach dem Ende des Krieges die Kontrolle über den Ostkongo zu übernehmen begann und Albers Anfang 2004 wegen seiner illegalen Ressourcengeschäfte inhaftierte, intervenierte die Berliner Vertretung zu seinen Gunsten. Ein gewöhnlicher Akt der Fürsorge für im Ausland angeklagte deutsche Staatsbürger, erklären deutsche Diplomaten; Berlin habe massiven Druck ausgeübt und damit schließlich Albers' Flucht begünstigt, urteilen Zeugen gegenüber german-foreign-policy.com.

Mehrheitlich deutsches Unternehmen

In Lueshe kooperierte diplomatisches Personal der Bundesrepublik auch mit Personen, die in unmittelbarer Beziehung zu einer vom UN-Sicherheitsrat mit Strafmaßnahmen belegten Organisation stehen. Die Vereinten Nationen werfen der Vereinigung "Tous pour la paix et le développement" (TPD) den Bruch des kongolesischen Waffenembargos vor; TPD-Mitglieder haben deswegen weltweites Reiseverbot, ihre Konten sollen in allen UN-Mitgliedsstaaten eingefroren werden. Modé Makabuza, Bruder des TPD-Chefs und der Organisation nach UN-Angaben selbst "eng verbunden", tritt seit dem 3. April 2004 als Geschäftsführer des mehrheitlich deutschen Unternehmens Somikivu auf, das bis 1999 die Bergbaurechte in Lueshe innehatte und sie seitdem trotz der Vergabe der Mine an ein konkurrierendes Unternehmen zu verteidigen sucht. Somikivu unterliegt über einen Treuhandvertrag der Kontrolle staatlicher Stellen der Bundesrepublik.

Botschafterin begleitet vom Rebellenchef

Kontakte zwischen diplomatischem Personal Berlins und der TPD sind bereits für das Jahr 2004 belegt. Bei ihrem oben erwähnten. Besuch der Mine Lueshe, wurde, wie aus Dokumenten hervorgeht, die dieser Redaktion vorliegen, Botschafterin König vom TPD-Chef und dessen Bruder Modé Makabuza begleitet. Scharfe Kritik der Vereinten Nationen und der Europäischen Union konnte ihre Tätigkeit nicht aufhalten. Dabei ließ sich die Botschafterin vom Auswärtigen Amt anleiten, heißt es in einem Sitzungs-Protokoll der von ihr beaufsichtigten Firma: "She checked with the German Foreign Office, no problem". Das "Executive Meeting" des zweifelhaften Minenunternehmens, in dem die deutsche Diplomatin gemeinsam mit Bürgerkriegsfinanziers Geschäfte wahrnahm, datiert vom Mai 2002.

Mine als Zuflucht für Bewaffnete

Seitdem hält die staatliche Kooperation der Bundesrepublik mit den von der UNO gegeißelten Bellizisten an. Noch am 10. Dezember 2005 traf ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kinshasa am Förderort der begehrten Rohstoffe ein und gab an, auf ausdrückliche Weisung des Auswärtigen Amts nach Lueshe gereist zu sein - "in Begleitung örtlicher Mitarbeiter der Somikivu". Die "örtlichen Mitarbeiter" unterstehen Modé Makabuza und damit jenem kriegsunterstützenden TPD-Geflecht, das die UNO mit Strafmaßnahmen belegt hat. Zwei Tage nach dem Besuch des deutschen Diplomaten verjagten Truppen der regulären kongolesischen Armee fremde Milizen vom Minengelände. Die Bewaffneten aus Ruanda hatten bereits nach einem gescheiterten Bürgerkriegs-Überfall im Mai 2004 in Lueshe Zuflucht gefunden - unter den Augen des Somikivu-Geschäftsführers Modé Makabuza.

Bis 2004 auch BAYER-Tochter beteiligt

In die Rohstoffgeschäfte der Jahre 2000 bis 2004 ist auch die Bayer-Tochtergesellschaft H.C. Starck verwickelt. H.C. Starck gilt als einer der weltweit bedeutendsten Produzenten von Vorstoffen für die Hartmetall-Industrie und erzielte im vergangenen Jahr einen weltweiten Umsatz von 920 Millionen Euro. Das Unternehmen aus Goslar gehörte bereits im Jahr 2002 zu den Firmen, deren Überprüfung wegen Krieg finanzierender Rohstoffgeschäfte im Ostkongo die Vereinten Nationen forderten. Damals wurde der Bayer-Tochtergesellschaft "Mitverantwortung für die grauenhaften Kämpfe" im Kongo vorgeworfen, in deren Verlauf mehrere Millionen Menschen ums Leben kamen. Nach massiven Interventionen gelang es dem Unternehmen, von der entsprechenden UN-Liste gestrichen zu werden. "H.C. Starck kauft derzeit keine Rohstoffe aus Zentralafrika", erklärte die Firma im Juni 2003.

Im Sande verlaufen

Tatsächlich trieb die Bayer-Tochter Handel mit dem von der UNO gebrandmarkten deutschen Firmennetz, bis dessen Organisator Albers 2004 Insolvenz anmelden musste. Dabei wickelte H.C. Starck seine Geschäfte teilweise über Ruanda ab und erhielt auch Rohstoffe aus dem kongolesischen Kriegsgebiet. Beschwerden, denen zufolge die Bayer-Tochtergesellschaft gegen internationale Handelsrichtlinien verstoße und zur Verantwortung gezogen werden müsse, verliefen im Sand. Zuständig für die Beurteilung der Beschwerden war das Bundeswirtschaftsministerium, das bis heute deutsche Ansprüche auf die Mine Lueshe aufrechterhält.

Mehr unter www.german-foreign-policy.com



Online-Flyer Nr. 37  vom 28.03.2006

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