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Medien
Wie Roland Koch die Wahl des Chefredakteurs zu beeinflussen versucht
Das ZDF gehört nicht der CDU
Von Franz Kersjes

Der Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Markus Schächter, will dem Verwaltungsrat seinen Chefredakteur Nikolaus Brender zur Wiederwahl vorschlagen. Im ZDF-Staatsvertrag § 27,2,b steht: „Der Intendant beruft im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat den Chefredakteur.“ Brenders Vertrag läuft noch bis Ende März 2010. Nach einem ungeschriebenen ZDF-Gesetz ist dem Betroffenen etwa ein Jahr vor Vertragsende mitzuteilen, ob sein Kontrakt verlängert wird oder nicht.

Als Journalist zu 
unabhängig? – Nikolaus
Brender 
Quelle: Wikimedia
Der Verwaltungsrat des ZDF hat 14 Mitglieder. Zehn davon sind ehemalige oder amtierende Politiker, während sechs vom Bund und von den Ländern entsandt werden: Kurt Beck (SPD), Roland Koch (CDU), Peter Müller (CDU), Matthias Platzeck (SPD), Edmund Stoiber (CSU) und Bernd Neumann (CDU). Vorsitzender ist Kurt Beck. Sein Stellvertreter Roland Koch hat mehrfach erklärt, dass er Nikolaus Brender nicht mehr wählen wird.
 
Der hessische Ministerpräsident wirft dem Chefredakteur Erfolglosigkeit vor. In einem bemerkenswerten Interview, das am 25. Februar 2009 in der FAZ erschienen ist, versucht der CDU-Politiker den Eindruck zu erwecken, es gehe ihm im Falle Brender nicht um Politik, sondern um die Einschaltquoten der Informationssendungen. Der Vorwurf: Seit 2002 habe die Nachrichtensendung “heute“ 26 Prozent ihrer Zuschauer verloren, das “Auslandsjournal“ 56 Prozent und der “Länderspiegel“ 16 Prozent. Für Roland Koch ist offensichtlich die Einschaltquote das Maß aller Dinge!
 

Einschaltquoten-Fan Roland Koch - hat mit
Unabhängigkeit ein Problem
NRhZ-Archiv
Anders als bei den kommerziellen Rundfunkveranstaltern ist es gerade nicht Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in erster Linie für Erfolgsquoten zu sorgen. Das geht schon aus dem ZDF-Staatsvertrag hervor, in dem die Aufgaben für die Programmangebote grundsätzlich geregelt sind. In § 5 heißt es: „In den Sendungen des ZDF soll den Fernsehteilnehmern in Deutschland ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden. Die Sendungen sollen eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung fördern. … Das Geschehen in den einzelnen Ländern und die kulturelle Vielfalt Deutschlands sind angemessen im Programm darzustellen.“ Und in § 6 heißt es: „Die Berichterstattung soll umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein. Herkunft und Inhalt der zur Veröffentlichung bestimmten Berichte sind sorgfältig zu prüfen.“
 
Zu viel Unabhängigkeit bewiesen
 
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat staatsfern zu sein! Und nirgendwo im Staatsvertrag für das ZDF steht, dass politische Parteien über Personalentscheidungen zu bestimmen hätten. Der parteilose Nikolaus Brender hat während seiner verantwortungsvollen Tätigkeit seine Unabhängigkeit gegenüber allen Versuchen parteipolischer Einflussnahme bewiesen. Mit dieser Unabhängigkeit hat die CDU offensichtlich ein Problem.
 
Das „heute-journal“, das mit durchschnittlich 3,3 Millionen Zuschauern regelmäßig über eine Million vor den „Tagesthemen“ liegt, hat den höchsten Anteil aller Nachrichtenmagazine an Politik-, Wirtschafts- und Kulturthemen. Nikolaus Brender hat das Magazin „Frontal 21“ etabliert, das inzwischen sogar das erfolgreichste Politikmagazin ist, und er hat immer wieder

aufwendig recherchierte Dokumentationen („Das Pharma-Kartell“, „Mission Gold“, „Das Milliardenspiel“) ins Programm gesetzt. Das hat manchem Politiker und Lobbyisten sicherlich nicht gefallen. Aber genau das ist unabhängiger, verantwortungsvoller Journalismus.
 
Kochs Selbstverständnis in der FAZ
 
Im erwähnten FAZ-Interview offenbarte der CDU-Politiker Koch sein höchst merkwürdiges Selbstverständnis: „Politiker sind nicht eine Gefahr für die Demokratie, sondern ihre Grundlage.“ Unglaublich! Grundlagen der Demokratie sind unter anderem das Grundgesetz, freie Wahlen, die Achtung von Minderheiten, die Versammlungs- und die Pressefreiheit. Politiker gehören lediglich zum Personal der Demokratie.
 
Dass in den Aufsichtsgremien des ZDF, im Unterschied zu den meisten ARD-Landesrundfunkanstalten, immer noch die Parteien die Mehrheit stellen und selbst die Bundesregierung dort vertreten ist, hat mit der Geschichte des Senders zu tun. Dietrich Leder schreibt dazu in einem Leitartikel der Funkkorrespondenz: „Als die Pläne Adenauers für ein privatwirtschaftliches >Deutschland-Fernsehen< 1961 am Bundesverfassungsgericht gescheitert waren, trat an die Stelle des privaten Senders mit dem ZDF eine zentrale, also bundesweit agierende öffentlich-rechtliche Anstalt. In deren Aufsichtsgremien musste gleichsam als Kompensation die Bundesregierung vertreten sein, obgleich der Rundfunk ausdrücklich keine Bundes-, sondern Ländersache ist. Zudem bekamen selbstverständlich alle Bundesländer das Recht, Regierungsvertreter in die Gremien des neuen Senders zu delegieren.“ Diese parteipolitische Besetzung des ZDF-Fernsehrates mit seinen 77 Mitgliedern bedarf längst einer verfassungsrechtlichen Überprüfung. Denn es bestehen erhebliche Zweifel, ob mit dem bestehenden Einfluss der Parteien die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet ist.
 
Klage beim Bundesverfassungsgericht?
 
Seit März dieses Jahres versucht der ZDF-Intendant Markus Schächter alles, um eine Vertragsverlängerung für Nikolaus Brender durchzusetzen. Die Vertreter der CDU/CSU verweigern hartnäckig ihre Zustimmung. Aber in Kürze muss (!) eine Abstimmung im Verwaltungsrat erfolgen. Sollte der Vorschlag des Intendanten keine Zustimmung finden, wird eine Klage beim Bundesverfassungsgericht unumgänglich. Es darf nicht sein, dass Politiker in Rundfunkgremien Entscheidungen prägen, die ihnen nach unserer Verfassung gar nicht zustehen. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen die Politiker kontrollieren und nicht umgekehrt! (PK)
 
Franz Kersjes war viele Jahre Landesvorsitzender der IG Druck und Papier, später der Gewerkschaft ver.di in NRW, und gibt jetzt die www.weltderarbeit.de heraus, der wir diesen Artikel entnommen haben. 

Online-Flyer Nr. 212  vom 26.08.2009

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