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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Lokales
Kölns Polizei und Polizeipräsident a.D. Roters sind sich nicht einig
„Kampagne Pyranha“ bekämpfen oder fördern?
Von Peter Kleinert

Höhepunkt des monatelangen „autonomen Kölner Kulturprogramms“ der „Kampagne Pyranha“ wurde am Wochenende die vorübergehende Besetzung einer ehemaligen Tankstelle in der Moselstraße. Mit Konzerten, Parties, bio-veganer VolxKüche, Workshops und vielem mehr lockten die Besetzer mehrere Hundert BesucherInnen in das temporäre Autonome Zentrum. Aushänge am Eingang erläuterten das Selbstverständnis der Initiative und teilten mit, dass die friedliche Besetzung am Sonntagnachmittag beendet werde. Doch kurz nachdem die BesetzerInnen das Gebäude verlassen hatten, kam die Polizei.



„In Köln fehlt ein Raum für unterschiedlichste nichtkommerzielle Veranstaltungen wie Parties, Konzerte, VolxKüche, Film- und Infoveranstaltungen, größere Vernetzungstreffen, Convergence Center (Ort des Zusammenkommens), Kunst und linke Politik“, hieß es im Februar in einem Aufruf für ein neues selbst verwaltetes Zentrum, nachdem das städtische Bauordnungsamt die ehemalige Schnapsfabrik in Köln-Kalk, in der solche Ereignisse einige Monate lang stattfinden konnten, im Januar wegen angeblich „brandschutzrechtlicher Mängel“ wieder geschlossen hatte (s. NRhZ 183 vom 4.2.2009, http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=13423). „Die Kampagne Pyranha hat sich als eine direkte Reaktion auf den Verlust der Schnapsfabrik gebildet… Solange wir diesen Platz nicht haben, werden wir uns den Raum auf den Straßen und Plätzen Kölns nehmen und die Veranstaltungen, die sonst in einem selbstverwalteten Zentrum stattfinden, dort hintragen! Deshalb: Party im Polizeipräsidium, Seiltanz auf der Severinsbrücke, Fotoausstellung auf dem Friesenplatz, Theater im Turm, Picknick auf dem Parkplatz, Kino am Karthäuserwall, VolxKüche im Volksgarten, Geschichtenerzählen am Gürzenich, Umsonstladen in der U-Bahn und Disko im Dom! Für ein autonomes Zentrum!“



„Autonomer Finanztanz“ im Vorraum einer Kölner Bank 
 
Eine Reihe der so angekündigten Veranstaltungen fanden tatsächlich unter großer Beteiligung statt. Beispiele: Hunderte feierten am 29. März beim “autonomen Finanztanz“ in den Vorräumen von Banken in der Kölner Innenstadt. Am 11. April wurden Fahrgäste der KVB durch eine “Untergrundlesung“ unterhalten. Am 18. April gab es einen “Umsonst-Flohmarkt“ der Pyranhas in der Einkaufspassage der  Neumarkt-Galerie. Am 1. Juli wurde der Wiener Platz in Mülheim mit autonomen Straßenkunstaktionen wiederbelebt. Am 11. Juli gab es eine “Umsonst-Bücheraktion“ in der Sülzburgstraße nahe der Mayerschen Buchhandlung, in deren Rahmen alte Bücher mitgebracht und weitergegeben werden konnten. Fast jedes Mal griff die Polizei ein und beendete mit Hundertschaften so “kriminelle Aktionen“ wie den “Umsonst-Flohmarkt“ und die “Untergrundlesung“ bei der KVB.


BesetzerInnen weg – Polizei, was nun? EXPRESS lesen!
 
Da wundert es natürlich nicht, wenn der EXPRESS nun am Sonntagabend unter “EURE TOP 5 NEWS“ und der Schlagzeile “Köln – Großeinsatz“ behauptete: „Polizei räumt besetzte Tanke“, obwohl das Tanksstellengelände beim Eintreffen der Hundertschaft von den Besetzern längst verlassen war. Statt derer kesselten die behelmte und gepanzerten Polizisten mit gezückten Schlagstöcken an der Kreuzung Moselstraße/Luxemburgerstraße rund 60 SympathiesantInnen ein, die gerade einen friedlichen Soli-Stadtspaziergang mit Musik für die “Kampagne Pyranha“ beginnen wollten. Weil der Eigentümer der ehemaligen Tankstelle noch am Ort Strafanzeige wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs erstattet hatte, wurden die Personalien aller Eingekesselten aufgenommen. Kommentar einer Aktivistin der Kampagne: „Wir konnten an diesem Wochenende erfolgreich deutlich machen, wie wir uns ein Autonomes Zentrum vorstellen und hatten dabei die Unterstützung von mehreren hundert Menschen. Dies bestärkt uns in unserem Vorhaben. Auch die völlig unnötige Repression wird uns nicht davon abbringen.“
 
Besuch bei den Ratsfraktionen 

Unterstützung scheinen sich die “Pyranhas“ für ihre Kampagne aber auch von der Kölner Lokalpolitik zu erhoffen. Jedenfalls versuchte eine Delegation am 14. Juli direkten Kontakt zu den Ratsfraktionen aufzunehmen. Hier in Auszügen der Erlebnisbericht dieser Mission in unbekannte Welten, die zuerst der von der CDU auf deren Internetseite veröffentlichten Einladung folgte:„Sie können uns auch im Historischen Rathaus zu Köln, im Erdgeschoss besuchen kommen. Das Team der Geschäftsstelle ist gerne für Sie da!“

CDU-Heuser verspricht Stellungnahme

„Der Dame am Empfang des Historischen Rathauses ist diese Einladung wohl unbekannt und wir müssen ihr zunächst unser Anliegen mitteilen; sonst hätte sich diese dazu verpflichtet gefühlt Polizei und Krankenwagen zu rufen, „wenn da so eine Demonstration reinmarschiert kommt“. Nun denn…

Nach kurzer Zeit begrüßt uns tatsächlich Herr Heuser von der CDU und lädt uns in die Fraktionsräume ein, um ihm unser Anliegen doch etwas näher zu bringen. Unser Ansprechpartner, der uns nun gerade mehr oder weniger freiwillig empfängt (seine Kollegen Ratsangehörigen haben Sommerpause), ist Kultur-Referent und weist gleich darauf hin, dass er in dem kommenden Gespräch nicht für die Fraktion spricht... Die Tatsache, dass viele Gebäude in Köln leer stehen ist ihm nicht unbekannt („Da gibt’s ja einige.“). Dass Pyranhas eins von diesen vielen für die Kampagne abhaben könnten, fände er nicht weiter tragisch und lächelt auf unsere Frage, ob er uns nicht eventuell eine Scheibe vom kölschen Klüngel abschneiden könne. Für die weitere Planung eines Autonomen Zentrums empfiehlt er uns: „Das klingt zwar etwas bieder, aber so ein Business-Plan ist echt nicht schlecht!“ Nach ca. 20 Minuten verabschieden wir uns. Er verspricht uns, unser Vorhaben seinem Vorgesetzten vorzutragen und uns hierüber eine Stellungnahme zukommen zu lassen.
 
Nach 2 Minuten OB-Kandidat Roters
 
Etwas anders verläuft es danach bei den GenossInnen der SPD. Die schon von Ihrer Kollegin vorgewarnte Dame am Empfang begleitet uns bis in den ersten Stock der SPD-Fraktion. Auch hier sind eigentlich alle in der Sommerpause ausgeflogen, nur die leitende Angestellte hält mit einer anderen Genossin die Stellung. Auch wie Herr Heuser ist Frau X. (Name leider entfallen) positiv überrascht, dass eine so große Delegation unangemeldet vorbeischaut und ihr Anliegen für ein autonomes Zentrum einfach so vorträgt.“
 
Zur Überraschung der Pyranhas betritt nach etwa zwei Minuten der Kölner Polizei- und Regierungspräsident a.D. und nun Oberbürgermeisterkandidat Jürgen Roters das Büro und nimmt sich die Zeit, zusammen mit Frau X. und den Pyranhas über deren Vorhaben “Autonomes Zentrum“ zu sprechen.


Gruppenfoto mit OB-Kandidat Roters (2. von links): „Herzensangelegenheit“
Alle Fotos: http://pyranha.blogsport.de

Aus dem Bericht der Pyranhas: „Frau X hat schon über Flyer etwas über die Kampagne erfahren und Herr Roters äußert sich durchaus positiv über unser Vorhaben. Sofern die Bürger Kölns seinem Wunsch nachkommen und ihn zum OB wählen, ist es ihm „eine Herzensangelegenheit, Projekte abseits des Mainstreams zu fördern“: „Köln braucht so was“. Dann sollen auch unkonventionelle Kunst und Politik etabliert werden, um „Reibungen zu schaffen“, die daraus wiederum Positives kreieren: „Beuys hat schließlich auch nicht als Prof. angefangen.“
 
Dennoch möchten Frau X. und Herr Roters keine Versprechen tätigen; schließlich sei so etwas „doch gerade im Wahlkampf unseriös“. Allerdings garantieren sie, uns nach den Sommerferien eine Stellungnahme zukommen zu lassen. Die Wässerchen werden ausgetrunken, ein Gruppenfoto geschossen…
 
FDP-Geschäftsführer Breite sichtlich beeindruckt
 
Unserer unangemeldeten Art sei Dank, treffen wir bei der Geschäftsstelle der FDP zufällig den Geschäftsführer Herrn Ulrich Breite, der sichtlich beeindruckt ist: „Pfiffig, dass Sie unangemeldet vorbeischauen, deswegen bin ich auch da“. Herr Breite zeigt uns schnell, dass er unser Vorhaben unterstützen möchte. Er warnt uns gleich zu Beginn, die Betriebskosten eines selbstverwalteten Zentrums für Politik, Kunst und Kultur nicht zu unterschätzen: „Am ersten jeden Monats muss die Miete überwiesen sein.“ Weiterhin würde er sich auch freuen, wenn die Pyranhas den Kulturbunker in Köln-Mülheim übernähmen, um „sich selbst zu verwirklichen“, da dieser der Stadt Köln hohe Kosten verursacht hätte, „und dabei hätte es hier vorher auch „selbstverwaltet“ geheißen“.
 
Grüne: Rückmeldung nach den Sommerferien
 
Zu guter letzt schneien wir noch bei den Grünen und der LINKEN vorbei, die beide im gleichen Stockwerk etwas abseits im Haus Neuerburg liegen. Frau Y. (Name leider ebenfalls entfallen) von den Grünen möchte unsere Anfrage an ihre Fraktionsvorsitzende Frau Moritz weiterleiten; dabei geht sie sehr pragmatisch vor. Nachdem wir klarstellen, dass wir uns nicht als eine weitere Gruppe beim Kulturbunker beteiligen wollen und auch nicht Räumlichkeiten für unsere Veranstaltungen anmieten wollen, fragt uns Frau Y. nach unseren Größen- und Preisvorstellungen (mindestens so groß wie die Schnapsfabrik und zwar umsonst). Eine inhaltliche Diskussion möchte sie an dieser Stelle nicht mit uns führen, da ihr die Kampagne unbekannt ist und sie sich zunächst mit der überreichten Mappe beschäftigen möchte. Eine schriftliche Rückmeldung sichert sie uns aber auf jeden Fall zu, spätestens nach den Sommerferien.
 
Bei der LINKEN alle in der Sommerpause
 
Zum Schluss geht es dann ganz schnell; bei der LINKEN sind wirklich alle Parteimitglieder in der Sommerpause und nur ein zurückgebliebener freier Angestellter empfängt uns sehr erfreut mit „Da seid ihr ja endlich, ich weiß schon über alles Bescheid“. Die Pyranha-Delegation lässt nun auch die Grünen- und LINKEN-Zentrale hinter sich und wartet jetzt gespannt auf die Rückmeldungen.
 
Unser Auftritt wurde wohl bei allen Fraktionen als „sympathisch“ empfunden – wobei wir uns nicht sicher sind, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Alles in allem haben wir aber – Überraschung! – vermutlich genau NICHTS bewirkt, aber die Ratsfraktionen können nun zumindest nicht mehr behaupten, sie wüssten nichts von uns… Also: HER MIT DEM AUTONOMEN ZENTRUM!“ (PK)

Online-Flyer Nr. 209  vom 05.08.2009

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