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Medien
Hauptkommissar wird handgreiflich gegen einen Reporter
„So darf kein Polizist ausrasten“
Von Gerrit Wustmann

Am 17.6. wollte der Blaulichtreporter Marc Friedrich über einen Badeunfall berichten. Er filmte das Geschehen, bis der zuständige Hauptkommissar von Geldern handgreiflich wurde. Friedrich berief sich auf die Pressefreiheit. „Na und“, antwortete der Beamte. Friedrichs hat den Vorfall dokumentiert. Der Deutsche Journalistenverband verurteilt den Vorfall, NRW-Innenminister Ingo Wolf kündigte dienstrechtliche Konsequenzen an. Ein Interview mit Marc Friedrich.

Das Video ist hier zu sehen.

Herr Friedrich, was haben Sie am vergangenen Dienstag gefilmt?

Friedrich: Es ging um einen Ertrinkungsfall. Ein 29jähriger Obdachloser ist beim Schwimmen untergegangen und konnte vor Ort von Rettungsschwimmern gerettet und vom Notarzt reanimiert werden. Ich wurde angerufen, fuhr hin, und erst sah es aus wie ein ganz normaler Einsatz.
 
Verletzt das Mitfilmen solcher Unglücke denn nicht das Persönlichkeitsrecht des Unfallopfers?
 
Der Mann ist auf der Aufnahme nicht zu sehen. Solange die Person nicht sichtbar ist gibt es auch keine Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten. Aber selbst wenn der Mann zu sehen gewesen wäre, hätte die Polizei mich filmen lassen müssen. Eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte wäre erst entstanden, wenn das Material ausgestrahlt worden wäre.
 
Wurden Sie verletzt und wurde Ihre Kamera beschädigt?
 
Ich wurde leicht verletzt, ich habe Schulter- und Nasenbeinprellungen. Die Kamera wurde mir mit Schwung aus der Hand gerissen und zu Boden geworfen. Dabei riss das Gehäuse, und vom Objektiv ist ein Stück abgebrochen. Auch das Mikro ist defekt.
 
Haben Sie bereits Anzeige erstattet?
 
Ja. Ich habe Anzeige erstattet gegen den zuständigen Hauptkommissar von Geldern, Herrn Priesnitz. Das ist ein hochrangiger Polizist. Mindestens A12.



Hauptkommissar Priesnitz sieht rot | Quelle: blaulichtreporter.de

Denken Sie, dass es ernsthafte Maßnahmen gegen den Polizisten geben wird?
 
In Anbetracht der Tatsache, dass ich Beweismaterial sammeln konnte, ist das anzunehmen. Ich weiß nicht, wie das Gericht es sehen wird. Eine Frage ist auch, ob so etwas schon öfter passiert ist und nun zum ersten Mal auf Film festgehalten wurde. Ich hoffe, dass es rechtliche Konsequenzen geben wird. So darf kein Polizist ausrasten, erst recht nicht einer im Rang eines Hauptkommissars und in Anbetracht des Alters mit mehreren Jahrzehnten Berufserfahrung.
 
FDP-Innenminister Ingo Wolf hat sein Entsetzen geäußert und angemahnt, dass man der Polizei die grundrechtlich verankerte Pressefreiheit klarer machen müsse. Nehmen Sie das ernst?
 
Im Moment ist das Thema Pressefreiheit, besonders mit Blick auf die Ereignisse in Iran, hochaktuell. Und nun kommt das sehr nah, wenn etwas derartiges in Deutschland geschieht. Meines Wissens ist es das erste Mal seit Jahren, dass so ein Fall in Bild und Ton festgehalten wurde. Man kann nur hoffen. Ingo Wolf ist Politiker. Politiker können viel reden, aber was in die Tat umgesetzt wird, wird sich zeigen.
 
Glauben Sie an einen Einzelfall, oder sehen Sie hier eine Tendenz?
 
Im Bereich des Blaulichtjournalismus ist das an sich kein Einzelfall, wohl aber in dieser Brutalität. Es kommt öfter vor, dass man lange mit Polizisten diskutieren muss oder über Stunden nicht zu einer Einsatzstelle durchgelassen wird. Einmal sagte ein Polizist, die Einsatzstelle müsse erst „Pressetauglich“ gemacht werden.

(GW)

 

Online-Flyer Nr. 202  vom 19.06.2009

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