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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Arbeit und Soziales
12 kg schleppen bei Fluglärm
ErzieherInnen-Streik
Von Hans-Dieter Hey

Bundesweit hatten bisher an drei Tagen rund 45.000 Erzieherinnen und Erzieher durch Arbeitsniederlegung ihren Unmut gezeigt. In Köln protestierten am vergangenen Freitag  2.000 von ihnen auf dem Heumarkt gegen ihre Arbeitsbedingungen. Wer nämlich glaubt, der Beruf sei auf das Spielen mit gut erzogenen und fröhlichen Kindern beschränkt, irrt sich ziemlich. Die Herausforderungen in diesem Beruf sind in den letzten Jahren durch die Arbeitgeber gewaltig heraufgeschraubt worden – die körperlichen und psychischen Belastungen stiegen entsprechend mit. Nun sei endlich Schluss damit, meinen die Streikenden.

„Gute Arbeit"?

Ständiges Tragen von Kindern unter der Lärmbelastung wie bei einem Überschallflieger und hauswirtschaftliche Arbeiten unter Zeitdruck, bei denen man gleichzeitig alle Kinder im Auge behalten muss, machen drastisch deutlich, wie schwer der Beruf ist. Nach Auffassung von Sozialexperten der Gewerkschaft ver.di ist es daher dringend erforderlich, dass den schwierigen Arbeitsbedingungen, die im Wesentlichen aus Lärm, starker psychischer Belastung und körperlich schwerer Arbeit bestehen, entgegengewirkt werden muss.


Irgendwann auf der Intensivstation?

Zwischen den Stress funkte noch das von der schwarz-gelben Regierung eingeführte Kinderbildungsgesetz, dass bereits die Kleinsten für spätere Erfordernisse abrichten sollte. Es stellte sich allerdings bald heraus, dass es die Rahmenbedingungen in den Kindertagesstätten verschärft hat, anstatt sie zu verbessern. DIE.LINKE spricht deshalb von „Schmalspurverwahrung unserer Kinder zwecks Kostenersparnis“ und fordert eine Abkehr.

Aus der Untersuchung des DGB „Gute Arbeit“ ging hervor, dass die psychischen Erkrankungen von ErzieherInnen in den letzten Jahren um 50 Prozent gestiegen sind, nur 26 Prozent können sich vorstellen, bis zur Rente in diesem Beruf tätig zu sein. Und 70 Prozent von Ihnen machen sich Zukunftssorgen. Das alles wird nur mäßig honoriert, denn 77 Prozent halten ihr Gehalt für unangemessen. Ver.di-Chef Frank Bsirske drohte den Arbeitgeber mit einem langen Gewerkschaftsatem im Kampf um bessere Bedingungen. Es ginge nicht, das hohe Arbeitsintensität, steigende Erwartungen von Arbeitgebern und Eltern, schwierigeres soziales Umfeld und wenig Personal weiterhin den Alltag prägten.


Frank Bsirske hat einen langen Atem

Noch wimmeln die Arbeitgeber alle Forderungen ab. Sie halten das Argument belastender Arbeitsbedingungen für vorgeschoben. Es ginge den ErzieherInnen ja doch nur um höhere Gehälter. Und die verdienen – je nach Bundesland – zwischen 1900 und 2500 Euro brutto. Doch der Protest scheint berechtigt. Ginge es nämlich nach den Arbeitgebern, hätten die Beschäftigten zum Beispiel in Hamburg durch Einfrieren ihrer Gehälter auf Einstiegsniveau künftig bis zu 975 Euro bei ErzieherInnen und 201 Euro bei KinderpflegerInnen weniger, beklagt die Gewerkschaft ver.di. Und das jeden Monat. Schon der Wechsel vom alten BAT in den TvÖD hat zu Einkommensverlusten von bis zu 10 Prozent geführt. Mit welcher Rente den ErzieherInnen die harte Erziehungsarbeit später gedankt wird, kann jeder leicht einschätzen.

1-Euro-Sklaven als Lückenbüßer?

Dabei sind die Belastungen durch immer größere Gruppen, durch Aufstockung der KITA-Plätze oder flexible Öffnungszeiten immer größer geworden. Zusätzlich sind den Beschäftigten Bildungspläne, weitere Dokumentationen und Fortbildungen aufs Auge gedrückt worden. Gleichzeitig wurden die Vorbereitungszeiten von 25 auf 10 Prozent der Arbeitszeit gesenkt, um die Arbeitsdichte zu erhöhen. Kein Wunder, dass sich auch Angst um den Arbeitsplatz einstellt, den Bedingungen nicht mehr gewachsen zu sein und dass wegen eines Fehlers der Staatsanwalt auf den Plan gerufen wird.    



Fotos: gesichter zei(ch/g)en

Dass sich diese Bedingungen ändern müssen, ist nur zu verständlich. Doch die Lösung der Probleme darf nicht mit unlauteren Mitteln geschehen. Schon fürchten nämlich Erwerbslosengruppen den verstärkten Einsatz von 1-Euro-Jobbern, um als billige Lückenbüßer die Nebenarbeiten und die Fehler der Politik auszugleichen. Der Verein Kölner Erwerbslose in Aktion e.V. warnt deshalb vor allem die Gewerkschaft, die bisher die so genannten Integrationsjobs allzu locker mitgetragen hätte. Gerade die seien nicht geeignet, die kritische Situation in den Kindertagesstätten zu kompensieren, so die KEAs.

Die ErzieherInnen sind bereit, die Auseinandersetzung mit ihren Arbeitgebern weiter durchzuhalten. Am Dienstag, 19. Mai, haben sich erneut 6.500 Beschäftigte aus Nordrhein-Westfalen am Streik für den Tarifvertrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung beteiligt. Bis Mittwoch wurden weitere Kampfmaßnahmen auf Eis gelegt. Für den 26. Mai ist aber ein weiterer Streiktag vorgesehen. (HDH)

Online-Flyer Nr. 198  vom 20.05.2009

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