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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Lokales
Kommentar: Fragwürdiges Sicherheitskonzept trotz erneuter Pro-Köln-Niederlage
Polizeibesatzung und Demokratieblockade
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Am Ehrenfelder Bahnhof wurde nach Angaben von Teilnehmern der Zugverkehr eine Weile blockiert, um das Eintreffen der Herrschaften vom Vlaams Belang aus Belgien zu verzögern. Deren Zug wurde dem Vernehmen nach umgeleitet. Blockiert wurde vor allem jedoch das Durchkommen der AntifaschistInnen zum Versammlungsort der Rechtsradikalen. Das Kölner Stadtbild beherrschten an diesem Tage – begrüßenswerterweise – nicht die „braunen Bataillone“, und – bedauerlicherweise – auch nicht wirklich die Antifa, sondern die in kriegstauglicher Armeestärke angerückten Polizeikräfte.

Herbeigeredete Eskalation: Mühsam verkniffen

deutscher Schäferhund Polizei auf anti "Pro Köln" Kundegebung Foto: Hans-Detlev von Kirchbach
Allzeit beißbereit für die „Innere Sicherheit“    
Foto: Hans-Detlev von Kirchbach


Zwar hielten diese sich, was Gewaltanwendung angeht, zumindest vergleichsweise zurück. Wenn auch zum sichtlichen Ärger der beißtrainierten Polizeihunde, die, wie am Deutzer Bahnhof zu beobachten war, von ihren „Hundeführern“ unter wutentbranntem Gekläff nur mühsam davon abgehalten werden konnten, das geschliffene Gebiß lustvoll in frisches DemonstrantInnenfleisch zu schlagen.


Sogar zwei Polizei-Wasserwerfer mußten ihr Spritzgut bei sich behalten und wurden wieder zurückgezogen, nachdem es am Bahnhof KölnMesse-Deutz nach einer Festnahme zu Protesten gekommen war. Ob Polizeihunde – und Wasserwerfer-Vorgesetzter Polizeidirektor Klinger dieses für polizeiliche Hardcore-Bedürfnisse nur halbgare Resultat auch so frustrierend fand wie die vierbeinigen Kollegen, entzieht sich unserer Kenntnis. Positiv bleibt allerdings festzustellen, daß Leute wie eben Herr Polizeidirektor Klinger nicht gänzlich von der Leine gelassen wurden.

Es „klingert“ bei der Kölner Polizei

Namentlich dieser Herr ist, vornehm formuliert, zu Recht umstritten, spätestens seit der evangelikale Christen-Fundi im Jahre 2005 mit einer massiv islamophoben Rede im ostfriesischen Emden auf sich aufmerksam gemacht hatte. „Pro Köln“ hatte damals, als der Herr Polizeidirektor seiner rechtsgestrickten Auslassungen wegen auf Kritik stieß, zu „Solidarität“ mit Klinger aufgefordert. Daß Klinger als einer der Einsatzleiter am Samstag fungierte, ließ das „Bündnis gegen pro Köln“ denn auch „nichts Gutes erwarten“.

Klaus Steffenhagen Foto: arbeiterfotografie.com
Klaus Steffenhagen (rechts hinter
zukünftigem Ex-OB Schramma)
Foto: arbeiterfotografie.com
Zumal Herr Klinger in der Kölner Polizeihierarchie kein Ausnahmefall ist – im Gegenteil „klingerte“ es im Vorfeld des 9. Mai ganz mächtig aus der höchsten Ebene der Polizeiführung. Der ehemalige Polizeigewerkschafter
Steffenhagen, derzeit als Polizeipräsident von Köln amtierend, hatte höchstselbst mit Horror- und Gewaltszenarios in geradezu unverantwortlicher Weise eine Eskalation heraufbeschworen, die dann freilich im Reich der Steffenhagenschen Phantasie verblieb. Das Verbot allerdings der angekündigten Aktionen eben des Bündnisses gegen „Pro Köln“, den rechtsradikalen „Anti-Islamisierungs-Kongreß“ vor Ort mit hörbarem Widerspruch aufklärerisch zu begleiten, lag wohl schon auf einer sozusagen „Klingerschen Linie“.

Demonstrieren nur noch in der Sperrzone


Das Ausbleiben der schärfsten polizeilichen Gewalteskalation mag man vor diesem Hintergrund erleichtert zur Kenntnis nehmen. Es täuscht aber nicht darüber hinweg, daß die „Sonderzonen“ von Veranstaltung und Gegenveranstaltung zum polizeilichen Besatzungsgebiet umgewandelt wurden, mit massiven Eingriffen in Grundrechte auch unterhalb der Schwelle des physischen Übergriffs. Insbesondere sollten, der Verbotspolitik gegen die Aktionsformen des „Bündnisses gegen Pro Köln“ folgend, GegnerInnen des Pro-Köln-Hetzaufmarschs daran gehindert werden, den „Rechtspopulisten“ und, so Oberbürgermeister Schramma, „Faschisten“ aus den Rheinlanden und mehr oder minder angrenzenden europäischen Provinzen sicht- und hörbare Ablehnung zu bekunden.

Jürgen Roters bei "anti pro köln" Demo Foto: Christian Heinrici
Roters mit roter Faust und Krawatte auf            
Kundgebung in Deutz | Foto: Chr. Heinrici
Eine politische Auseinandersetzung auch weit unterhalb irgendeiner Gewaltschwelle soll bei politischen Kundgebungen nicht mehr stattfinden, die „Milieus“ bleiben unter sich und werden per polizeilicher Apartheid voneinander strikt getrennt. Hier setzte sich die seit Jahren, in Köln übrigens ganz besonders in der Epoche des Polizeipräsidenten Jü
rgen Roters durchexerzierte, Linie fort, Demonstrationen jeglicher Art weitestmöglich unter polizeilicher Isolierglocke hermetisch vom Rest der Gesellschaft abzusperren. Es könnte ja sonst der Funken demokratischen Protestes überspringen, es könnten ja sonst Diskussionen über politische Inhalte entstehen.

Geschlossene Veranstaltungen statt öffentlicher Kundgebung


Genau das ist zwar der eigentliche Sinn einer öffentlichen politischen Demonstration, und insofern auch im Demonstrations- und Versammlungsgrundrecht der Verfassung aufgehoben. Die herrschende „Sicherheits“-Ideologie aber will, wenn sie politische Kundgebung und Gegenkundgebung schon nicht ganz verhindern kann, dieselben nur in strikt abgeriegelten Sperrzonen stattfinden lassen. Aus der öffentlichen Veranstaltung und Demonstration wird damit zunehmend eine geschlossene Veranstaltung unter nur noch dem Namen nach „freiem Himmel“, zu der nur Zutritt hat, wer mehr oder minder peinliche polizeiliche Gesichtskontrollen, Ausweisüberprüfungen und Leibesvisitationen über sich ergehen läßt.

Die wohl gewollte Folge ist zum einen, daß die öffentliche Wahrnehmbarkeit der politischen Inhalte und Aussagen möglichst auf den Kreis der Veranstalter und angemeldeter Teilnehmer begrenzt wird, während der Rest der Bevölkerung schon im Hinblick auf die martialische Polizeipräsenz eher einen weiten Bogen um Demonstrationen macht. Zum anderen aber werden nicht zuletzt die Anwohner, die das Pech haben, daß sie in solchen zeitweise eingerichteten Absperrzonen leben, wenigstens stunden- und tageweise unter Sonder- und Ausnahmerecht gestellt, müssen sich ausweisen, wenn sie in ihre eigenen Wohnungen wollen und dürfen dankbar sein, daß der Staat noch nicht auf die Idee gekommen ist, in derart polizeibesetzten Arealen überhaupt gleich Hausarrest und Besuchsverbot zu verhängen. An derlei Zustände sollen sich die Leute anscheinend auch im Vorgriff auf demnächst vielleicht erwartbare soziale Unruhen schon mal gewöhnen.

Grundrechte weichen polizeibewachtem Ausnahmerecht

So entpuppt sich, was manche Antifaschisten verständlicherweise begrüßt haben, nämlich, daß der rechte „Anti-Islamisierungskongreß“ vom stadtzentralen Roncalliplatz auf die schäl Sick verbannt und unter polizeilicher Sonderbewachung abgesperrt wurde, über die punktuelle Niederlage der Rechten hinaus leider eben auch als Symptom einer insgesamt fatalen Entwicklung. Die aber läuft konsequent auf die Aushebelung demokratischer Grundrechte hinaus.

„Abpfeifen": Demonstranten halten Plakate verbotener Demo in die Höhe, arbeiterfotografie
„Abpfeifen": Demonstranten halten Plakate verbotener Kundgebung gegen „Pro Köln" in die Höhe | Foto: arbeiterfotografie.com

Das zeigte sich auch am erwähnten Verbot der antifaschistischen Aktionen des Bündnisses gegen „pro Köln“, die den rechten Hetzaufmarsch mit Gegenmeinung konfrontieren wollten. Wegen dieser eigentlich demokratischen Selbstverständlichkeit, auf einem Flugblatt des „Bündnisses gegen Pro Köln“ angekündigt, wird das Bündnis jetzt von der Kölner Staatsanwaltschaft mit einem Verfahren überzogen.


Meinungsfreiheit als Strafdelikt und eingesperrte Freiheit

Absurder „Tatvorwurf“: Die Ankündigung, Widerspruch gegen den Aufmarsch der Pro-Truppen in deren Hörweite zu bekunden, beinhalte eine „Aufforderung zu Straftaten“. Jedes Wort, das nicht vorher die Polizei genehmigt hat, als strafbar zu erklären, das ist sicher eine Wunschvorstellung der Kölner Staatsanwälte, die bei der Strafverfolgung insbesondere linker Proteste einen geradezu manischen, ja religiösen Eifer an den Tag legen. Man denke nur an die lächerlichen Verfahren beispielsweise gegen die antimilitaristischen Satire-Aktionen der „Clownsarmee“. Im Falle „Bündnis gegen Pro Köln“ wird die Kölner Anklagebehörde aber hoffentlich eine peinliche Bauchlandung erleiden.

Clown auf anti "Pro-Köln" Demo Foto: arbeiterfotografie.com
Welcher Aufzug ist hier wirklich clownesk?! | Foto: arbeiterfotografie.com

Das rechte Gehetze soll zwar außer für die Pro-AnhängerInnen selbst, nicht öffentlich hörbar sein, andererseits sollen die Rechten keinen Widerspruch hören müssen. Dieses Konzept ist, in beiden Komponenten, eine glatte Absage an den Sinn und Zweck politischer Demonstrationen und damit verfassungswidrig, soweit es über die reine Verhinderung gewaltsamer Auseinandersetzungen hinausgeht. Gerichtsinstanzen mit besserem Rechtsverstand und Verfassungsverständnis werden das hoffentlich hinreichend erkennen.


Vor allem aber muß sich die Gesellschaft selbst ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit wieder zurückholen, auch, wenn Formen und Inhalte im einzelnen schon mal dem sogenannten bürgerlichen common sense nicht behagen mögen. Freiheit kann nicht nur für das vorbehalten bleiben, was einem selbst exklusiv paßt. Und sie darf nicht dort enden, wo der rudimentäre politische Verstand irgendeines Polizeidirektors oder Staatsanwalts endet. Und Freiheit unter abgesperrten Isolierglocken ist nicht viel besser als die Freiheit, in einer schallisolierten Zelle herumzubrüllen. (CH)


Online-Flyer Nr. 197  vom 13.05.2009

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