NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

zurück  
Druckversion

Lokales
Konzernkritiker fordern Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat
Aktionen zur BAYER-HV angekündigt
Von Peter Kleinert

Zu Protestaktionen vor den Düsseldorfer Messehallen anlässlich der BAYER-Hauptversammlung am 12. Mai hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) aufgerufen. Als Hauptgründe nennt sie Störfälle, Bienensterben durch BAYER-Pestizide, die geplante CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld und den Bau umweltverschmutzender Kraftwerke. Wegen einer Vielzahl von Mißständen und einer „insgesamt verantwortungslosen Unternehmensführung“ fordern die Konzernkritiker die Nicht-Entlastung von BAYER-Vorstand und Aufsichtsrat.

Installation des Künstlers Klaus Klinger zur Begrüßung der Aktionäre 2007
Foto: CBG

Tödliches Atemgift Phosgen
 
Nichtentlastung des Vorstands fordert die CBG, weil der Konzern „gegen die Regeln einer verantwortungsvollen Unternehmensführung“ verstoßen habe. So sei es schon in den letzten Jahren bei BAYER mehrfach zu schweren Unfällen in der Kunststoff-Produktion gekommen. „Nun will BAYER in den Werken Dormagen und Brunsbüttel die Herstellung von TDI und MDI stark ausweiten. In beiden Fällen soll weiterhin Phosgen als Zwischenprodukt eingesetzt werden. Phosgen ist ein tödliches Atemgift, das im 1. Weltkrieg als Giftgas eingesetzt wurde“, so die CBG. TDI und auch Polycarbonate könnten phosgenfrei hergestellt werden. So  ließe sich die Gefährdung der Anwohner und der Belegschaft verringern.
 
Katastrophales Bienensterben
 
Seit über zehn Jahren wiesen Imker darauf hin, dass Pestizide eine große Gefahr für Bienen darstellen. BAYER-Sprecher hingegen beteuerten stets, die Giftstoffe kämen gar nicht mit Bienen in Kontakt. Im Mai 2008 kam es aber in Süddeutschland zu einem katastrophalen Bienensterben (siehe NRhZ „Schützt Bundesamt BAYER anstatt Bienen?“). In allen untersuchten Bienen wurde der BAYER-Wirkstoff Clothianidin nachgewiesen. Die Zulassung liege seitdem in mehreren Ländern auf Eis, in Frankreich gelangte Clothianidin wegen Bienengefährlichkeit gar nicht erst auf den Markt. Trotzdem weigere sich der BAYER-Vorstand, den Verkauf des Pestizids auch in Deutschland zu stoppen. Nur so ließe sich der Bienenbestand langfristig schützen.
 
Trotz der Wirtschaftskrise will BAYER die Dividende erhöhen. Es sei nicht einzusehen, dass die Arbeitnehmer zu Arbeitszeitverkürzungen, Zwangsurlaub und Lohnsenkungen gezwungen werden, während die Anteilseigner keinen Beitrag zur Bewältigung der Probleme leisten (siehe hierzu den Artikel von Jan Pehrke in dieser NRhZ-Ausgabe). Über eine Milliarde Euro an die Aktionäre auszuschütten und gleichzeitig 5.500 Beschäftigte für die Krise büßen zu lassen, sei zynisch.
 
Verhinderung preiswerter Medikamente
 
BAYER hat die indische Zulassungsstelle für Pharmazeutika DCGI verklagt, da diese dem Unternehmen Cipla eine Zulassung für das Medikament Nexavar erteilt hat (siehe NRhZ 185 „BAYER verklagt indische Regierung“). In Indien können jedoch Zulassungen für generische Pharmazeutika erteilt werden, auch wenn für die Original-Substanz noch Patentschutz besteht. Hiermit soll erreicht werden, dass nach Auslaufen eines Patents unmittelbar preiswerte Nachahmer-Produkte auf den Markt kommen können. Ein Erfolg der Klage von BAYER hätte schwerwiegende Konsequenzen für den Zugang zu preiswerten Medikamenten. Betroffen wären nicht nur indische Patienten, sondern arme Menschen in aller Welt, da Indien der weltweit wichtigste Produzent von Generika ist.

Profitable Nexavar-Produktion – 
Erfolgsmeldung im BAYER-Aktionätsbrief 2007
BAYER Nexavar.jpg
Quelle: www.aktionaersbrief-q2-07.bayer.de
Illegale Preisabsprachen
 
Der Konzern beteilige sich „weiterhin systematisch an illegalen Preisabsprachen“. Aktuell zahlte BAYER wegen unerlaubter Prämienzahlungen beim Vertrieb von Blutzuckermessgeräten eine Strafe von 97,5 Millionen Dollar an das US-Justizministerium. CBG: „BAYER hatte elf amerikanische Vertreiber von Messgeräten für Diabetes-Patienten bestochen, damit sie nur noch BAYER-Produkte anbieten. Die Zahlungen wurden als Werbeausgaben verschleiert.“
 
Kooperationsvertrag mit der Uni Köln
 
Im vergangenen Jahr vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Richard Pott vom BAYER-Vorstand wurde gegen erbitterten Widerstand der Studierenden in den Kölner Hochschulrat gewählt (siehe NRhZ 166 “Studierende: Hochschul(-ver)rat“). Da sich BAYER weigere, den Kooperationsvertrag mit der Uni Köln offen zu legen, blieben die Bedingungen dieser und vieler ähnlicher Kooperationen im Dunkeln. Unklar bleibe somit, ob pharmakologische Studien der Uni Köln künftig vor ihrer Veröffentlichung der BAYER AG vorgelegt werden müssen und ob unliebsame Ergebnisse in der Schublade verschwinden werden.
 
Gefährliche CO-Pipeline
 
Trotz aller Proteste mit mehr als 100.000 Unterschriften hält der BAYER-Vorstand immer noch an dem gefährlichen und unnötigen Projekt einer Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen den Werken Dormagen und Krefeld fest. Anlieger und Kommunen entlang der Trasse wurden sogar zwangsenteignet, obwohl das Projekt in keiner Weise dem Allgemeinwohl dient (siehe z.B. NRhZ 187 „Die CO-Pipeline von BAYER“). Die Betriebsgenehmigung liegt wegen eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts Münster auf Eis. BAYER und Bezirksregierung haben daher im Oktober 2008 eine Überarbeitung des bemängelten Planfeststellungsbeschlusses vorgelegt. Die entscheidende Frage bleibt jedoch weiterhin offen: Warum baut Bayer MaterialScience nicht in Krefeld eine moderne CO-Produktionsanlage? Dadurch ließe sich die Gefährdung der Bevölkerung entlang der Pipeline-Trasse vollständig vermeiden.
 
Missbildungen bei Föten
 
Auch der Aufsichtsrat dürfe nicht entlastet werden, fordert die CBG. Einige der Begründungen für diesen Gegenantrag: „Der Aufsichtsrat kommt seiner Kontrollfunktion nur ungenügend nach.“ So sei das BAYER-Herbizid Glufosinat „reproduktionstoxisch und kann bei Föten Missbildungen verursachen“. Es gehöre zu einer Gruppe von 22 Pestiziden, die nach der neuen EU-Pestizidgesetzgebung vom Markt verschwinden müssen. Trotz der erwiesenen Gefahr für Anwender und Verbraucher weigere sich BAYER jedoch, den Verkauf des Giftstoffes zu beenden; aktuell werde die Produktion sogar noch ausgeweitet.
 
Hungerlöhne für Leiharbeiter
 
Der Journalist Markus Breitscheidel hat inkognito als Leiharbeiter bei BAYER SCHERING gearbeitet. Als Stundenlohn erhielt er 6,24 Euro brutto. Dieser Hungerlohn war selbst seinem Vorgesetzten peinlich - ihm seien jedoch die Hände gebunden, da in dem Betrieb seit der Übernahme durch BAYER die Kosten in der Produktion massiv gedrückt werden. Wurden Leiharbeiter zunächst nur bei Engpässen angeheuert, so bilden sie mittlerweile die Mehrheit im Betrieb. Zahlreiche Festangestellte verloren ihren Job und wurden zu deutlich geringeren Bezügen als Leiharbeiter neu eingestellt. Durch die negative Publicity aufgeschreckt versuchte sich BAYER durch eine Lohn-Nachzahlung an Markus Breitscheidel aus der Affäre zu ziehen (mehr Infos: www.cbgnetwork.org/2763.html).
 
Neue Kohlekraftwerke
 
Weiterhin beteilige sich BAYER an energiepolitischen Weichenstellungen, die den Klimaschutz auf Jahrzehnte hinweg torpedieren. So soll im Werk Uerdingen ein Steinkohlekraftwerk gebaut werden, das jährlich 4,4 Millionen Tonnen CO2 emittieren würde. Betreiber soll die BAYER-Tochter Currenta werden. Auch in den Werken Brunsbüttel und Antwerpen sind neue Kohlekraftwerke geplant. Alle genannten Kraftwerke sollen mit Importkohle aus Übersee befeuert werden. Mit einer Lebensdauer von bis zu 50 Jahren würden diese neuen Kraftwerke den Einstieg in eine umweltfreundliche Energieproduktion für zwei Generationen verhindern.
 
„Wundermittel“ Aspirin
 
BAYER gefährdet Patienten durch unlautere Werbe-Aussagen für Pharmaprodukte (siehe NRhZ 132 „Das Pharma-Marketing von BAYER – Teil 2“). So wurde BAYER im Herbst von US-Gesundheitsbehörde FDA wegen der Werbung für zwei Aspirin-Kombinationspräparaten verwarnt. Das Produkt „Bayer Heart Advantage“ war als Mittel vermarktet worden, mit dem sich der Blutfettspiegel senken und die Risiken für Herzkrankheiten verringern ließen. Das Präparat „Bayer Woman's“ wurde für den Einsatz zur Bekämpfung von Osteoporose beworben. Für beide Anwendungen existiert keine Zulassung. Ziel der Aspirin-Werbung von BAYER sei es, das Präparat als Allheilmittel zu positionieren, das man lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nimmt. In einer aktuellen Kampagne bezeichnet BAYER Aspirin gar als „Wundermittel“. Unter den Tisch gekehrt werden dabei die mitunter schweren, oftmals gar tödlichen Nebenwirkungen des Präparats, wegen der Aspirin nur auf ärztlichen Rat hin regelmäßig eingenommen werden sollte.
 
Regelmäßig schwere Unfälle in den USA
 
Die Sicherheitslage im BAYER-Werk in Institute/USA sei „weiterhin kritisch. Nirgendwo in den USA werden größere Mengen der tödlichen Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) produziert und gelagert. Regelmäßig kommt es zu schweren Unfällen. Die Risiken für Belegschaft und Bevölkerung sind hoch. Anwohner fordern seit Jahrzehnten, die gefährlichen Phosgen- und MIC-Tanks abzubauen“. In der Hauptversammlung 2008 wies BAYER-Chef Werner Wenning jeden Handlungsbedarf zurück. Die Anlagen entsprächen den „neuesten Sicherheitsstandards“ und hätten eine „ausgezeichnete Störfallbilanz“.


Möchte gern wieder entlastet werden - BAYER-Chef Werner Wenning
NRhZ-Archiv
 
Trotz solcher Beschwichtigungen kam es vier Monate später, am 28. August 2008, in dem Werk zum nächsten schweren Unfall. In der Pestizidproduktion explodierte ein Vorratsbehälter, über der Anlage stieg ein Dutzende Meter hoher Feuerball auf. Zwei Arbeiter verloren das Leben. Tausende Anwohner durften über Stunden ihre Häuser nicht verlassen. Die Erschütterungen waren in einem Umkreis von mehr als 15 Kilometer zu spüren, Augenzeugen sprachen von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“. Eine nahe gelegene Autobahn wurde geschlossen.
 
BAYER-Sprecher wiegelten nach der Explosion ab und behaupteten, dass die großen MIC-Tanks in einem anderen Teil der Fabrik untergebracht seien. Erst Wochen später stellte sich heraus, dass sich weniger als 20 Meter vom Explosionsort entfernt ein überirdischer MIC-Behälter befindet, der bis zu 20 Tonnen des tödlichen Gases enthält. Im Fall seiner Beschädigung wäre das Leben weiterer Arbeiter und der Anwohner in höchster Gefahr gewesen. Zwar entschuldigte sich die Werksleitung unterdessen für die Kommunikationspannen. Grundsätzliche Konsequenzen zieht das Unternehmen allerdings nicht. Die Produktion auf MIC- und Phosgen-Basis soll bestehen bleiben.
 
„Seit der Gründung des Konzerns“, so die CBG, „ist zu beobachten, dass BAYER mit Druck und Drohungen versucht, Information und - noch mehr - Kritik zu unterbinden. Die wirtschaftliche Macht wird rücksichtslos eingesetzt, um die Profite zu schützen. Die Wahrheit und die Interessen von Mensch und Umwelt bleiben dabei auf der Strecke“. Fazit der Konzernkritiker: „Vorstand und Aufsichtsrat haben keine Schritte zur substantiellen Verbesserung der Sicherheitslage in Instituten und zur Aufklärung der Öffentlichkeit unternommen und sollen daher nicht entlastet werden.“ (PK) 

Online-Flyer Nr. 189  vom 18.03.2009

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE