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Globales
"Rote Linie" auf der Münchner Sicherheitskonferenz gezogen
Merkel will Krieg
Von Jürgen Elsässer

Auf der 42sten "Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik" hat Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber die "Friedensmedaille" an US-Senator Mc Cain verliehen. In der Tat trat dort zum Thema Iran-Krise Bundeskanzlerin Angela Merkel aggressiver auf als die Vertreter der USA. Hierzu der folgende Kommentar:

Wenn's schon sonst keiner sagt, muß es eben der iranische Vize-Außenminister Abbas Araghchi sagen: "Ein Politiker sollte nicht die Augen schließen und dann einfach den Mund aufmachen, sondern erst die Augen und dann langsam den Mund." Mit dem Politiker war eine Politikerin gemeint, und die ist aus vollkommen unverständlichen Gründen in Deutschland derzeit auf einem demoskopischen Höhenflug: Angela Merkel, Kanzlerin der Reichen und Dummen. Nach einer etwas schwierigen Startphase - Wie formuliert frau vollständige Sätze? Welches Make up paßt zu pinkem Jacket oder giftgrüner Bluse? - hat sie nun ihre Form gefunden und gibt auf der internationalen Bühne die Metzgersgattin. Die Frau trommelt für einen Krieg, der alle Kriege seit Vietnam als harmlose Versuche aussehen lassen wird.

Was die Bundeskanzlerin auf der traditionellen Münchner Sicherheitskonferenz am ersten Februarwochenende gesagt hat, hätten Freund wie Feind eigentlich eher vom prominentesten US-Gast, Außenminister Donald Rumsfeld, erwartet. "Der Iran hat mutwillig - ich muß das leider so sagen - die ihm bekannten roten Linien überschritten", griff sie ein Land an, das bisher die internationalen Verträge, darunter den Atomwaffensperrvertrag, punktgenau eingehalten hat. Und weiter: "Wir wollen und müssen die Entwicklung iranischer Nuklearwaffen verhindern." Araghchi konterte in einem Diskussionsbeitrag, es sei "überraschend", daß das ausgerechnet seinem Land vorgeworfen werde, in dessen Nachbarschaft sich ein Staat befinde, der von Nuklearwaffen nur so strotze, sich über UN-Resolutionen hinwegsetze und die Palästinenser unterdrücke.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Merkel legte noch einmal nach, und diesmal sprach sie ohne Manuskript, das heißt ohne die von ihren Sherpas ansonsten empfohlene Zurückhaltung: Als das NS-Regime in den Anfangsjahren erstarkt sei, habe es oft geheißen, das sei nur Rhetorik. "Es hat sich im Nachhinein herausgestellt, daß es Zeiten gegeben hätte, in denen man anders hätte reagieren können, und meines Erachtens ist Deutschland verpflichtet, schon auf früher Stufe etwas zu tun." So hatte sie den angeblichen Schurkenstaat mit dem Nazi-Regime gleichgesetzt - eine seit dem Ende der Bipolarität im Westen beliebte Argumentationsfigur, die im Falle des Irak und Jugoslawiens zwingend die Phase der direkten Kriegsvorbereitung eingeläutet hat. Zuerst galt Saddam als Hitler, dann Milosevic, nun ist Ahmadi-Nedschad an der Reihe.

Kein Zweifel, in seinen Reden versucht der iranische Präsident mit wüstem Antisemitismus zu punkten. Doch man sollte nicht übersehen, daß der Iran eines der wenigen Länder der Welt ist, in dem Juden niemals verfolgt und niemals vertrieben wurden - das gilt bis heute. Daß es hierzulande anders, ganz anders war, mißbraucht Merkel - "Wir haben aus unserer Geschichte gelernt" - nun als Argument dafür, den Persern Mores zu lehren, alles andere sei - so wörtlich - "Appeasement". Ehre wem Ehre gebührt: Auschwitz als Grund nicht gegen, sondern für Krieg zu mißbrauchen - darauf ist als erster Heiner Geißler in der Nachrüstungsdebatte 1983 und dann Joschka Fischer zur Rechtfertigung des Angriffs auf Jugoslawien 1999 gekommen. Aber immerhin, auch das muß gesagt werden, hat letzterer auf der Münchner Konferenz im Februar 2003 Rumsfeld sein "I'm not convinced" entgegengehalten und damit im Vorfeld der Aggression gegen den Irak einen Dissens markiert, an den die Friedensbewegung anknüpfen konnte.

Nichts davon bei Merkel, im Gegenteil. Zum Verhältnis USA-EU bemerkte sie, daß "das Maß an Übereinstimmung erstaunlich ist". Und über die feinen Unterschiede in der jeweiligen Militärdoktrin: "Ich will jetzt einmal nicht weiter über die Unterschiede zwischen den Worten 'preemptive' und 'preventive' philosophieren, aber es ist hochinteressant, daß sich die Dinge doch in eine gemeinsame Richtung entwickeln." Daß das Rumsfeld und Co. begeisterte, war klar. Aber auch die Süddeutsche Zeitung lobte "Frau Merkels Gespür für Stil" und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer ihre "frische Art". Die Reihen sind geschlossen.

Jürgen Elsässers Text wurde in der Wochenzeitung "Freitag" veröffentlicht. Sein Buch "Wie der Dschihad nach Europa kam. Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan" (np-buch März 2005) erscheint 2006 auf Französisch, Serbisch und Türkisch. Weitere Infos: www.juergen-elsaesser.de

Online-Flyer Nr. 31  vom 14.02.2006

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