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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Aktuelles
Bizarrer Termin für eine Mutter bei der Hartz IV-Behörde in Brühl
Behördenposse
Von Martin Behrsing

Das Erwerbslosen Forum Deutschland (EFD) hatte am Wochenende über eine Mutter zweier Kinder (Alter 2 ½ Jahre und 7 Monate) berichtet, die von der ARGE Euskirchen in helle Panik versetzt wurde. Die Hartz IV-Behörde hatte sie zum persönlichen Gespräch eingeladen, um mit ihr über die »Sicherstellung« ihrer Kinder zu reden. Dazu sollte sie ihren Partner mitbringen (siehe unsere Meldung vom 17.8.). Martin Behrsing, Sprecher des EFD, der an dem Termin teilnahm, bezeichnet ihn eine „Behördenposse der besonderen Art, die keine TV-Sendung, wie »Verstehen Sie Spaß« hätte besser umsetzen können.“ – Die Redaktion.

»Sicherstellung der Kinder«

Ich fuhr heute Morgen mit zwei weiteren Mitstreitern des Erwerbslosen Forums Deutschland von Bonn zur Euskirchener Arge. Eine Arbeitsverwaltung, deren Ziel die »Sicherstellung der Kinder« ist wollten wir unbedingt kennen lernen. Wir hatten uns um kurz von 10 Uhr mit Frau H. verabredet, die ihre beiden Kinder mitbringen musste, da ihr Mann sich nicht frei nehmen konnte. Die junge Mutter kam pünktlich zum verabredeten Treffpunkt. Das Baby im Kinderwagen und die 2 ½ Jahre alte Tochter an der Hand. Sie war sichtlich erleichtert uns zu sehen.
 
Das Schreiben der ARGE vom Freitag hatte sie in helle Panik versetzt. Sollten ihre Kinder jetzt zwangsweise betreut werden, damit sie arbeitet? Wir gingen zu sechst in das Büro des Sachbearbeiters Herr Z. der ARGE Euskirchen. Er war anscheinend überhaupt nicht über die große Anzahl von Menschen erstaunt. Schließlich begann er das Gespräch und fragte uns, wer denn von uns Herr Winter sei. Auf unser Verneinen fragte er Frau H. warum sie Herrn Winter nicht mitgebracht hätte. Die junge Mutter reagierte: „Ich kenne keinen Herrn Winter.“ Das schien Herrn Z. nicht weiter zu irritieren, und wir bekamen das Gefühl, es sei in Euskirchen normal, dass Menschen zur ARGE geladen werden und dazu gleichzeitig ihnen unbekannte Personen mitbringen sollen.
 
Begegnung der »dritten Art«

Dann sah Herr Z. auf die beiden Kinder - das Baby im Kinderwagen und die Tochter an der Hand der Mutter. Er sprach Frau H. an: „Frau H., Ihr Kind ist über drei Jahre, und deshalb müssen wir uns über die Sicherstellung der Kinder unterhalten. Sie wissen ja, dass Sie für Betreuungsmöglichkeiten für Ihre Kinder sorgen müssen, damit Sie eine Arbeit aufnehmen können.“

Ich war zunächst sprachlos und fragte mich, ob ich noch träume oder tatsächlich in der Hartz IV-Behörde sei und benötigte einen Moment, um überhaupt etwas sagen zu können. Wahrscheinlich sah ich aus, wie nach einer Begegnung der »dritten Art«.

Ich erklärte Herrn Z. etwas ungehalten, dass er doch wohl zwei Kinder vor sich sehen könne und somit sehe, dass das Baby weit von der Vollendung des dritten Lebensjahrs entfernt sei.  Herr Z. schob die Schuld auf die Leistungsabteilung der Euskirchener ARGE, die Frau H wohl falsch „aktiviert“ habe. Damit meinte er, dass sie laut Computerprogramm für die Arbeitsvermittlung aktiv sei. Ich entgegnete, dass er das doch jetzt korrigieren könne. Das tat er auch und sagte zu Frau H.: „Sie werden nun jetzt zum 12. Oktober 2010 wieder aktiviert.“

Entschuldigung fällig
 
Ich sprach Herrn Z. auf das unglaubliche Schreiben an und fragte ihn, was er denn fühlen würde, wenn er als Vater von zwei Kleinstkindern eine Einladung zu einem Termin bekäme, auf dem man über die »Sicherstellung« der Kinder sprechen wolle. Auch hier schaffte es Herr Z, das Gespräch sofort auf einen andere Ebene zu verlegen, indem er den »berühmten Konjunktiv» einführte. Er fragte, was denn wäre, wenn die Kinder über drei Jahre alt wären. Mein Kollege Wolfgang Wobido entgegnete, dass doch nun zumindest eine Entschuldigung gegenüber der Mutter fällig wäre. Aber das hörte Herr Z. offenbar nicht. Ich unterbrach Herrn Z.'s weitere Ausführungen und sagte, dass der Termin nun wohl beendet sei und dass die ARGE Euskirchen angesichts des Einladungsschreibens sicher nicht den Begriff »Kundenfreundlichkeit» für sich in Anspruch nehmen könnte.

Trotz Mutterschutz
 
Beim Rausgehen erzählte uns Frau H, dass sie zwei Wochen vor der Niederkunft ihres jüngsten Kindes zur ARGE zitiert worden sei. Sie habe sich tatsächlich - trotz Mutterschutz – um eine Stelle bewerben müssen, auf der sie schwere Kartons hätte heben müssen. Die Firma jedoch habe den Mutterschutz ernst genommen und sich gegen ihre Bewerbung entschieden.
 
Fazit: Frau H. ist bis Oktober 2010 »inaktiv«. Hartz IV-Bezieher im Landkreis Euskirchen müssen zu Terminen ihnen unbekannte Personen mitbringen. Der Soziologe Max Weber hätte »Bürokratismus» nicht besser beschreiben können, Lachen oder völlig entsetzt sein? – Das Erwerbslosenforum erwartet eine Entschuldigung der Arbeitsagentur Brühl und des Landkreises Euskirchen als Träger der ARGE. Mal sehen, ob man sich dazu durchringen kann. (PK)
 
Siehe auch: http://www.elo-forum.net/hartz-iv/hartz-iv/-200808171904.html 

Online-Flyer Nr. 159  vom 19.08.2008

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