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Aktueller Online-Flyer vom 16. April 2024  

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Medien
Studie der Uni Düsseldorf zum Medieneinfluss auf Bürger und Politik:
Journalisten deutlich weniger kritisch
Von Peter Kleinert

Im vergangenen Semester haben 22 Studierende am Sozialwissenschaftlichen Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf unter der Leitung von Professor Dr. Gerhard Vowe, Inhaber des Lehrstuhls I für Kommunikations- und Medienwissenschaft und des Diplom-Medienwissenschaftlers Marco Dohle eine Umfrage durchgeführt. Es ging dabei um den Einfluss der Medien auf Politik und Bürger. Die Studierenden haben uns das Ergebnis per Pressemitteilung zugeschickt.

Aus der im Juni durchgeführten Umfrage bei mehr als 1.000 Personen gehe hervor, „dass der politische Einfluss der Medien als größer eingeschätzt wird als der Einfluss der Bürger selbst“. Nach Meinung der Befragten sei „der Einfluss der Medien auf die politischen Entscheidungen in den letzten Jahren sogar noch gestiegen“. Das beurteilten die Befragten „eher kritisch“. Allerdings sähen die Befragten gleichzeitig „den Einfluss der Medien auf die eigene politische Meinungsbildung als gering an“. Sehr viel stärker würde aber nach Meinung der Befragten „durch die Medien beeinflusst, was die Allgemeinheit politisch denkt“.

BILD

Befragt wurden Studierende und ihr Umfeld, Journalisten sowie „politisch und sozial Engagierte“ - aber keine „normalen“ BürgerInnen -, um einen Vergleich zwischen diesen drei Gruppen zu ermöglichen. Journalisten und Engagierte, so die Auswertung, „schätzen die politische Bedeutung der Medien sogar etwas höher ein als die Studierenden“ selbst. Gleichzeitig sähen die Journalisten den politischen Einfluss der Medien aber „deutlich weniger kritisch“ als die beiden anderen Gruppen.

 
Mehr Einfluss auf Politik als die Bürger
 
„Alle Gruppen“ seien aber der Auffassung, dass die Medien im Vergleich zu den Bürgern einen größeren Einfluss auf die Politik haben - 75 Prozent der Befragten sähen die Medien als mächtiger an. Das restliche Viertel sehe „ein ausgeglichenes Verhältnis oder einen stärkeren Einfluss der Bürger“. Wer aber auf die Medien Einfluss ausübt, war – so weit man dies dem Bericht der Studierenden entnehmen kann – nicht Gegenstand der Umfrage.
 
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: „Diejenigen, die den politischen Einfluss der Medien als stark einschätzen, sind aber nicht weniger als andere bereit, sich politisch zu engagieren.“ Das hätten die Leiter der Studie nicht erwartet: „Wir haben vermutet, wenn die Medien als besonders mächtig angesehen werden, dann resignieren die Leute und sagen, man kann als Einzelner doch nichts machen“, so Professor Gerhard Vowe.
 
Thema Klimapolitik
 
„Der Einfluss der Medien auf konkrete politische Entscheidungen ist nach Meinung der Befragten etwas geringer als auf die Politik generell“, so das Ergebnis der Umfrage in der Studie. Zum Thema Klimapolitik meinen aber „zwei Drittel der Befragten, dass die Politiker das Thema Klimawandel erst ernster nehmen, seit es intensiv in den Medien behandelt wird“. Nur 19 Prozent der Befragten meinen, dass Politiker sich bei der Klimapolitik wenig von den Medien beeinflussen lassen.

spiegel
Nicht allzu klimafreundlich –
Spiegel-Titel Mai 2007
„Einhellig“ seien die Befragten der Auffassung, dass der Einfluss der Medien auf die eigene politische Meinungsbildung „eher gering“ sei, während sie deren „Einfluss auf die Meinungen der anderen aber als groß und fast immer in einem negativen Sinne“ einschätzen. „Das kann logisch nicht stimmen: alle sind felsenfest davon überzeugt, dass der Einfluss der Medien auf die anderen viel größer ist als auf einen selbst“, so Marco Dohle. Dieses Phänomen ist in der Fachliteratur als „Third-Person-Effect“, eine Art „Selbsttäuschung über anonyme Dritte“, bekannt: Die Medien hätten einen großen und meist negativen Einfluss auf die Allgemeinheit (die anonymen Dritten), einen gewissen Einfluss auf das unmittelbare Umfeld wie eigene Angehörigen und Bekannte (die einem bekannten Zweiten), aber so gut wie keinen Einfluss auf einen selbst. Die anderen werden manipuliert, man selbst aber selbstverständlich nicht.
 
„Selbsttäuschung“ von Politikern
 
Auch dabei unterschieden sich laut Studie die drei befragten Gruppen: „Politiker sind noch mehr als die anderen Gruppen davon überzeugt, dass die Medien einen Einfluss auf die Allgemeinheit ausüben, nicht aber auf sie selbst.“ Bei der Klimapolitik stelle sich die Lage ähnlich dar.
 
Allerdings habe diese Selbsttäuschung wenig Einfluss auf das Verhalten. Zwar zeige sich: wenn jemand den Medien großen Einfluss auf die Allgemeinheit zuschreibt, trete er eher dafür ein, den Spielraum der Medien zu begrenzen. Die Selbsttäuschung habe aber keine Folgen für das eigene politische Engagement oder für das Umweltverhalten. Beispiel: „Wer glaubt, dass die Medien starken Einfluss haben, tritt nicht mehr als andere für klimafreundliche Maßnahmen ein, z.B. Energiesparlampen.“ (PK)
 
Weitere Informationen erhalten Sie auf Anfrage von Marco Dohle dohle@phil-fak.uni-duesseldorf.de und von Professor Vowe vowe@uni-duesseldorf.de.
Die Ergebnisse der Studie stehen auch in Form einer Power Point-Präsentation zur Verfügung: http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/
 
Einen Kommentar von der Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer zur Studie finden Sie in dieser NRhZ-Ausgabe unter dem Titel „So what!“.

Online-Flyer Nr. 160  vom 20.08.2008

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