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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Inland
Streit um Atommülllager Asse II und „Klimaschutz“ durch AKWs
Unbeherrschbare Risiken
Von Peter Kleinert

Während Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in der Aktuellen Stunde des Bundestags am Donnerstag aufgrund der katastrophalen Pannen im Atommülllager Asse II „einen langfristigen Sicherheitsnachweis“ des Betreibers forderte, verlangte – wie bereits gemeldet – die LINKS-Fraktion, dem Helmholtz Zentrum die Genehmigung zu entziehen. Dieses habe illegal Strahlenmüll eingelagert, das Atomrecht missbraucht und gemeinsam mit dem niedersächsischen Umweltministerium den Fall dann heruntergespielt.

Schon im November von Robin Wood besetzt - Förderturm von Asse II
Schon im November von Robin Wood
besetzt - Förderturm von Asse II
Foto: Robin Wood
„Der Prototyp für Gorleben, das Bergwerk Asse II säuft ab. Es müssen ehrliche Konsequenzen gezogen werden, Gorleben kommt wegen des fehlenden Deckgebirges zur Abschirmung von Wasser als Atommülldeponie nicht in Frage", so ein BI-Sprecher. Die Einrichtung eines Versuchslabors in Gorleben - von Umweltminister Sigmar Gabriel favorisiert - werde deshalb weiter mit Vehemenz abgelehnt.

Erstes unterirdisches Lager für Atommüll weltweit
 
Asse war das weltweit erste unterirdische Lager für Atommüll. Dort wurde seit 1967 erprobt, wie radioaktiver Abfall auf Dauer „sicher“ entsorgt werden kann. „74 Kubikmeter radioaktiv verstrahlte Flüssigkeit wurden im Atomlager Asse II illegal eingelagert. Gleichzeitig wurde offenbar das geltende Atomrecht vom zuständigen Landesbergamt Niedersachsen missbraucht, um die unzulässigen Verklappungen zu ermöglichen“, hatte schon Tage vor der Aktuellen Stunde Hans-Kurt Hill, energiepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Umweltausschuss moniert.
 
Obwohl den Betreibern bekannt gewesen sei, dass das Salzbergwerk einsturzgefährdet ist, wurden jahrelang strahlenbelastete Lauge und radioaktive Betriebsabfälle in tiefe Bereiche der Anlage verbracht. Hill: „Da wurde herumgeräumt, wie in einem alten Teppichlager. Das ist jetzt kaum rückholbar und erhöht die Gefahren für die Bevölkerung. Gleichzeitig hat das Helmholtz-Zentrum Informationen über das belastete Material zurückgehalten.“ DIE LINKE forderte die Bundesregierung deshalb auf, dem Betreiber, dem  Helmholtz-Zentrum München, die Betriebsgenehmigung zu entziehen und ihn „finanziell in die Pflicht zu nehmen". Verantwortlich für das Helmholtz Zentrum ist Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Die Vorstellung, dass radioaktives Trinkwasser spätestens nach 150 Jahren nicht mehr auszuschließen sei, „ist der reinste Horror", sagte die Grünen-Umweltpolitikerin Sylvia Kotting-Uhl in der Aktuellen Stunde. „So kann man mit Atommüll nicht umgehen."

Protest bei der Weltklimakonferenz in Bali 2007
Protest bei der Weltklimakonferenz in Bali 2007
Quelle: Umweltinstitut München e.V.


Annette Schavans Union verteidigt dagegen weiter die Atomenergie: „Wir sind der festen Überzeugung, dass wir eine Laufzeitverlängerung der sichersten Kernkraftwerke in Europa, nämlich der deutschen Kernkraftwerke, benötigen, um sichere Energiepreise sicherzustellen und um dem Klimawandel gerecht zu werden", behauptete auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla im Bundestag und in den Medien.
 
Atomenergie – ein Nischendasein

Dieser Behauptung und einem CDU-Strategiepapier, nach dem Atomkraft für den Klimaschutz vorteilhaft sei, widerspricht das Umweltinstitut Muenchen e.V.: „Nuklear erzeugter Strom hat den scheinbaren Vorteil, dass er vergleichsweise CO2-arm erzeugt wird. Egal, ob Öl teurer wird, Russland den Gashahn zudreht oder eine neue Klimastudie vorliegt – reflexartig wird der Ruf nach Atomkraft laut. Atomkraftwerke (AKWs) erzeugen aber ausschließlich Strom, während Öl vorrangig als Treibstoff und Gas großteils zum Heizen eingesetzt wird. Diese fossilen Energieträger stehen nicht in direkter Konkurrenz zur Atomkraft. Weltweit wurden im Jahr 2005 nur zwei bis drei Prozent des Gesamtenergieverbrauchs nuklear erzeugt. Damit schneidet Atomenergie im Vergleich zu Erneuerbaren Energien schlecht ab: Denn Energie aus Sonne, Wind & Co. kam schon auf 20 Prozent. Global gesehen ist Atomstrom als Klimaretter damit bedeutungslos.“

Schneller Brüter Kalkar – inzwischen Freizeitpark
Schneller Brüter Kalkar – inzwischen Freizeitpark
Foto: Wunderland Kalkar


Die Euphorie um die Atomenergie ist spätestens seit Tschernobyl vorbei. Weltweit waren nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde Anfang 2007 435 AKWs in Betrieb, sechs weniger als ein Jahr zuvor. Zudem sind sie stark überaltert: 327 von ihnen laufen seit mehr als 20 Jahren, 114 sogar seit über 30 Jahren. Jünger als zehn Jahre sind nur 33. Anfang 2007 waren weltweit 29 Blöcke in Bau, elf davon schon seit 20 Jahren oder länger. Bauruinen, Fertigstellung ungewiss.

Einsparpotenzial zu gering

Verschiedene Studien haben das CO2-Einsparpotenzial durch Atomstromerzeugung untersucht. Ergebnis nach Kenntnis des Münchener Umweltinstituts: Selbst eine Verdreifachung der AKW-Leistung bis zum Jahr 2050 „würde rund fünf Milliarden Tonnen CO2 einsparen – verglichen mit dem Ausbau der Stromerzeugung auf der Basis herkömmlicher Kohle- und Gaskraftwerke. Klimaforscher fordern jedoch, weltweit bis zum Jahr 2050 25 bis 40 Milliarden Tonnen Kohlendioxid einzusparen. Eine Verdreifachung des bestehenden AKW-Parks brächte also lediglich 12,5 bis 20 Prozent dieser erforderlichen Reduzierung. Wenn Atomkraft aus Klimaschutzgründen einen deutlich höheren Anteil am weltweiten Energiebedarf abdecken wollte, müssten in kurzer Zeit demnach mehrere Tausend neuer AKW gebaut werden – ein unrealistisches Szenario“. Abgesehen davon sei der Rohstoff Uran genau wie die fossilen Brennstoffe endlich. Und Thorium als Uran-Ersatz und die Schnelle-Brüter-Technik berge ebenfalls unbeherrschbare Risiken und habe zudem in der Praxis bereits versagt, wie z.B. das gescheiterte deutsche Brüter-Projekt in Kalkar oder der nie über den Probebetrieb hinausgegangene Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm-Uentrop. Hinzu komme das unbeherrschbare Risiko von Atomanlagen mit der Möglichkeit verheerender Unfälle wie in Tschernobyl. (PK)

Online-Flyer Nr. 153  vom 02.07.2008

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