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Medien
Der Deutschlandfunk zur Idee eines Esperantostaates der Freundschaft
Mit Idealismus einen Staat machen
Von Klaus Spielvogel

Esperanto ist eine Sprache. Esperanto heißt Hoffnung. Zum Ende des 19 Jahrhunderts wurde als eine der Hilfssprachen zur internationalen Verständigung das Esperanto entwickelt. In einer Zeit, die durch die Reisemöglichkeit per Eisenbahn und zunehmenden Informationsfluß durch die Telegrafie geprägt war, wurde die Notwendigkeit gesehen, allen Menschen unabhängig von ihrer formalen Ausbildung ein Sprachinstrument zu geben, durch das sie sich mit Menschen anderer Muttersprachen verständigen könnten. Gleichzeitig war dies in der Phase vor dem Ersten Weltkrieg die Zeit der Friedenskongresse, in der man versuchte, dem Nationalismus und Militarismus entgegen zu wirken. Die Esperantisten sahen in ihrer neutralen Hilfssprache ein Instrument zur Völkerverständigung.

Staat mit 256 Einwohnern?
 
Durch eine widersprüchliche Neuregelung der europäischen Grenzen auf dem Wiener Kongress 1815 wurde das Gebiet um das heutige Kelmis, auf dem eines der bedeutendsten Zinkvorkommen Europas lag, zum neutralen Gebiet, ein Ländchen von einem Grenzumfang von 11 Kilometern und anfangs 256 Einwohnern hinter der Stadt Aachen, ein neutrales Gebiet zwischen Preußen und den Niederlanden, später zwischen Preußen und Belgien. Ein Feature des Deutschlandfunks, das am Pfingstmontag ausgestrahlt wurde, stellt die Idee dar, wie dieses Ländchen, damals Neutral-Moresnet genannt, zu einem Esperanto-Staat ausgerufen werden sollte, zu einem Ort der Freundschaft; auf Esperanto in einem Wort: Amekejo.
 
Im Frühjahr 1908 berichteten mehr als 150 Zeitungen in Europa und gar Nordamerika über dieses Projekt, und am 13. August trafen sich in Neutral-Moresnet knapp 100 Esperantisten, auch aus Frankreich und Spanien, im Hotel Bergerhof, um das Projekt zu besprechen.
 
Die Menschen waren begeistert
 
Die Autorin Sabine Weber beleuchtet die Hintergründe der Idee einen Esperantostaat zu gründen, läßt in ihrem Feature Esperantisten, Historiker und Einwohner der Region zu Wort kommen, die den Idealismus von damals nachzeichnen. Langjährige Recherche und Forschungsarbeit von Mathieu Schrymecker und Herbert Ruland, montiert in Teilen von Interviews, wirken auf die Hörer und stellen ihnen die damalige Begeisterung der Menschen für diese Idee vor. Die Toncollagen bringen eine Imagination von Wirkungen auf die sich dem Ideal damals verschreibenden Menschen zustande und auf den Zuhörer heute.       
 
Deutlich zeigt sich aber auch, wie sehr doch einzelne Persönlichkeiten eine Idee ausformulieren und prägen. Fehlen sie, fehlt der Zündfunke, und die Ausführung erliegt im Stillstand. Karl Schriewer war schließlich dieser Zündfunke in Neutral-Moresnet. Er unterrichtete viermal wöchentlich die Sprache Esperanto, zweimal für Kinder, zweimal für Erwachsene. Er wurde zum Wehrdienst einberufen und fiel später im Großen Krieg in Afrika. Zwar blieb die Begeisterung der Menschen für die Idee des Esperantostaates ungebrochen, aber es fehlte die vorantreibende einzelne Persönlichkeit, durch die die Idee schließlich hätte vollständig verwirklicht werden können. Nach dem 1. Weltkrieg fiel Neutral-Moresnet durch den Vertrag von Versailles an Belgien.
 
Gefallen ist aber nicht die Idee des Esperanto. Sie ist auch heute, einhundert Jahre später, weiterhin lebendig, weltweit und im heutigen Kelmis, direkt an der Grenze hinter Aachen. Die Gaststätte Select an der Lütticher Straße ist das damalige Hotel Bergerhof; das auch heute noch der regelmäßige Treffpunkt der Esperantisten aus dem Dreiländereck von Belgien, den Niederlanden und Deutschland ist. (PK)
 
Als mp3-Audiodatei kann das Feature frei von der Internetseite des Deutschlandradio heruntergeladen werden unter: ondemand-mp3.dradio.de

(Deutschlandfunk, http://www.dradio.de/dlf/, AUDIO ON DEMAND, 12. Mai 2008, „Amikejo, Ort der Freundschaft", Sendezeit: 11:04, 54 Minuten)

 

Online-Flyer Nr. 148  vom 21.05.2008

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